Wie das politische
Weltbild der Antisemitismusforscherin
Schwarz-Friesel zum Nahostkonflikt deren
Forschungsergebnisse prägt
Franz Piwonka
Am 18. Juli hat die Antisemitismusforscherin Prof.
Monika Schwarz –Friesel zusammen mit ihrem Team ihre
von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstütze
Studie „Antisemitismus 2.0“ vorgestellt, in
der sie Zehntausende von Texten aus den sozialen
Netzwerken im Internet untersuchte, die sich zum
Judentum oder Israel geäußert haben, um das
quantitative Ausmaß an antisemitischen Einstellungen
zu erfassen. Aufgrund dieser Pressekonferenz wurde
diese Studie in den großen Tageszeitungen
wiedergegeben. Das hat mich veranlaßt, mich mit
ihrer Forschungspraxis kritisch zu beschäftigen.
Dabei wurde jede als antisemitisch bewertete Aussage
einer von drei Kategorien zugeordnet: „klassischer
Antisemitismus“, „Post-Holocaust-
Antisemitismus“ sowie „israelbezogener
Antisemitismus“. Während der klassische
Antisemitismus mit 46,61 Prozent vertreten war, der
Post-Holocaust-Antisemitismus mit 25,75 Prozent,
waren es beim israelbezogenen Antisemitismus 27,64
Prozent. Letztere Kategorie interessiert mich, da
sich hier die Fähigkeit zur Unterscheidung zu
bewähren hat.
Die Sprache der
Judenfeindschaft im 21. Jahrhundert“
2013 erschien ihr zusammen mit dem amerikanischen
Historiker Jehuda Reinharz verfaßtes Werk: „ Die
Sprache der Judenfeindschaft im 21. Jahrhundert“.
Empirische Basis dieser Untersuchung war eine
umfangreiche Korpusanalyse mit vorwiegend
qualitativer Ausrichtung. Der Studie lag eine
Analyse von über 14 000 E-Mails und Briefen an den
Zentralrat der Juden aus den Jahren 2002 bis 2009
sowie an die israelische Botschaft in Deutschland
aus dem Zeitraum 2002 bis 2012 mit dem Ziel
zugrunde, „Einblick in die Einstellungen,
Gedanken und Gefühle der Schreiber (zu) geben und
damit die modernen Formen der Judenfeindschaft im
21. Jahrhundert transparent (zu) machen“ (S.
3). Ich werde mich aber auf das 7.Kapitel
fokussieren: „Anti-Israelismus als moderne
Formvariante des Verbal-Antisemitismus: Die moderne
Konzeptualisierung des kollektiven Juden“.
Die Studie bedient sich textwissenschaftlicher
Analysen, die den Vorzug größerer Aussagekraft
haben, weil über Sprache kognitive und emotionale
Inhalte transportiert werden. Ich konzentriere mich
dabei auf das Thema „antiisraelischer
Antisemitismus“, weil es hier um die Abgrenzung
von Israelkritik und Antisemitismus geht . Ich
möchte den Nachweis führen, daß Schwarz-Friesel (
trotz des Mitautors werde ich der besseren
Handhabung wegen nur sie erwähnen, vor allem, weil,
wie aus vielen ihrer Artikeln zum selben Thema
hervorgeht, sie sicherlich der dominantere Part ist)
zu dieser Unterscheidung nicht in der Lage ist, da
sie ein dezidiert pro-israelisches Weltbild besitzt,
das sie, im Gegensatz zu wissenschaftlichen
Ansprüchen, weitgehend als Maßstab ihrer Einordnung
als israelkritisch oder antisemitisch zugrundelegt.
Sie hat dabei keinerlei Bedenken, ihre politische
Weltsicht explizit als einzig gültigen Maßstab der
Beurteilung zugrundezulegen, um daraus abzuleiten,
daß so gut wie alle von ihr analysierten Texte
antisemitische Inhalte transportieren und sie sich
somit im Kreise dreht. In Ihren eigenen Worten lebt
sie von Trugschlüssen, da aus falschen Prämissen
falsche Schlüsse zieht (.S. 283-288). Das hat zur
Folge, daß ich des Öfteren die von ihr analysierten
Texte sowie ihre eigenen Interpretationen zitieren
muß, um diesen Nachweis führen zu können ( zur
Abhebung werde ich die analysierten Texte im Kursiv
schreiben).
