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Ein für alle
Mal !
Uri Avnery, 23.7.14
IN DIESEM Krieg haben
beide Seiten dasselbe Ziel: der Situation, die vor dem Krieg
bestand, ein Ende zu machen. EIN FÜR ALLE MAL!
Dem Raketenbeschuss
nach Israel vom Gazastreifen her, ein Ende zu machen. Ein für alle
Mal.
Der Blockade des
Gazastreifens durch Israel und Ägypten ein Ende machen – ein für
alle Mal.
Warum kommen die
beiden Seiten nicht ohne ausländische Einmischung zu einander und
stimmen in dem „wie du mir- so ich dir“ überein?
Sie können nicht,
weil sie nicht mit einander reden. Sie können einander töten, aber
sie können nicht mit einander reden. Um Himmels willen nicht!
DAS IST kein Krieg
gegen Terror. Der Krieg als solcher ist ein Terrorakt.
Keine Seite hat eine
andere Strategie, als die zivile Bevölkerung der andern Seite zu
terrorisieren.
Die palästinensischen
Kampftruppen in Gaza versuchen, durch das Raketenwerfen auf
israelische Städte und Dörfer ihren Willen aufzuerlegen und zu
hoffen, dass dies die Moral der Bevölkerung bricht, und sie zwingt,
die Blockade, die den Gazastreifen in ein Open-Air-Gefängnis
verwandelt, aufzuheben.
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Die israelische Armee
bombardiert die Bevölkerung des Gazastreifens und zerstört ganze
Stadtteile in der Hoffnung, dass die Bewohner (die, die überleben)
die Hamas-Führung abschütteln.
Beide Hoffnungen sind
natürlich töricht. Die Geschichte hat immer wieder gezeigt, dass
die Terrorisierung einer Bevölkerung sie dahin bringt, sich hinter
ihren Führern zu einigen und den Feind noch mehr zu hassen. Dies
geschieht jetzt auf beiden Seiten.
WENN MAN in einem
Krieg über beide Seiten spricht, kann man kaum den Eindruck der
Symmetrie vermeiden. Aber dieser Krieg ist von Symmetrie weit
entfernt.
Israel hat eine der
größten und wirksamsten Militärmaschinerien der Welt. Hamas und
seine lokalen Verbündeten kommen auf etwa ein paar Tausend Kämpfer.
Wenn überhaupt.
Am besten kann man es
mit der mythologischen Geschichte von David und Goliath vergleichen.
Aber diesmal sind wir Goliath, und sie sind David.
Die Geschichte wird
im Allgemeinen missverstanden. Es stimmt, Goliath war von riesiger
Gestalt, und David war ein kleiner Hirte. Aber Goliath war bewaffnet
mit altmodischen Waffen – mit schwerer Rüstung, Schwert und Schild –
und konnte sich kaum bewegen, während David eine moderne
Überraschungswaffe hatte: die Schleuder, mit der er aus der
Entfernung töten konnte.
Hamas hoffte,
dasselbe mit seinen Raketen zu erreichen, deren Reichweite eine
Überraschung war. Auch die Zahl und die Wirksamkeit ihrer Tunnel,
die unter die israelische Grenze reichen. Doch dieses Mal war auch
Goliath erfinderisch, und die „Eiserne Kuppel“-Raketenbatterien
fingen praktisch alle Raketen aus Gaza ab. Sie hätten sonst die
Bevölkerungszentren, einschließlich meines Tel Aviver
Stadtviertels schädigen können.
Jetzt wissen wir,
dass keine Seite die andere Seite zur Kapitulation zwingen kann. Es
ist ein Unentschieden. Warum also weiter töten und zerstören?
Da liegt der Hase im
Pfeffer. Wir können nicht mit einander reden. Wir benötigen einen
Vermittler.
EINE KARIKATUR in
Haaretz zeigte in dieser Woche, wie Israel und Hamas mit einander
kämpfen und eine Schar Vermittler in einem Kreis um sie
herumtanzen.
Sie wollen alle
vermitteln. Sie kämpfen mit einander, weil jeder von ihnen
vermitteln will, wenn möglich alleine. Ägypten, Katar, die US, die
UN, die Türkei, Mahmoud Abbas, Tony Blair und andere mehr.
Vermittler in Hülle und Fülle. Jeder will etwas von dem Elend des
Krieges gewinnen.
