Verpasste Gelegenheiten (Unvollkommene Liste)
Uri Avnery, 27.5.06
„DIE PALÄSTINENSER versäumten nie eine Gelegenheit, um
eine Gelegenheit zu verpassen.!“ Diese von Abba Eban
geprägte Phrase ist zu einem Schlagwort geworden. Es
illustriert auch ein weises Sprichwort aus dem Talmud:
„Derjenige, der die Fehler bei anderen findet, findet in
Wirklichkeit seine eigenen Fehler.“
Zweifellos haben Palästinenser von Anfang des Konfliktes
an Gelegenheiten verpasst. Aber die kann man vergessen,
verglichen mit den verpassten Gelegenheiten des Staates
Israel in den 58 Jahren seiner Existenz.
Die
hier folgende Aufzählung ist keineswegs komplett.
AM
TAG nach dem Krieg von 1948, in dem Israel gegründet
wurde, hätten wir den Frieden gewinnen können.
Während des Krieges wurde das ganze Land, in dem -
gemäß der UN-Resolution vom November 1947 - der
arabisch-palästinensische Staat errichtet werden
sollte, von Israel, Jordanien und Ägypten besetzt.
Israel eroberte und annektierte etwa die Hälfte davon,
der Rest wurde zwischen Jordanien (das die Westbank
annektierte) und Ägypten ( das den Gazastreifen
besetzte) geteilt. Mehr als die Hälfte der Palästinenser
wurde aus ihren Häusern vertrieben – teils durch die
Kriegsereignisse, teils durch bewusste israelische
Politik. Der Name Palästina verschwand von der
Landkarte.
In
Lausanne (Schweiz) war ein dreiteiliges Komitee
zusammengekommen, das die USA, Frankreich und die Türkei
vertrat, um zwischen den Parteien zu vermitteln. Die
Palästinenser wurden nicht eingeladen, da man sie nicht
länger als politische Entität anerkannte. Aber eine
Delegation von drei prominenten Palästinensern erschien,
angeblich um für die Flüchtlinge zu sprechen – in
Wirklichkeit vertraten sie das palästinensische Volk.
Sie nahmen Kontakt mit dem israelischen Vertreter
Eliyahu Sassoon auf und boten ihm an, mit direkten
Friedensverhandlungen zu beginnen. Da Sassoon nach
Instruktionen aus Jerusalem handelte, lehnte er ab.
David Ben Gurion wünschte keine Verhandlungen, die ihn
zwingen würden, wenigstens einige der Flüchtlinge
wieder aufzunehmen und womöglich gar einen Teil des eben
besetzten Gebietes zurückzugeben. Im Widerspruch zur
UN-Resolution hatte er entschieden, um jeden Preis die
Errichtung eines palästinensischen Staates zu
verhindern. Er glaubte, dass die Palästinafrage gelöst
worden, dass der Name Palästina ein für alle Mal
verschwunden sei, dass das palästinensische Volk zu
existieren aufgehört habe. Wegen diesem riesigen Irrtums
ist seitdem viel Blut vergossen worden.
IM
JULI 1952 fand die Revolution der Freien Offiziere in
Ägypten statt. Eine einzige Stimme in Israel hieß diese
offen willkommen – die Wochenzeitung Haolam Hazeh, die
von mir herausgegeben wurde. Ben-Gurion äußerte sich
zwar mit einem rhetorischen Appell an den offiziellen
Führer der Revolution, den alten General Muhammed
Naguib, aber in dem Augenblick, als klar wurde, dass
der wirkliche Führer Gamal Abd-al-Nassar war, erklärte
Ben-Gurion ihm den Krieg. Die Erscheinung Abd-al-Nassers
erschreckte Ben-Gurion, weil er ein neuer Typ eines
Arabers war: ein junger Offizier, energisch,
charismatisch, der für die Einheit der arabischen Welt
kämpfte.
Von
seinem Aufstieg zur Macht bis zu seinem Tod - 18 Jahre
später - streckte der ägyptische Führer immer wieder
Fühler aus, um herauszufinden, ob nicht doch ein
Abkommen mit Israel möglich wäre. Ben Gurion wies alle
diese Bemühungen zurück und bereitete systematisch den
Krieg von 1956 vor, in dem Israel versuchte, in geheimem
Einverständnis mit Frankreich und Großbritannien –
damals zwei räuberische Kolonialmächte – Abd-al-Nasser
zu stürzen. Auf diese Weise festigte er für Generationen
das Image Israels als fremdes Implantat in der Region,
ein Brückenkopf des feindlichen Westens.