Generös konzediert Schwarz-Friesel, daß
selbstverständlich auch eine unter Umständen scharfe
Kritik an der israelischen Politik kein
Antisemitismus sein muß (ohne daß sie freilich auch
nur ein einziges Beispiel dafür anführt), sondern
legitimer Ausdruck von politischer
Auseinandersetzung sein könne. Sie fügt aber
sogleich hinzu, daß die Vorhaltung des vorschnellen
oder falschen Antisemitismusvorwurfs immer „nur“
dann erhoben werde, wenn es sich tatsächlich um
antisemitische Stereotype handele. Sie schreibt:
„ Dieser Vorwurf wird immer nur dann erhoben, wenn
es sich um antiisraelische Äußerungen handelt, die
antisemitische Stereotype vermitteln…“. Der
Vorwurf des falschen Gebrauchs ist für sie daher
Indikator einer antisemitischen Einstellung. Wer
sich somit diesem Vorwurf entziehen möchte, darf an
dieser Studie nicht mangelndes
Unterscheidungsvermögen kritisieren.
Sie beharrt darauf, daß es „präzise“
kognitions-und sprachwissenschaftliche Kriterien zur
Unterscheidung von Israel-kritik und
Anti-Israelismus gibt: „ Die Negierung in Bezug
auf eine solche Abgrenzungsmöglichkeit zeigen nur
das Bedürfnis von Antisemiten, sich die öffentlich
artikulierten Formen der Judeophobie nicht nehmen
lassen zu wollen“ (S.198). Auch hier findet sich
wieder die zu unzulässigen Generalisierungen
führende Ausschließungskategorie „nur“.
Ebenso interpretiert sie die Kritik, daß Kritik an
Israel verpönt sei, als tradiertes „judeophobes
Klischee“, da es dieses Kritiktabu gar nicht
gebe. ( hier aber liegt ein Mißverständnis vor, denn
natürlich kann jeder ungehindert Kritik an Israel
bzw. dessen Politik üben, der Vorwurf des
Kritiktabus bezieht sich jedoch auf die
Delegitimierung dieser Kritik als antisemitisch, ein
vor dem Hintergrund des Holocaust schwerwiegender
Vorwurf, der durchaus eine Form der Sanktionierung
darstellt und bei Einnahme bestimmter
gesellschaftlicher oder politischer Positionen sogar
bis zur Existenzbedrohung führen kann).
Weltbild perfekt
gegen jede Kritik immunisiert
Damit bestätigt sie zum Einen selbst den
fragwürdigen und vorschnellen Gebrauch des Vorwurfs,
zum Anderen hat sie auf diese Weise ihr Weltbild
perfekt gegen jede Kritik immunisiert. Der
Antisemitismusvorwurf würde somit sogar auf
Antisemitismusforscher selbst zutreffen, die ihr
eine undifferenzierte Analyse vorwerfen, eine
sicherlich interessante Variante der
Selbstimmunisierung. Desweiteren zeigt sich an
dieser Immunisierung ihre Unfähigkeit zur
Ambiguitätstoleranz, da sie ihrem
Forschungsgegenstand unterstellt, daß die Objekte
ihrer Analyse immer eindeutig beurteilbar seien
(S.197f). Damit verstößt sie aber gegen ein
elementares Prinzip der Wissenschaftlichkeit: das
Prinzip der gegenseitigen Kritik als Ausdruck der
intersubjektiven Nachprüfbarkeit zur Sicherstellung
der Seriösität wissenschaftlicher Produktion.
