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Hi , Joe!
Uri Avnery,
8.1.11
GUTEN
MORGEN, Joe. In den USA ist Dein Name Dreck . Aber hier kannst Du
Dich jetzt wirklich wie zu Hause fühlen.
Zu Deiner
Zeit gelang es Dir, die ganze USA mit Hysterie anzustecken. Unter
jedem Bett fand man einen Sowjetagenten. Du wedeltest im
amerikanischen Außenministerium mit einer Liste voller Sowjetspione
( einer Liste, die nie jemandem gezeigt wurde) . In hundert Sprachen
rund um die Welt – einschließlich Hebräisch – wurde der Name
McCarthy, McCarthyismus zu einem Begriff. Ja, du hattest ganz
ordentlich Erfolg.
Aber du
warst schließlich nur ein Plagiator. Vor dir terrorisierte das
Anti-amerikanische Aktivitäten-Komitee des Unterhauses das Land,
zerstörte Karrieren, trieb Leute in den Selbstmord und beschmutzte
den guten Ruf der USA in der ganzen demokratischen Welt. Es
„untersuchte“ Intellektuelle und Künstler und bezeichnete viele von
ihnen als „anti-amerikanisch“.
ICH ZWEIFLE,
dass Faina Kirschenbaum jemals von diesem Komitee gehört hat. Sie
wurde nicht in den USA geboren, sondern in der stalinistischen
Sowjet Union, und dies ist auch ihre geistige Heimat. Ihre Haltung
gegenüber der Demokratie spiegelt auch diesen Hintergrund wider.
Die
Bedeutung ihres germanischen Namens ist „Kirschbaum“. Aber die
Früchte dieses Baums sind giftig.
In dieser
Woche nahm die Knesset eine Gesetzesvorlage an, die Kirschenbaum
einbrachte, eine Siedlerin, die auch Generaldirektor von Avigdor
Liebermans Partei ist. Die Gesetzesvorlage ruft zur Ernennung eines
parlamentarischen Untersuchungsausschusses auf, der untersuchen
soll, ob internationale Fonds oder fremde Regierungen israelische
Organisationen finanzieren, die sich an der „Kampagne der
De-Legitimierung der IDF-Soldaten“ beteiligen. Ein paralleler
Gesetzesentwurf, vom Likudmitglied Danny Danon vorgelegt, verlangt,
dass der Untersuchungsausschuss auch dem nachgeht, ob ausländische
Regierungen israelische „Aktivitäten gegen den Staat Israel“
finanzieren.
Man kann
sich leicht vorstellen, wie solch eine Untersuchung durch ein
Komitee aussieht, das aus Politikern zusammengesetzt ist, die von
der rechts- rassistischen Mehrheit der Knesset ernannt wurde. Das
berüchtigte Anti-amerikanische Komitee würde im Vergleich dazu
beinahe liberal aussehen.
Es ist sehr
interessant, wer dafür und wer dagegen gestimmt hat. Unter den 41,
die dafür stimmten, waren nicht nur die üblichen Faschisten der
extremen Rechten, die vom erklärten Kahane-Anhänger Michael Ben-Ari
geleitet wird, sondern auch der oberste orthodoxe Vertreter Jakob
Litzman, die frühere Armeesprecherin Miri Regev und der frühere
Generalstabschef Moshe Yaalon. Besondere Ehre muss man Matan
Vilnai geben, der einmal fast Stabschef geworden war, ein führendes
Mitglied der Laborpartei, im Augenblick der stellvertretende
Verteidigungsminister, der den Auftrag hat, sich um die Siedlungen
zu kümmern.
Unter den
siebzehn, die dagegen stimmten, waren natürlich die arabischen
Knessetmitglieder, die anwesend waren, und alle Meretz-Mitglieder.
Eine erfreuliche Überraschung lieferte Yitzhak Herzog, ein Kandidat
der Labor-Parteiführung, das frühere Likud- und gegenwärtige
Kadima-Mitglied Meir Sheetrit und das Likudmitglied Michael Eitan.
Eitan ist der letzte der Revisionistenbewegung von Vladimir Se’ev
Jabotinsky, der bei ausländischen Angelegenheiten eine extrem
nationalistische Agenda mit einer sehr liberalen Haltung bei
lokalen Fragen kombinierte.
Alles in
allem nahmen 58 von 120 Mitgliedern der Knesset an der Abstimmung
teil. Wo waren die andern 62? Sie haben sich versteckt. Binyamin
Netanyahu verschwand. Ehud Barak verschwand. Tzipi Livni verschwand.
Sogar Eli Yishai verschwand. Vermutlich hatten sie ein ärztliches
Attest, dass sie als krank auswies.