Eine traurige Bande.
Beinahe alle von ihnen sind bemitleidenswert, einige von ihnen
rundweg abstoßend.
Sehen wir uns Ägypten
an: beherrscht von einem blutbefleckten militärischen Diktator. Er
ist ein fulltime Kollaborateur von Israel, wie es Hosni
Mubarrak vor ihm war, nur wirkungsvoller. Da Israel alle Land- und
Meergrenzen des Gazastreifens beherrscht, ist Ägyptens Grenze Gazas
einzige Verbindung mit der Welt - falls sie geöffnet ist.
Aber Ägypten, der
frühere Führer der arabischen Welt, ist jetzt ein Subunternehmer
Israels, noch entschiedener als Israel selbst, den Gazastreifen
auszuhungern und die Hamas auszurotten. Das ägyptische Fernsehen
ist voller „Journalisten“, die die Palästinenser in vulgärsten Tönen
verfluchen und die vor ihrem neuen Pharao kriechen. Aber Ägypten
besteht jetzt darauf, der einzige Makler der Feuerpause zu sein.
Der
UN-Generalsekretär eilt durch die Welt. Er wurde für diesen Job von
den US gewählt, weil er nicht außergewöhnlich klug ist. Jetzt sieht
er bemitleidenswert aus.
Aber nicht
bemitleidenswerter als John Kerry, eine pathetische Figur, die hier
und dorthin fliegt, um jeden davon zu überzeugen, dass die US noch
immer Weltmacht ist. Vergangen sind die Tage, in denen Henry
Kissinger die Führer Israels und der arabischen Länder
kommandierte, was sie tun oder lassen sollten (Besonders sagte er
ihnen, nicht mit einander, sondern nur mit ihm zu reden.)
Welches ist die
genaue Rolle von Mahmoud Abbas? Offiziell ist er auch der Präsident
des Gazastreifens. Aber er macht den Eindruck, als versuche er,
zwischen der de facto Gaza-Regierung und der Welt zu vermitteln. Er
ist viel näher an Tel Aviv denn an Gaza.
Und so geht die Liste
weiter. Die lächerliche Figur Tony Blair. Die europäischen
Außenminister versuchen eine Fotogelegenheit mit ihrem
neo-faschistischen israelischen Kollegen zu bekommen. Alle zusammen
eine widerliche Ansicht.
Ich möchte meiner
Regierung und den Hamas-Führern zuschreien: Um Gottes willen,
vergesst die ganze traurige Bande, redet mit einander!
DIE PALÄSTINENSISCHEN
Kampffähigkeiten überraschen jeden, besonders die israelische Armee.
Statt jetzt um eine Waffenpause zu bitten, weigert sich Hamas, bis
alle seine Forderungen erfüllt sind, während Benjamin Netanjahu
eifrig zu sein scheint, den Krieg zu stoppen, bevor er noch tiefer
im Gazaer Morast versinkt – ein Alptraum für die Armee.
Der letzte Krieg
begann mit der Ermordung des Hamas-Militärkommandeurs Ahmad
al-Jaabari. Sein Nachfolger ist ein alter Bekannter Mohammed Deif,
den Israel schon mehrfach versuchte, umzubringen, ihm aber nur
schwere Verletzungen zufügte. Es scheint jetzt, dass er weit fähiger
ist als sein Vorgänger – das Tunnelgewebe , die Produktion von viel
wirksameren Raketen, die besser trainierten Kämpfer – all dies zeigt
einen kompetenteren Führer.
(Dies geschah schon
vorher. Wir ermordeten einen Hisbollah-Führer, Abbas al-Mussawi und
bekamen einen weit talentierteren: Hassan Nasrallah)
Am Ende wird eine
Art Feuerpause kommen. Es wird nicht „das Ende ein für alle Mal“
sein. Das ist niemals so.
DER HASS zwischen
beiden Seiten ist gewachsen. Er wird bleiben.
Der Hass vieler
Israelis auf Israels arabische Bürger ist beträchtlich gewachsen,
und das kann lange Zeit nicht verbessert werden. Israels
Demokratie hat einen harten Schlag bekommen. Neo-faschistische
Gruppen, einmal am Rande, sind nun vom Mainstream akzeptiert worden.
Einige Kabinettminister und Knesset-Mitglieder sind vollständige
Faschisten geworden.