Um den Vorwurf mangelnder Unterscheidungsfähigkeit
zurückzuweisen, zieht sie das Schreiben zweier
Verfasser heran. Einer der Verfasser beklagt den
Einsatz von Streubomben: Wir sind erstaunt und
befremdet darüber, daß Israel den dort arbeitenden
Minenräumern die Abwurfkoordinaten nicht zur
Verfügung stellt. Wir bitten Sie herzlich ,
Exzellenz, Ihren Einfluß für die Herausgabe der
Daten bei Ihrer Regierung einzusetzen
(S.200). Die zweite Verfasserin schreibt:
Es ist ganz schwer für die Menschen hier in
Deutschland, die Situation im Nahen Osten richtig
ein zu schätzen, zumal die Berichterstattung
einseitig ist und Dinge falsch darstellt, weil sie
aus dem Kontext gerissen sind. Bitte gestatten Sie
mir trotzdem die Äußerung einiger Gedanken zu obigen
Konflikten….Trotzdem komme ich mit der Politik
Israels nicht zurecht. Und ich bitte Sie von Herzen,
auf Ihre Regierung einzuwirken, daß sie andere Wege
als den Krieg sucht und die Friedensgespräche
fortsetzt bzw. intensiviert…
(S.201).
Obwohl Schwarz-Friesel auch diese Darstellung als „monoperspektivisch“
kritisiert, kann sie angesichts so wohlwollender,
untertäniger und wohlfeiler Formulierungen und
eingedenk der Tatsache, daß die Verfasserin „ihren
limitierten Kenntnisstand aufgrund fehlender
Selbsterfahrungen“ (S.202) zum Ausdruck
bringt, gar nicht umhin, als auf den Vorwurf des
Antisemitismus zu verzichten.
Nach diesen Beispielen widmet sie sich nun dem „Antiisraelismus“.
Bei diesem handele es sich um eine pauschale
Negativbewertung. Er zeichne sich durch ein
geschlossenes Orientierungs-und
Kategorisierungsmuster aus, das keinen Raum für
alternative Sichtweisen läßt. Die eigene Perspektive
wird verabsolutiert, so daß ein „kognitives bzw.
kommunikatives Miteinander bzw. ein
Meinungsaustausch …kategorisch ausgeschlossen wird“
(S.208). Wir sehen bereits jetzt, daß genau dieser
Vorwurf auf sie selbst zutrifft, denn der „kategorische
Ausschluß“ erfolgt via „klare Abgrenzung“
(S.203) und „textwissenschaftliche
Klassifikationsindikatoren“ (S.3). Eine
tendenziöse, vorurteilsbehaftete und
generalisierende Sichtweise liegt aber ebenso im
Falle eines obsessiven, pro-israelischen Weltbildes
vor, was ich im weiteren Verlauf zeigen werde. Hier
teilt sich bereits eine projektive Sichtweise mit,
d.h. es werden anderen Eigenschaften zugeschrieben
bzw. unterstellt ,die auf einen selbst zutreffen, um
sie somit nicht an sich selbst wahrnehmen zu müssen.
Wissenschaftlicher Duktus soll unangreifbar machen
Sie benennt einige Indikatoren für Antiisraelismus:
kollektive Schuldzuweisung, pauschale
Negativattribuierungen, hyperbolische
Übertreibungen, Monoperspektivierungen sowie
unverhältnismäßige Analogien. Gewiss handelt es sich
hier um zuverlässige Indikatoren, doch ich werde
darlegen, daß sie auch israelkritische Aussagen
unter diese Indikatoren subsumiert. Menschen mit
antiisraelischer Einstellung würden einer „Realitätsstörung“
(S.209) unterliegen, die sie als „De-Realisierung“
bezeichnet, die sich durch eine verzerrte,
eingeengte oder komplett falsche Sichtweise auf
einen außersprachlichen Sachverhalt auszeichne
(Fußnote 24). Allein der Begriff „Realitätsstörung“
dramatisiert ein ganz unspezifisches Phänomen zu
einem quasipathologischen Sachverhalt, da kein
Mensch vor Vereinseitigungen gefeit ist. Es soll
gezeigt werden, daß sie zusammen mit dem
wissenschaftlichen Duktus „De-Realisierung“
nicht selten politische Botschaften transportiert,
die sich durch eben diesen wissenschaftlich Duktus
unangreifbar machen wollen.
Um diese De-Realisierungsphänomene aufzeigen zu
können, greift sie zu einer Paraphrasierung: „
Mit Abscheu und Entsetzen haben wir aus der Presse
erfahren, daß die bundesdeutsche GSG9 wieder einmal
in SS-Manier mit unverhältnißmäßiger Gewalt gegen
anständige junge Menschen aufrechter Gesinnung
vorgegangen ist, die lediglich einen verzweifelten
Freiheitskampf gegen den Staatsterror Deutschlands
führen…Deutschland sollte schnellstmöglich aufgelöst
und unter UN-Aufsicht gestellt werden“ (S.211).
