Mit
Freunden wie diese …
Uri Avnery, 17.5.08
IN
LETZTER Zeit wurden wir von Freunden überflutet. Die Großen der Erde
aus Vergangenheit und Gegenwart kamen hierher, um uns zu
schmeicheln, vor uns zu katzbuckeln und vor uns zu kriechen.
„Gott, rette mich vor meinen Freunden, mit meinen Feinden werde ich
selbst fertig!“ sagt ein altes Gebet.
Diese Freunde sind mir widerwärtig.
NEHMEN WIR als Beispiel die deutsche Kanzlerin, Angela Merkel, die
eine Pilgerreise nach Jerusalem machte. Ihre Schmeichelei war bar
jeglicher Kritik und erreichte bei der Rede vor der Knesset neue
Höhepunkte von Unterwürfigkeit. Ich war dazu eingeladen worden.
Ich verzichtete auf dieses Privileg.
Ich
werde auch auf das Vergnügen verzichten, wenn ich zur Sitzung mit
dem hyperaktiven Nicholas Sarkozi eingeladen werde, der die
Schmeicheleien seiner deutschen Rivalin zu übertreffen versuchen
wird.
Zuvor hatte uns John McCains Mentor, de evangelikale Pastor John
Hagee besucht, von demjenigen, der die katholische Kirche als
Monster beschrieb. Während aus all seinen Poren frömmelnde
Schmeichelei strömte, verbot er uns, im Namen (seines) Gottes nur
einen Fußbreit des Heiligen Landes aufzugeben, und befahl uns, bis
zum letzten Tropfen (unseres) Blutes zu kämpfen.
Keiner kam jedoch an George Bush heran. Während er sich dem Ende
der verheerendsten Präsidentschaft naht, die es je in der Geschichte
der Vereinigten Staaten gab, zwang er unserer Regierung ein
brennendes Streichholz in die Hand, und ermutigte sie, das
Pulverfass zu unsern Füßen zu entzünden.
ABER DIE Liste der gegenwärtigen Staatsführer, die am Wettbewerb
der Schmeicheleien teil nahmen, verblasst im Vergleich zur langen
Parade jener vergangenen Größen, die unsere Tore belagern.
Ein
weltweiter Schwarm von Ex-Größen fliegt wie ein Bienenschwarm von
Ort zu Ort, einer für alle, alle für einen. In dieser Woche haben
sie sich in Jerusalem niedergelassen – auf Einladung des Ex-Großen
Nummer eins: Shimon Peres, eines Politikers also, der in den 84
Jahren seines Lebens nie eine Wahl gewonnen hat und dem am Ende
seines Lebens – aus purem Mitleid - schließlich der fast
bedeutungslose Titel des Präsidenten Israels verliehen wurde.
Der
gemeinsame Nenner dieser Gruppe ist , dass ihr Prestige zu Hause
nahe Null ist, während ihre Stellung im Ausland in den Himmel
gejubelt wird. Ihre gegenseitige Verehrung ist die Kompensation
für den mangelnden Respekt im eigenen Lande.
Einer der ranghohen Mitglieder dieses Klubs ist Tony Blair, der in
seinem Lande aus dem Amt getrieben wurde, aber sich nicht damit
begnügen konnte, einfach seine Pension zu genießen, um z.B. Rosen
zu züchten. Als Trostpreis gewährte man ihm das Vergnügen, an
unserm Konflikt herumzuspielen. Alle paar Wochen ruft er eine
Pressekonferenz zusammen, um die gute Nachricht seines phänomenalen
Erfolges - bei der Verbesserung der Lebensumstände der
Palästinenser - zu präsentieren, während die tatsächliche Situation
in den besetzten Gebieten immer schlimmer wird. Unser
Sicherheitsestablishment behandelt ihn wie einen Quälgeist, dem ab
und zu ein Krümel zugeworfen werden muss, um ihn glücklich zu
machen.
Bei
der Konferenz, die diese Woche stattfand, gab es auch ein paar gute
Leute, doch der Auftritt wurde ihnen von den Ex-Größen gestohlen,
vom Kriegsverbrecher i.R. Henry Kissinger bis zum entmachteten
Friedensheld Michail Gorbachow (den ich noch immer als Helden
betrachte, denn er hat während des Zusammenbruchs der Sowjetunion
ein Blutvergießen zu verhindern gewusst). Schade, dass man ihn in
dieser Gesellschaft sieht!
Alle Teilnehmer der Orgie häuften Berge kriecherischer
Verherrlichung auf Israel. Nicht einer von ihnen hatte ein Wort der
Kritik geäußert. Kein Wort über die Besetzung, über die
Siedlungen, über die Blockade des Gazastreifens, das tägliche Töten.
Israel ist nur ein wunderbarer, friedensliebender Staat, den die
bösen, bösen Terroristen ins Meer werfen wollen.