Sie werden jetzt von
fast allen Weltführern anerkannt und wiederholen wie ein Papagei
Netanyahus abgedroschene Propagandaslogans. Aber Millionen in aller
Welt haben Tag für Tag die schrecklichen Bilder der Zerstörung und
des Todes im Gazastreifen gesehen. Das wird nicht durch eine
Feuerpause aus ihrem Gedächtnis verschwinden. Israels bereits
unsichere Position in der Welt wird sogar noch tiefer sinken.
Innerhalb Israels
selbst fühlen sich anständige Leute immer ungemütlicher. Ich habe
viele Äußerungen von einfachen Leuten gehört, die plötzlich an
Auswanderung denken.
Die schockierende
Atmosphäre innerhalb des Landes, der schreckliche Konformismus all
unserer Medien (mit Haaretz einer leuchtenden Ausnahme) die
Sicherheit, dass ein Krieg ständig auf den andern folgt – all dies
führt junge Leute dazu, von einem ruhigen Leben mit ihren Familien
in Los Angeles oder Berlin zu träumen.
In der arabischen
Welt werden die Konsequenzen noch schlimmer sein.
Zum ersten Mal waren
fast alle arabischen Regierungen im Kampf gegen die Hamas auf
Israels Seite. Für junge Araber überall ist dies ein Akt
beschämender Demütigung.
Der arabische
Frühling war ein Aufstand gegen die korrupte, unterdrückerische und
schamlose arabische Elite. Die Identifizierung mit dem Elend des
verlassenen palästinensischen Volkes war ein Teil davon.
Was jetzt geschehen
ist, ist vom Standpunkt der heutigen jungen Araber noch schlimmer,
viel schlimmer. Die ägyptischen Generäle, die Saudi-Prinzen, Kuweits
Emire und ihre Kollegen in der ganzen Region stehen nackt vor der
jungen Generation und verachtenswert, während die Hamas-Kämpfer wie
leuchtende Beispiele aussehen. Leider kann diese Reaktion zu einem
noch radikaleren Islamismus führen.
WÄHREND ICH in einer
Anti-Kriegs-Demonstration in Tel Aviv stand, wurde ich von einem
netten jungen Mann gefragt: „OK, nehmen wir an, dass dieser Krieg
schlecht ist, was würden Sie um 6 Uhr nach diesem Krieg tun? (Das
war der Name eines berühmten sowjetischen Films währen des 2.
Weltkriegs?)
Nun, ich würde damit
beginnen, alle Vermittler zu vertreiben, um direkt mit den Kämpfern
auf beiden Seiten zu sprechen.
Ich wäre damit
einverstanden, der Blockade des Gazastreifens zu Lande und zu Wasser
sofort ein Ende zu bereiten und den Gazaern erlauben, einen
bescheidenen Hafen und Flughafen zu bauen. Auf allen Straßen
müssten wirksame Kontrollen dafür sorgen, dass keine Waffen
hereinkommen.
Ich würde verlangen,
dass die Hamas , nachdem sie internationale Garantien erhalten hat,
in vernünftigen Zeitabschnitten alle Raketen entfernt und alle
Tunnel unter der Grenze zerstört.
Ich würde sicher
sofort alle Shalit-Austauschgefangenen freilassen, die zu Beginn
dieser Krise wieder verhaftet worden waren. Eine übernommene
Verpflichtung unter Druck bleibt eine Verpflichtung - von einer
Regierung betrogen zu werden ist nicht schön.
Ich würde die
palästinensische Einheitsregierung anerkennen und die Welt dazu
aufrufen, sie anzuerkennen und nichts zu tun, sie daran zu
hindern, palästinensische Präsidenten und ein Parlament frei zu
wählen – unter internationaler Aufsicht. Ich würde die Ergebnisse
respektieren, egal wie sie ausfallen.
Ich würde sofort
mit ehrenhaften Friedensverhandlungen mit der vereinten
Palästinensischen Führung anfangen, und zwar auf der Grundlage der
All-arabischen Friedensinitiative. Jetzt, wo so viele arabische
Regierungen Israel zustimmen, scheint es eine einmalige Chance für
eine Friedensinitiative zu geben.
Kurz gesagt: macht
ein Ende mit dem Krieg.
EIN FÜR ALLE MAL.
Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs,
vom Verfasser autorisiert.
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