Diese geradezu realsatirische anmutende
Paraphrasierung sagt aber mehr über Schwarz-Friesel
selbst, als über ihre Kontrahenten aus, denn die
Richtigkeit dieser Paraphrasierung unterstellt etwas
Wesentliches: zwischen deutschen und
Nahostverhältnissen gibt es keinen Unterschied. Die
Menschen in der Westbank leben unter denselben
rechtsstaatlichen Verhältnissen, wie sie in
Deutschland existieren und verfügen über einen
eigenen Staat. Nicht nur das, die Gleichsetzung
unterstellt zudem notwendigerweise, daß es gar
keinen Konflikt zwischen den Israelis und den
Palästinensern gibt. Gemäß dieser geradezu radikalen
Ausblendung spezifischer politischer und
gesellschaftlicher Verhältnisse sind für sie
Adjektiva wie „ grundlos“, „vorsätzlich“
und „völlig unverhältnismäßig“ nichts anderes
als ein „semantisches Prinzip“ bei der „verbalen
De-Realisierung Israels“(S.213). Hier zeigt sich
in der Tat unverhohlen das tatsächliche Ausmaß einer
verbohrten De-Realisierung dieser Wissenschaftlerin.
Man stelle sich nur einmal vor, in Deutschland
würden Kinder in Gefängnissen gesteckt und dort
mißhandelt, wie es in Israel der Fall ist ( siehe
die späteren Belege). In kürzester Zeit würde ein
bundesweiter Skandal ausbrechen. Da dies aber in
Israel geschieht, wird es in den westlichen Ländern
schlicht ignoriert.
Um diese absurde Gleichsetzung zu rechtfertigen,
führt sie an, daß in den Universitätsseminaren Jena
und Berlin de-realisierte Texte zu Deutschland,
Frankreich, Australien und Israel in
Leseexperimenten vorgelegt wurden. Um die Leser
doppelter Standards zu überführen, erwähnt sie das
Ergebnis: Während über 95 Prozent der Probanden
sofort und ohne zu zögern die Texte zu den drei
erstgenannten Ländern als „falsch“, „grotesk“,
„irre“ oder „verrückt“
charakterisierten, sahen über 60 Prozent nichts
Auffälliges an den anti-israelischen Texten (Fußnote
27). Offenbar sind die Probanden im Gegensatz zu
Schwarz-Friesel zu einer differenzierteren
Betrachtungsweise in der Lage. Es ist ein in der Tat
groteskes, anschauliches Beispiel dafür, wie sich
ihr politisches Weltbild in wissenschaftliche
Gewänder kleidet, um sich unangreifbar zu machen.
Schwarz-Friesel zitiert einen Verfasser: Mir
ist völlig klar, daß durch eine solche Gewaltpolitik
Israels der Hass in den arabischen Staaten immer
mehr zunehmen wird und Israel niemals mehr zur Ruhe
kommen wird. Aber das hat Israel- und nur Israel- zu
vertreten und zu verantworten. Sie
konstatiert hier ein „einseitiges Aggressorbild“
, das sich durch Verfälschung von Fakten durch
Umkehrung, Auslassung oder Relativierung auszeichne
(S.212). Gewiß liegt hier eine Vereinseitigung eines
komplexeren Problems vor, doch kann man darüber
durchaus geteilter Meinung sein. In dieser Sicht ist
es durchaus vertretbar, in Israel einen dominanten
Aggressor zu sehen, da er ein anderes Volk mit einer
gewaltigen Militärmaschine unter vollständiger
Kontrolle hält und es jeder Bewegungsfreiheit
beraubt. Die Interpretation durch Schwarz-Friesel
nimmt jedoch in anmaßender Weise eine einzig
gültige Sicht auf den Nahost-Konflikt in Anspruch.