Ben
Gurion war ein geschworener Feind der panarabischen Idee
und tat alles Mögliche, um seine Verwirklichung zu
blockieren – eine Bemühung, die von seinem Nachfolger
Levy Eshkol im Krieg von 1967 mit Erfolg gekrönt wurde.
Wie viele Entscheidungen der israelischen Regierungen
enthielt auch diese einen logischen Widerspruch. Fast
alle Palästinenser feierten Abd-al-Nasser als Helden.
Sie waren bereit, die palästinensische Identität von der
panarabischen schlucken zu lassen. Erst nach der
Niederlage des Panarabismus, nicht zuletzt durch Israel,
kehrte die besondere palästinensische Identität wieder
ins Zentrum der politisch-nahöstlichen Bühne zurück.
Es
ist schwierig, die Ernsthaftigkeit der vielen
Friedensfühler Abd-al-Nassers während der Jahre
abzuschätzen. Sie sind niemals getestet worden.
DIE
HISTORISCHE Gelegenheit, die Mutter aller günstigen
Gelegenheiten, kam mit dem Sechs-Tage-Krieg 1967.
Die
israelische Armee erlangte über vier arabische Armeen
einen unglaublichen Sieg. Nach nur sechs Tagen war
Israel im Besitz des ganzen historischen Palästina
sowie der Sinai-Insel und der Golanhöhen. Die ganze
arabische Welt war gedemütigt worden, machtlos und
reagierte mit leeren, kriegerischen Phrasen ( den
berühmten „Neins“ von Khartum). Das palästinensische
Volk stand unter Schock. Es war einer der seltenen
historischen Momente, in denen ein ganzes Volk ( nämlich
Israel) in der Lage gewesen wäre, seine Grundeinstellung
zu ändern.
In
diesem folgenschweren Augenblick hätten wir mit dem
palästinensischen Volk Frieden schließen und ihm ein
Leben in einem eigenen freien Staat innerhalb der
Vorkriegsgrenzen anbieten können - und Frieden mit
Israel. Während der Krieg noch im Gange war, schlug ich
dies dem Ministerpräsidenten Levy Eshkol vor. Er wies
diesen Gedanken kurzerhand ab. Die Versuchung, die neuen
Gebiete zu erwerben und dort zu siedeln, war einfach zu
stark.
(Ich
möchte noch erklären, warum ich mich in diesem Artikel
erwähne: Ich war ein Augenzeuge vieler dieser
Geschehnisse, und für einige bin ich der einzige noch
lebende Zeuge.)
Ich
brachte diese Idee immer wieder in der Knesset vor,
deren Mitglied ich damals war. Um meine Argumente zu
bekräftigen, führte ich viele Gespräche mit lokalen
Führern der Palästinenser und brachte in Erfahrung,
dass sie bereit seien, einen eigenen palästinensischen
Staat zu errichten, statt unter jordanische Herrschaft
zurückzukehren. Ich besitze ein Dokument, das vom
Berater des Ministerpräsidenten für die besetzten
Gebiete Moshe Sassoon ( dem Sohn des Sassoon der
Lausanne-Affäre) unterzeichnet war. In ihm bestätigt er
meine Erkenntnisse.
Wir
verpassten die Gelegenheit, mit einer konservativen,
moderaten Führung der palästinensischen Bevölkerung
Frieden zu schließen – und bekamen stattdessen die PLO.
IM
OKTOBER 1973 brach der Yom-Kippur-( oder Ramadan-) Krieg
aus. Die größte Schuld für diesen Krieg muss der
Ministerpräsidentin Golda Meir angelastet werden, die
arrogant und plump die Friedensvorschläge des
ägyptischen Präsidenten Anwar Sadat zurückgewiesen
hatte.
Trotz einer anfänglichen israelischen Schlappe endete
der Krieg mit einem israelischen militärischen Sieg.
Yasser Arafat, ab jetzt der unangefochtene Führer des
palästinensischen Volkes, zog den Schluss, dass es
unmöglich sei, Israel zu besiegen. Als nüchterner und
pragmatischer Führer entschied Arafat, dass das
palästinensische nationale Ziel durch ein Abkommen mit
Israel verwirklicht werde.
