Im
Laufe der zweiten Hälfte des letzten
Jahrhunderts ist der Massenmord an
den Juden im Dritten Reich von einer
Randerscheinung zu einer
Besessenheit im amerikanischen Leben
geworden. Wie lässt sich das
erklären? Während der ersten zwei
Jahrzehnte nach dem Krieg vertraten
die meisten jüdischen Führer,
einschließlich der großen jüdischen
Verbände, die Meinung, dass die
schrecklichen Ereignisse von damals
nicht groß herausgestellt werden
sollten, es wäre nicht im jüdischen
Interesse. Statt sich zu
bemitleiden, sollten sie sich auf
ihre Zukunft freuen. Es gäbe kaum
Judenfeindlichkeit in Amerika, alle
Wege zum Erfolg offen. Sie sollten
ihre Gemeinsamkeiten mit den
Mitbürgern hervorheben und nicht,
was sie trennt. Weiterhin sei
Antisemitismus nicht anders als
Vorurteile gegen andere ethnische
und religiöse Gruppen. Novick führt
diese Haltung vor allem darauf
zurück, dass sich Amerika im Kalten
Krieg befand. West Deutschland war
ein wichtiger Bündnispartner
geworden und die amerikanischen
Medien erinnerten nur selten an die
Verbrechen im Dritten Reich. Es wäre
unklug gewesen, gegen den Strom zu
schwimmen.
Der
Umschwung kam während des
Junikrieges 1967- Er wurde von den
jüdischen Führern so dargestellt,
als ob die Juden um ihr Überleben
kämpfen müssten, was völlig falsch
war. Die sofort beginnende
Kolonisierung des
Palästinensergebiete bezeichneten
sie als Sicherheitsmaßnahmen. Als
weltweite Kritik ausbrach, wurde sie
mit der mangelnden Erinnerung an den
Holocaust erklärt; die Juden würden
nicht mehr als Opfer gesehen. Aus
diesem Grund schaffte man allerlei
Abhilfe. So wurden z.B.
Holocaust-Romane an alle
Kongressabgeordneten verschickt, als
der Präsident die Lieferung von
Flugzeugen an Saudi Arabien plante.
Der
Streit zwischen Schwarzen und Juden
über die Besetzung von Stellen im
New Yorker Schulsystem wurde zu
einem weiteren Anlaß für die
Verbreitung des
Holocaust-Bewußtseins. Schwarze
redeten von „zionistischem
Imperialismus“ und machten einige
judenfeindliche Äußerungen. Die
Anti-Defamation-Leage (ADL)
behauptete, es gäbe eine
„antisemitische Krise“ an den
Schulen in Ne York. Das war, so
Novick, eine lächerliche
Übertreibung. Spannungen gab es auch
wegen der gesetzlich angeordneten
Bevorzugung von schlechter
gestellten Minderheiten bei der
Vergabe von Arbeitsstellen und
Studienplätzen, was die Mehrheit der
Juden nicht wollte. Nach weiteren
kleineren Reibereien wurde Alarm
geschlagen, der geeignet war, die
Juden vor einem „neuen
Antisemitismus“ – selbst in Amerika
– in Angst und Schrecken zu
versetzen: „Es wird wahrscheinlich
hier geschehen, die Frage ist nur,
wann.“ „Ein Holocaust – Bewusstsein
ist nötig, damit die Juden bereit
sind, Amerika zu verlassen.“ Im
Idealfall soll man nichts mit Juden
zu tun haben.“ 1999 sagten 80% der
befragten Juden, es gäbe eine ernste
Gefahr des Antisemitismus. Die ADL:
Unser Verein wird keine
Verbesserungen für Minderheiten
unterstützen, wenn sie nicht im
Interesse der Juden liegen.
Anläßlich des Baus eines Museums in
Washington zur Erinnerung an den
Massenmord an den Juden, und zwar
mit einem Regierungsbeitrag von 40
Millionen Dollar, verlangten die
Schwarzen, Indianer und Armenier
auch die Berücksichtigung ihres
Leidens. Doch behaupteten die
jüdischen Vertreter, ihr Fall sei
einzigartig (unique): Die Türken
hätten einen realen Grund gehabt,
die Armenier zu verfolgen. Die
Ermordung aller Juden wäre
beabsichtigt gewesen; es wäre ein
fast erfolgreicher Mordversuch
gewesen an Gottes auserwähltem Volk
gewesen und damit an Gott selbst.