Sichtweise der
israelischen Propaganda
Die durch und durch subjektivitätsgefärbte Sicht auf
diesen Konflikt geht auch aus der Interpretation
folgender Aussage hervor: Ihr drangsaliert die
armen P. völlig grundlos und sperrt sie hinter
Mauern: Sie kommentiert: „Daß es sich um
Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der israelischen
Zivilbevölkerung handelt (die nach zahlreichen
terroristischen Attacken eingeführt wurden), bleibt
unerwähnt. Ausgeblendet wird auch stets, daß
Raketenangriffe des israelischen Militärs auf Ziele
der Hamas Antworten bzw. Gegenschlage auf zuvor
erfolgte Raketenbeschüsse israelischer Gebiete sind“
(S.213). Damit verläßt sie nun den Boden der
Wissenschaftlichkeit und breitet vielmehr ungehemmt
ihre spezielle Sicht auf den Konflikt nicht nur aus,
sondern verabsolutiert diese qua Wissenschaftlerin
zum einzig gültigen und zulässigen Blick. Sie gibt
im Wesentlichen die Sichtweise der israelischen
Propaganda wieder, kombiniert mit einer
Täter-Opfer-Umkehr.
Es stellt sich hier die Frage, ob Schwarz-friesel
noch nie etwas von Breaking the Silence oder
von den zahlreichen israelischen
Menschenrechtsorganisation gehört hat, oder ob sie
gar nicht in der Lage ist, die von diesen
Organisationen ausgebreiteten Tatsachen zur Kenntnis
zu nehmen. Die Gründerin der israelischen
Menschenrechtsorganisation Machsom Watch, Roni
Hammermann schreibt: „Als Juedin habe ich ein
historisches Gedaechtnis. Die Lehren aus dem
Holocaust sind nicht nur eine Verpflichtung den
Opfern des Nazismus gegenueber, es ist eine
Verpflichtung zu einer Reihe von universalen
ethischen Werten, in deren Namen wir den
Antisemitismus ablehnen. Und einer dieser Werte ist
die Verpflichtung nicht zu schweigen wenn wir in
unserem Umfeld Unrecht sichten. Angesichts von
Unterdrueckung und Entrechtung darf ein moralischer
Mensch nicht die Augen schliessen und schweigen. Und
da ich 20 Minuten entfernt von dem Ort lebe, an dem
taeglich und stuendlich Verletzungen von
Menschenrechten stattfinden, darf ich nicht
schweigen". ( Auszug aus einem Vortrag, den sie
mir zuschickte). Die Mitarbeiter dieser Organisation
stehen täglich an den Checkpoints, um das Schlimmste
zu verhindern.
In der Einleitung zu dem Buch: Breaking the
Silence. Israelische Soldaten berichten von Ihrem
Einsatz in den besetzten Gebieten, steht: „
Wie die Aussagen in diesem Teil belegen, zielt ein
bedeutender Anteil der offensiven Maßnahmen nicht
darauf ab, eine bestimmte terroristische Handlung zu
verhindern; vielmehr soll die palästinensische
Bevölkerung bestraft, abgeschreckt oder die
Herrschaft über sie intensiviert werden“ (S.
29). Schwarz-Friesel schreckt somit nicht vor
platten Apologien der israelischen Regierung ab. In
ihrem Weltbild sind die Israelis immer Opfer
terroristischer Attacken von Hamas oder
Palästinensern.
Auch bei gebildeten Schreibern sei eine „starke
Monoperspektive“ zu verzeichnen, so wenn Israel
vorgeworfen werde, mit „Staatsterror“ gegen
die Palästinenser vorzugehen. In der Tat gibt es
sogar Antisemitismusforscher, die von „israelischem
Staatsterrorismus“ (https://jungle.world/artikel/2002/46/schuld-und-erinnerung)
sprechen, so z.B. von Klaus Holz, den sie für ihre
Argumentation in Anspruch nimmt (S.100f). In dem
erwähnten Buch von Breaking the Silence wird
dargelegt, daß die durch und durch schikanösen bis
grausamen Vorgehensweisen der Soldaten, die nicht
einmal vor gezielten Tötungen Halt machen, nicht
etwa Ausdruck individuellen Fehlverhaltens sind,
sondern vielmehr die konsequente Umsetzung
militärpolitischer Richtlinien und Grundsätzen, die
dort ausführlich beschrieben werden.