Er
veranlasste seine Leute, geheime Kontakte mit Israelis
zu schaffen, die Verbindungen zum Zentrum des
israelischen Establishments haben. Ich selbst
übermittelte Botschaften von ihm zum neuen
Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin. Wie Eschkol vor ihm
war Rabin bereit, geduldig zuzuhören, aber er wies die
palästinensischen Annäherungsversuche zurück. „Ich werde
keinen ersten Schritt zu einer palästinensischen Lösung
unternehmen,“ sagte er mir 1976, „weil der erste Schritt
unvermeidlich zu einem palästinensischen Staat führen
wird, den ich nicht wünsche.“
(Intermezzo: wie die ganze israelische Führung zur
damaligen Zeit befürwortete er die „Jordanische
Option“. Das hieß, einen Teil der besetzten Gebiete
König Hussein zurückzugeben und den Rest zu annektieren.
Einmal informierte der Außenminister Yigal Allon Rabin,
Henry Kissinger habe vorgeschlagen, Jericho sofort an
König Hussein zu geben, um ihm eine Ausgangsbasis für
die Westbank zu geben. So könne er vielleicht
verhindern, dass die PLO dort ein dominanter Faktor
werde. Rabin, der sich daran erinnerte, dass Golda Meir
versprochen hatte, vor der Rückgabe von Gebieten eine
Wahl abzuhalten, antwortete Allon: „Ich bin wegen
Jericho nicht bereit, Wahlen abzuhalten.“)
Schon 1974 veranlasste Arafat den Palästinensischen
Nationalrat ( das PLO-Parlament im Exil) eine Resolution
zu verabschieden, die den Weg für eine
Zwei-Staatenlösung vorbereitete. Er brauchte dazu 14
weitere Jahre, um den Rat davon zu überzeugen, eine
Resolution anzunehmen, die offiziell den Staat Palästina
in einem Teil des Landes gründen – und damit Israels
Herrschaft über 78 % des historischen Palästinas
anerkennen würde. Das war eine revolutionäre
Entscheidung mit weitreichenden Konsequenzen. Israel
nahm sie nicht zur Kenntnis. Es ignorierte diese
einfach.
IM
NOVEBER 1977 tat Anwar Sadat etwas in der Geschichte
Einmaliges: obwohl sich Israel und Ägypten noch im
Kriegszustand befanden, kam er nach Jerusalem, in die
Hauptstadt des Feindes. Er bot Frieden an – nicht nur
einen Frieden zwischen zwei Staaten, sondern zwischen
Israel und der ganzen arabischen Welt, mit Palästina im
Mittelpunkt.
Als
die Verhandlungen im Mina-Haus am Fuße der Pyramiden in
Kairo begannen, hissten die Ägypter mit den Flaggen der
andern eingeladenen arabischen Länder auch die
palästinensische Flagge. Die israelische Delegation
schlug einen Mordskrach und die Ägypter waren gezwungen,
die Flaggen wieder herunterzuholen.
Bei
der Camp David Konferenz 1978, bei der der
Friedensvertrag im Wortlaut ausgearbeitet wurde, kämpfte
Sadat mutig um eine Regelung für das palästinensische
Problem. Die Grundlagen für einen
israelisch-palästinensischen Frieden hätten dort gelegt
werden können. Aber Menachem Begin weigerte sich
unerbittlich. Am Ende gab es ein unbedeutendes
Dokument. In diesem erkannte Begin „die gerechten
Forderungen des palästinensischen Volkes“ an, aber fügte
einen Brief an, indem er behauptete, er habe damit die
„Araber im Lande Israel“ gemeint.
Arafat war bei der Sitzung im ägyptischen Parlament
anwesend, als Sadat seinen geplanten Besuch in Jerusalem
ankündigte. Er applaudierte. Er schlug auch vor, eine
palästinensische Delegation zum Mina-Haus zu senden.
Unter seinen Mitarbeitern brach eine Revolte aus. Es war
das einzige Mal während seiner langen Karriere, dass
seine Position ernsthaft bedroht war. Die Situation
wäre vielleicht anders gewesen, wenn Sadat Begins
Zustimmung zur Errichtung eines palästinensischen
Staates in den besetzten Gebieten erlangt hätte, so wie
er es gefordert hatte. Vielleicht kostete genau dieser
Fehlschlag Sadat das Leben.