Keiner der Gäste stand auf, um uns davor zu warnen, mit dieser
Politik weiter zu machen. Keiner stand auf, um die Wahrheit zu
sagen, dass die Fortsetzung dieser Politik den Staat in eine
Katastrophe führt.
Wer
solche Freunde hat wie diese, der braucht keine Feinde. Wenn
jemand sieht, wie sein Freund Russisch Roulette spielt und ihm dann
noch eine Kugel anbietet – ist er dann noch ein wirklicher Freund?
Wenn jemand sieht, wie sein Freund am Rande eines Abgrundes steht
und ihm sagt „geh nur weiter!“ – ist er dann ein Freund?
UNTER DER Zunft von Schmeichlern waren es die jüdischen Milliardäre
aus Amerika , die die größte Aufmerksamkeit auf sich zogen ( und
schließlich auch die Show bezahlten).
Einige von ihnen wurden gleich bei der Ankunft am Flughafen zum
Polizeipräsidium zitiert, um in der Affäre auszusagen, die Israel
gerade erschüttert – die Korruptionsermittlung gegen Ehud Olmert.
Vom
Anfang seiner politischen Laufbahn an vor 45 Jahren hat Olmert ein
Geruch von Korruption begleitet. Aber diesmal ist der Geruch
erdrückend. Die Polizei ließ wissen, dass der amerikanisch-jüdische
Milliardär Moshe Morris Talansky ihm seit Jahren
Umschläge mit Bargeld zukommen ließ.
Wo
haben wir das schon einmal gesehen? Natürlich in amerikanischen
Filmen und Fernsehsendungen. Da öffnet jemand einen mit Banknoten
voll gestopften Koffer. Dieser Spender gehört unweigerlich zur
Mafia, und der Empfänger ist gewöhnlich ein korrupter Politiker.
Könnte es sein, dass Olmert nie solche Filme gesehen hat – er , der
seine Karriere mit demagogischen Reden begonnen hat, indem er das
„organisierte Verbrechen“ geißelte ?
Aber es ist nicht Olmert, der mich in dieser Affäre so sehr
interessiert, sondern Talansky.
Er
gehört zu einer Spezies von „Israel-liebenden“ Milliardären, die
meisten von ihnen kommen aus den USA, aber auch aus Kanada, der
Schweiz, aus Österreich, Australien und anderen Orten.
Sie
sind alle israelische Patrioten. Sie sind alle Philanthropen. Sie
spenden Millionen an israelische Politiker. Und fast alle
unterstützen auch die extreme Rechte.
Was treibt sie dazu an? Was veranlasst diese Milliardäre, das zu
tun, was sie tun?
Wenn man hier genauer nachforscht, entdeckt man, dass ein großer
Teil von ihnen ihr Geld in dunklen Ecken macht. Einige sind
Glücksspielbarone, Kasinobesitzer mit all den unvermeidlichen
Verbindungen zu Gewalt, Verbrechen und Ausbeutung. Wenigstens einer
von ihnen bezog seinen Reichtum aus Bordellen. Ein anderer war in
einen Skandal mit Altenheimen verwickelt . Wieder ein anderer ist
Nachkomme einer Familie, die durch Schwarzbrennerei während der
Jahre des Alkoholverbots ihr Geld machte. Einige sind Waffenhändler
der widerwärtigsten Art, die ihre Waren an politische Banden
verkaufen, die Tod und Zerstörung in Afrika säen.
Aber Geld stinkt ja bekanntlich nicht.
Die
meisten der Multi-Millionäre dieser Art haben das Gefühl, zu Hause
nicht die ihnen gebührende Ehre zu erhalten. Ihre Kollegen unter
den Milliardären in der High Society behandeln sie
verächtlich. Doch eine Person, die diese Position erreicht hat, ist
mit Geld allein nicht zufrieden. Sie sehnt sich nach Ehre. Solche
Ehre kann in Israel auf die billigste Tour gekauft werden.
Israel verkauft Ehren aller Art – es wird nicht nachgefragt. Für
eine entsprechende Gabe wird sogar ein Spielhöllenbesitzer vom
Ministerpräsidenten empfangen, mit dem Präsidenten speisen,
seinen Namen auf einem Universitätsgebäude verewigen lassen.
(Ich schrieb einmal ein lustiges Stück über den Dritten Tempel, möge
Gott ihn bald bauen, Amen. Darin kamen vor: das
Rosensteinallerheiligste, der Rosenzweigaltar, der Rosenbergcherubim
etc.)
Nach dem Sechstagekrieg, während der großen Tage unserer Generäle,
verbreitete sich unter den besten jüdischen Milliardären eine neue
Mode, nämlich einen israelischen General zu halten, um ihn seinen
Freunden als Lieblingstier vorzustellen. Einige Generäle fanden
nichts Schlimmes dabei. Man schuldete es ihnen schließlich.