Es gibt
Abstimmungen, deren Bedeutung größer als die Sache selbst ist –
Abstimmungen, die eine Ära charakterisieren und im Rückblick als
entscheidend angesehen werden. Vielleicht war dies solch eine
Abstimmung.
DAS ERSTE,
was einem bei diesem Gesetz auffällt, ist, dass es nicht für alle
politischen Vereinigungen in Israel gilt.
Wenn
solch ein Gesetz erlassen worden wäre, hätte ich es begrüßt. Ich
bin sehr neugierig auf die Ursprünge des Geldes, das die Siedler und
die anderen extrem-rechten Organisationen unterstützt.
Riesige
Summen, Zig und Hunderte von Millionen fließen in diese
Körperschaften – viele Male mehr als die vergleichsweise winzigen
Summen, die Menschenrechtsorganisationen und Friedensgruppen
erhalten. Einige von ihnen widmen sich der Vertreibung der Araber
aus Ost-Jerusalem. Sie bieten palästinensischen Hausbesitzern
unglaubliche Preise für ihren Besitz an und versprechen, ihnen neue
Identitäten in den USA zu geben, wo sie dann glücklich und reich
leben können. Sie benützen dafür bezahlte Strohmänner, meistens
arabische. Die Schwachen geben der Versuchung nach. Das kostet eine
Menge Geld, und einer der bekanntesten Spender ist ein berühmter
Milliardär, der sein Geld als Besitzer von Kasinos macht. In Israel
ein Casino zu besitzen, ist ein Verbrechen.
Es ist
bekannt, dass es unter den Finanziers der extremen Rechten einige
Führer evangelikaler Sekten gibt, geborene Antisemiten, die
glauben, Jesus werde wiederkommen, sobald alle Juden in diesem Land
konzentriert sind. Dann werden sie entweder getauft oder sie werden
bis zum letzten Mann und bis zur letzten Frau vernichtet. Diese
Anhänger der endgültigen Endlösung sind die größte Geldquelle, die
die rechten Gruppierungen finanzieren.
Dieses Geld
erhalten offen faschistische Vereinigungen als auch kaschierte, die
sich für die Entlassung „linker“ Professoren aus den Universitäten
einsetzen, Netzwerke von Studenten-Spionen organisieren, die über
ihre Dozenten informieren ( und so das Geld für ihre Studien
verdienen).
Einige Organisationen beobachten die Medien, um sie von Leuten zu
säubern, die des Vergehens verdächtigt werden, für den Frieden zu
kämpfen. Es gibt auch einen riesigen Apparat, der alle TV, Radio und
Printmedien der arabischen Welt durchforsten und unsere
„Korrespondenten für arabische Angelegenheiten“ (fast alle von
ihnen frühere Offiziere des militärischen Nachrichtendienstes und
des Shin Bet) mit ausgesuchten Stücken versorgen, wie z.B. über
einen verrückten Muslimprediger im Jemen oder ein besonders
scheußliches Statement aus einem Kairo-Salon. Sie sind sehr
erfolgreich, die Quellen des Friedens zu vergiften.
Wenn ein
ernst zu nehmendes Nachforschungskomitee die Geldquellen der
extremen Rechten untersucht, wird es entdecken, dass vieles davon
direkt aus den Taschen der amerikanischen Steuerzahler kommt. Das
ist einer der großen Skandale: die US-Regierung finanziert viele der
Siedlungen. Seit vielen Jahren drückt sie gegenüber amerikanischen
Organisationen ein Auge zu, die die Siedlungen finanzieren –
Siedlungen die illegal sind sogar nach Ansicht der offiziellen
Politik der US-Regierung. In den US kann man steuerfrei Geld zu
humanitären Zwecken geben – aber nicht für politische Zwecke. Fast
alles Geld, das in die extreme Rechte in Israel fließt, wird
offiziell so gekennzeichnet, als ob es humanitären Zwecken zu gute
käme.
Und was ist
mit den russischen Mafiosi, die mit der israelischen Rechten intim
verbunden sind? Was ist mit den verschiedenen Diktatoren, die über
Teile der früheren Sowjetunion herrschen? Woher bekommt Lieberman,
dessen Verbindungen mit diesen Ländern bekannt sind, sein Geld?
Polizeiuntersucher versuchen seit Jahren, dieses Geheimnis zu
lüften, ohne bis jetzt konkrete Ergebnisse zu erzielen.