IM
SEPTEMBER 1993, ein Jahr nach Rabins Rückkehr zur Macht,
wurde ein historischer Durchbruch erreicht. Der Staat
Israel und im Namen des palästinensischen Volkes die
PLO, erkannten einander endlich an und unterzeichneten
die Prinzipienerklärung von Oslo. Sie stellte in
Aussicht, dass innerhalb von 5 Jahren der Endstatus
verwirklicht werden sollte.
Im
letzten Augenblick brachten Rabins Botschafter –
meistens Militärs – am Text, der zuvor so abgesprochen
war, noch viele Veränderungen an. So wurden Israels
Verpflichtungen sehr ungenau. Arafat kümmerte sich nicht
darum. Er glaubte Rabin und war überzeugt, dass das
Abkommen notwendigerweise zur Errichtung eines
palästinensischen Staates führen würde.
Aber
fast vom ersten Augenblick an begann Israel, das
Abkommen zu verletzen. Die Daten für die Ausführung
waren festgelegt worden – aber Rabin machte den mit
einander abgestimmten Zeitplan zunichte und erklärte,
dass es „für ihn keine heiligen Daten gebe.“ Die Passage
zwischen der Westbank und dem Gazastreifen – ein
wesentlicher Punkt des Abkommens – wurde bis auf den
heutigen Tag nicht eröffnet. Der dritte und bedeutendste
„Rückzug“ der israelischen Armee fand überhaupt nicht
statt. Die Verhandlungen für den Endstatus, die bis 1999
abgeschlossen sein sollten, hatten gar nicht erst
angefangen.
2000
zwang Ehud Barak, Arafat ohne Vorbereitungen und ohne
vorherige Abmachungen zu einer Konferenz nach Camp David
zu kommen. Das wäre die letzte Gelegenheit gewesen, mit
Arafat, der damals auf der Höhe seines Ansehens war,
ein Abkommen zu erreichen.
Stattdessen behandelte Barak Arafat mit offener
Verachtung und unterbreitete ihm ein Ultimatum – eine
Liste von Vorschlägen, die vom israelischen Standpunkt
„großzügig“ schienen, aber für Arafat nicht einmal das
Minimum darstellte. Als Barak nach Hause kam, erklärte
er, Arafat wolle „uns ins Meer werfen“. Auf diese Weise
bereitete Barak für Ariel Sharon den Weg zur Macht und
die Belagerung von Arafat, die mit seiner Ermordung
endete.
Arafat war ein hartnäckiger nationaler Führer, der keine
Mittel verschmähte, um für sein Volk die Freiheit zu
erlangen – Diplomatie, Gewalt, Doppelzüngigkeit. Aber er
hatte eine große persönliche Autorität und war fähig und
willens, nicht nur ein Friedensabkommen zu
unterzeichnen, sondern sein Volk davon zu überzeugen,
dass es dies akzeptiert.
Diejenigen, die den starken und charismatischen Arafat
nicht wollten, erhielten Mahmoud Abbas, dem es viel
schwerer fällt, seine Autorität durchzusetzen.
IM
NOVEMBER 2004 starb Arafat. In freien und demokratischen
Wahlen wählte die Mehrheit Mahmoud Abbas als seinen
Nachfolger. „Abu Mazen“, wie er allgemein genannt wird,
ist lange mit der Idee des Friedens mit Israel
identifiziert worden, mehr als jeder andere wichtige
palästinensische Führer.
Die
israelische Regierung, die Arafat seit vielen Jahren
dämonisierte, hätte seinen Nachfolger
mit
Freude begrüßen können. Es hätte noch eine günstige
Gelegenheit sein können, um einen vernünftigen
Kompromiss zu erlangen. Abbas hat zwar nicht die
Autorität Arafats, doch wenn er für alle spürbare
politische Gewinne erlangt hätte, wäre seine Position
gestärkt worden. Aber Ministerpräsident Ariel Sharon
boykottierte ihn, machte ihn in der Öffentlichkeit
lächerlich – er sei ein „gerupftes Huhn“ – und weigerte
sich, ihn zu treffen.
Diejenigen, die Abbas nicht wollten, bekamen Hamas.
IM
JANUAR 2006 wählten die Palästinenser in einer
beispiellos demokratischen Wahl die Hamas.