Ein
Milliardär nahm sich Ezer Weitzmans an, des Helden der Luftwaffe
(der dann von seinem Präsidentenamt zurücktreten musste, als dies
öffentlich wurde). Zwei Milliardäre adoptierten Ariel Sharon und
setzten ihn in die größte Farm des Landes. Shimon Peres war zwar
kein General (und nicht einmal ein Soldat), aber mindestens drei
Milliardäre nahmen ihn unter ihre goldenen Flügel.
Keiner der Milliardäre verlor je Geld, als sie sich israelischer
Generäle annahmen, einen israelischen Politiker unterstützten oder
eine großzügige Spende für eine israelische Sache machten. Ego ist
Ego, Patriotismus ist Patriotismus, aber Geschäft ist Geschäft.
Hier setzt die Korruption ein. Eine Person, die Millionen an einen
Politiker in Israel (oder - in der USA, Italien oder irgend einem
andern Ort der Welt) gibt, weiß sehr wohl, dass er es mit Zinsen
zurückerhält. Wenn der Politiker Minister wird oder gar
Ministerpräsident oder Präsident, dann hat der Unterstützer das
große Los gewonnen.
In
der Politik gibt es keine harmlose Spende. In der einen oder anderen
Weise wird der Spender seine Belohnung viele Male ernten. Das gilt
für die USA, für Italien und auch für Israel. Wenn der Spender der
Polizei gegenüber erklärt, er habe in Israel keine
Geschäftsinteressen, bedeutet es nur, dass man tiefer graben muss.
Die
Olmert-Affäre bestätigt aufs Neue, was wir schon seit langem wissen:
der Treibstoff, der Israels Politik antreibt, ist nicht nur Geld,
sondern ausländisches Geld. Um Vorwahlen und Wahlkampagnen zu
gewinnen, benötigt ein Kandidat Millionen, und diese kommen fast
immer von ausländischen Spendern.
Ausländische Milliardäre haben Olmerts Vorwahlen für die Partei
finanziert, und sie finanzierten seine Hauptwahl, bei der ihm
versichert wurde, er werde Ministerpräsident . Nachdem er gewählt
worden war, begann er mit dem 2. Libanonkrieg mit all seinen Toten
und all der Zerstörung. Es kann gesagt werden: die amerikanisch
jüdischen Milliardäre töteten die Soldaten und Zivilisten, die
israelischen und libanesischen , die im Krieg ihr Leben verloren
haben.
Bei der Jerusalem-Konferenz lobte Shimon Peres die israelische
Chuzpe. Was wir benötigen ist mehr Chuzpe, sagte er. Das klang
gewinnend und dreist, war aber Blödsinn.
Ich
spreche hier von einer anderen Chuzpe. Nicht von einer
metaphorischen, sondern einer realen. Einfacher Chuzpe. Von der
Chuzpe der Milliardäre in New York und Genf und all den anderen
Orten, die sich in unsere Wahlen einmischen und das Schicksal der
Nation bestimmen. Von der Chuzpe, für einen Krieg zu spenden, in dem
nicht ihre, sondern unsere Söhne getötet werden. Von
der Chuzpe, Milliarden für die Errichtung von Siedlungen in den
besetzten Gebieten und besonders in Jerusalem zu spenden, für
Siedlungen, die genau zu dem Zweck dorthin gesetzt werden, um den
Frieden zu verhindern und uns in einen permanenten Kriegszustand zu
setzen, einen Krieg der unsere Zukunft – nicht die ihrige
- bedroht.
Lassen Sie es mich ganz klar sagen: ich habe nichts gegen
wohl-meinende Spender, die eine moralische Notwendigkeit spüren,
mitzuhelfen, dass ein Krankenhaus oder eine Universität in Israel
erweitert wird. Ich schätze Leute, die ein paar hundert Dollar für
eine politische Sache geben, die ihnen am Herzen liegt. Ich bin aber
gegen ausländische Milliarden, deren Spender hoffen, die Ausrichtung
unseres Staates zu bestimmen.
Vielleicht bekommen in anderen Ländern Politiker auch Geld aus
ausländischen Quellen. Aber dort ist es gewöhnlich eine
Randerscheinung. Bei uns hingegen handelt es sich um einen
Haupteinflussfaktor.
Das
ist eine der schlimmen Auswirkungen der Definition Israels als eines
„Jüdischen Staates“.
Allein auf Grund dieser Phrase sehen die Spender nicht nach dem aus,
was sie wirklich sind – nämlich unverschämte Ausländer, die sich
in unser Leben einmischen und unsern Staat korrumpieren - sondern
nach „warmherzigen Juden“ , die einen Staat unterstützen, der auch
ihnen gehört.
Gideon Levy hat kürzlich einen Artikel geschrieben, in dem er sie
bittet: „Lasst uns in Ruhe!“ Da ich weniger feinfühlig bin als er,
werde ich es in einem gröberen Ton sagen: Geht heim und nehmt euer
Geld mit. Wir sind nicht zu verkaufen. Hört auf damit, euch in
unser Leben (und Sterben) einzumischen!
( Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs
und Christoph Glanz, vom Verfasser autorisiert)
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