All dies
könnte mehrere Untersuchungskomitees in den kommenden Jahren
beschäftigen – und die Initiatoren der Gesetzesvorlagen wissen dies
sehr genau. Sie sind hartnäckig: Untersuchungen nur der linken
Organisationen, auf keinen Fall der rechten. ( etwa wie die Dame,
die in der Dunkelheit des Kinos schreit: „Nimm deine Hände von mir!
nicht du, DU!“)
DIE
INITIATOREN der Gesetzesvorlagen haben die Identität der
Organisationen, die sie „untersuchen“ wollen, nicht geheim
gehalten. Die Liste schließt B’tselem ( „Zum Bilde“) ein, eine
erfahrene Menschenrechtsorganisation, die die Vorfälle in den
besetzten Gebieten beobachtet und sogar vom Militär mit Respekt
behandelt wird; „Breaking the Silence“ ( „Das Schweigen brechen“),
eine Gruppe früherer Soldaten, die Zeugenaussagen von Soldaten
sammeln; Yesh Din ( „Es gibt ein Gesetz“), das in
Landbesitzangelegenheiten in den besetzten Gebieten aktiv ist und
die Militärgerichte beobachtet; Yesh Gvul („Es gibt eine Grenze“),
das Soldaten verteidigt, die sich weigern, in den besetzten Gebieten
ihren Militärdienst zu machen; Machsom Watch (Checkpointbeobachtung),
eine Organisation von freiwilligen Frauen, die beobachten, was an
den Straßensperren geschieht; die „Ärzte für Menschenrechte“, die
gerade den Alternativen Nobelpreis in Stockholm für ihre
Aktivitäten für Kranke in den besetzten Gebieten bekommen haben; die
Vereinigung für Menschenrechte, der Neue Fonds, Ir Arim („ Stadt
der Völker“), das juristische Kämpfe gegen das Eindringen von
Siedlern nach Ost-Jerusalem durchführt; und Shalom Achschav
(„Frieden Jetzt“) das das Bauen in den Siedlungen beobachtet.
(Soweit es
mich betrifft, so ist dies eine tief beleidigende Liste, weil sie
Gush Shalom vergisst. Aber die Leute, die sich hinter den
Initiatoren der Gesetzesvorlage verbergen, wissen wahrscheinlich,
dass Gush Shalom keinen Pfennig von irgend einer ausländischen
Regierung erhält.)
Es ist kein
Unrecht, wenn man von internationalen Regierungsquellen finanziert
wird, die in aller Welt auf dem Gebiet der Menschenrechte aktiv
sind. Die Gruppe „Das Schweigen brechen“ hielt z.B. die Tatsache
nicht geheim, dass ihr eben erschienenes Buch, eine Sammlung von
Zeugnissen von 183 Soldaten, von der EU finanziert wurde. Sie rühmen
sich damit auf dem Umschlag des Buches.
BESONDERS
VERWERFLICH ist der Vorwand der Rassisten, im Namen der Soldaten
zu handeln. Sie sprechen nicht über die De-Legitimierung der Siedler
oder der faschistischen Rechten oder der rassistischen Politik
unserer Regierung – nur über die De-Legitimierung der IDF-Soldaten.
Das ist eine
klassische Taktik aller faschistischen Bewegungen in der Welt. Sie
wickeln sich in die Flagge des Patriotismus („Patriotismus ist das
letzte Refugium eines Gauners“) und behaupten, „unsere Truppen“ zu
verteidigen.
Unsere
Truppen kommen aus allen Schichten der Gesellschaft. Sie schließen
Rechte und Linke, Religiöse und Säkulare, Siedler und die
Informanten von „Das Schweigen brechen“ ein. Wer ernannte diese
Verkäuferin von vergifteten Kirschen, für „unsere Truppen“ zu
sprechen? Wehe der Armee, die solche Verteidiger nötig hat.
DIE KARRIERE
von Joe McCarthy war plötzlich zu Ende. Sie wurde unter einem Satz
beerdigt, der Geschichte machte.
Joseph Nye
Welch, ein geachteter Anwalt, der die US-Armee vertrat und vor dem
McCarthy-Komitee erschien, war von seinen Taktiken geschockt und
rief aus: „Haben Sie schließlich und endlich kein Anstandsgefühl,
haben sie kein Gefühl mehr für Anstand ?“
Die
Zuhörerschaft in der Halle brach in spontanen Applaus aus. Diese
paar Worte elektrisierte die amerikanische Öffentlichkeit. Plötzlich
drehte sich das Rad. Die McCarthy-Ära war zu Ende; die
Öffentlichkeit gewann ihren gesunden Menschenverstand wieder, und
seitdem erinnert man sich nur an McCarthy als an jemanden, über den
man sich schämen muss.
Ich warte
nun auf einen anständigen israelischen Bürger, der den offenen
Abwasserkanal in der Knesset, der das ganze Land zu überschwemmen
droht, blockiert.
Herr
Binjamin Netanyahu, haben Sie kein Anstandsgefühl mehr ?
(Aus
dem Englischen: Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert).
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