Da
gibt es mehrere Gründe für diese Wahl. Ein Teil der
PLO-Führung war korrupt geworden. Wichtiger aber war,
dass seit den Oslo-Abkommen die Lebensbedingungen der
Palästinenser unter der Besatzung unvergleichlich
schlechter geworden waren. Und am wichtigsten: Seit den
Oslo-Abkommen war das palästinensische Volk nicht einen
einzigen Schritt näher an die Errichtung eines Staates
Palästina gekommen, während die Siedlungen sich
vergrößerten und die Besatzung sich unaufhörlich
verschärfte. Die „Trennung“ vom Gazastreifen, die ohne
Dialog mit den Palästinensern durchgeführt wurde, diente
Israel nur als Vorwand, eine Blockade des Gazastreifens
durchzuführen und das Leben dort in eine Hölle zu
verwandeln.
Als
die Hamas zur Macht kam, holte die israelische Regierung
alle alten Slogans, die einmal gegen die PLO benützt
worden waren, vom Dachboden: sie sei eine
Terrororganisation, sie anerkenne Israels
Existenzrecht nicht an, in ihrer Charta werde zur
Zerstörung Israels aufgerufen. Aber Hamas hat sich
gewissenhaft seit über einem Jahr von gewalttätigen
Angriffen fern gehalten. Als sie zur Macht kam, konnte
sie nicht übernacht ihre Ideologie aufgeben, aber mehr
als einmal fand sie Wege, um deutlich zu machen, dass
sie damit einverstanden sei, mit Israel zu verhandeln
und dieses innerhalb der Grünen Linie anerkennen werde.
Eine
Regierung, die an Frieden interessiert ist, würde die
Gelegenheit beim Schopfe packen und Hamas mit
Verhandlungen auf die Probe stellen. Stattdessen
entscheidet sich Ministerpräsident Ehud Olmert, allen
Kontakt mit ihr abzubrechen und die US und Europa zu
drängen, die Palästinenser buchstäblich auszuhungern,
bis sie sich schließlich unterwerfen.
Wahrscheinlich würde sich dasselbe noch einmal
abspielen: denn diejenigen, die Hamas nicht wollen,
werden den Islamischen Jihad bekommen.
IN
DER GANZEN nahöstlichen Region gewinnen die extremen
islamischen Elemente an Stärke. Einer der Gründe ist die
eiternde Wunde des palästinensischen Problems mitten in
der arabischen Welt.
58
Jahre lang haben unsere Regierungen jede Gelegenheit
verpasst, diese Wunde zu heilen. Wir hätten Frieden
zwischen Israel und den säkular-nationalen Führern
erreichen können. Wenn der Konflikt sich – Gott bewahre
– in einen Zusammenstoß zwischen Religionen verwandelt,
dann wird es keine Gelegenheit mehr geben, eine
Gelegenheit zu verpassen – es wird dann keine
Gelegenheiten mehr geben.
Die
Anzahl der zurückgewiesenen Gelegenheiten und die
konsequente Art und Weise, wie von allen israelischen
Regierungen auf ihnen herumgetrampelt wurde, kann zu der
Schlussfolgerung führen, dass sie gar keinen Frieden
wünschen. Es hat in Israel eher die Tendenz zur
Ausdehnung und Besiedlung gegeben als zu Kompromissen
und Frieden. Nach dieser Einstellung wird es „keinen
Gesprächspartner“ und „keine Lösung“ geben und „wir
werden auf immer mit dem Schwert leben müssen“.
„Einseitige“ Schritte, deren wirkliches Ziel es ist,
noch mehr Land zu annektieren, stimmen mit dieser
Tendenz überein.
Falls diese Tendenz schließlich den Sieg erringt, wird
es für den Staat, der gerade 58 Jahre alt wurde, eine
Katastrophe sein.
Es
sollte jedoch daran erinnert werden, dass es in Israel
auch Tendenzen gibt, die in eine andere Richtung weisen.
Langsam aber stetig verflüchtigt sich die Illusion, dass
es eine militärische Lösung für den Konflikt gibt oder
geben könne. Gleichzeitig nimmt die Unterstützung für
Groß-Israel und für die Siedlungen ab. Die Implosion
des Likud und die wachsende Unterstützung für den „Konvergenz“-Plan
sind Phasen auf dem Weg zu einer realistischeren
Haltung.
Wenn
dieser Prozess sich fortsetzt, wird klar werden, dass
es keinen Mangel an günstigen Gelegenheiten gibt. Dann
müssen wir sie sofort mit beiden Händen am Schopfe
packen.
(Aus
dem Englischen: Ellen Rohlfs, vom Verfasser
autorisiert)
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