Desweiteren wird den Verfassern vorgeworfen, daß sie
nach dem Pars-pro-toto-Prinzip den gesamten Staat
Israel über die Wahrnehmung der militärischen
Aktivitäten identifizieren würden. Auch hier wird
das eigene Weltbild zum einzig gültigen und damit
nichtantisemitischen Wahrnehmungsschema erklärt. Die
israelisch-deutsche Historikerin Tamar Amar-Dahl hat
in Ihrer Forschung dargelegt, daß in Israel Staat
und Militär als ausschließliche Autorität für den
Konflikt und mithin für die Sicherheit etabliert
sind und daher kein Gegenstand der öffentlichen
Debatte ist. Der Konflikt wurde daher zu einer
Angelegenheit von Sicherheitsexperten mit der
Konsequenz der Entpolitisierung des gesamten
Konflikts.
Israel: der
militarisierteste Staat der Welt
Die
Entpolitisierung des mit dem Konflikt verbundenen
Fragenkomplexes hatte bereits der erste Premier
Israels David Ben Gurion in den 1950er Jahren
durchgesetzt. Über die Jahrzehnte hinweg verfestigte
sich diese Denkstruktur: die Sicherheitspolitik wird
grundsätzlich als ausschließlich militärische
Angelegenheit gesehen. Das Militär bestimmte die
Grenzen des Staatsgebiets (die Eroberungskriege von
1948, 1956 und 1967) und es ist auch für deren
Erhalt und die Besiedlung zuständig. Viele
israelische Institutionen werden als „Zivilverwaltungen“
bezeichnet, obwohl sie in Wahrheit
Militärverwaltungen sind. ( Tamar Amar
Dahl: Das zionistische Israel. Jüdischer
Nationalismus und die Geschichte des
Nahohostkonflikts, 2012). Laut dem jährlich vom
Bonner International Center für Conversion (BICC)
veröffentlichten Global Militarization Index ist
Israel der militarisierteste Staat der Welt: (Jeff
Halper: Hier wird mehr exportiert als nur Waffen,
in: Annette Groth/Norman Paech/Richard Falk
(Hg): Palästina – Vertreibung, Krieg und Besatzung-
Wie der Konflikt die Demokratie untergräbt, 2017,
S.69).
Auch an der Apartheidsfrage kann exemplarisch die
Verabsolutierung des eigenen Weltbildes aufgezeigt
werden, das sich beständig in wissenschaftlich
rationalisierte Sprache kleidet: „Daß allein die
Verwendung eines einzelnen Lexems eine spezifische,
de-realisierende Konzeptualisierung konstituieren
kann, zeigt das Kompositum Apartheidstaat“. (S.
216). Und nun erneut das politische
Glaubensbekenntnis von Schwarz-Friesel: „ Wäre
Israel de facto ein solcher Staat, so wäre scharfe
internationale Kritik nicht nur angemessen, sondern
notwendig. Doch Israel ist so wenig Apartheidstaat
wie die Bundesrepublik Deutschland (auch hier findet
sich wieder die Gleichsetzung nahöstlicher und
bundesrepublikanischer Verhältnisse, F.P.). Die
nichtjüdischen Bürger, gleich ob es arabische
Christen, Drusen, oder Muslime sind, haben exakt die
gleichen Rechte , Bildungs-,Entwicklungs-und
Aufstiegschancen wie die jüdischen Staatsbürger.
Entsprechend sind arabische Israelis in allen
Bereichen der Gesellschaft vertreten, als
Geschäftsleute, Ärzte, Polizisten, Soldaten,
Rechtsanwälte, Abgeordnete“ (S. 217).
Dementsprechend dient für sie der Vorwurf der
Apartheid „der Verleumdung des demokratischen
Staatswesen“ (S.217). Man muß beileibe kein
Wissenschaftler sein, damit sich einem die Frage
aufdrängt, was einer Wissenschaftlerin, die das
Phänomen Antisemitismus untersucht, das Recht gibt,
politische Stellungnahmen abzugeben.
Hier ahnt sie aber nun den Vorwurf des Mißbrauchs
von Wissenschaft zu eigenen politischen Zwecken und
will diesem Vorwurf daher vorbeugen: „ Dies ist
kein Buch über Israel oder über den Nahostkonflikt,
aber um die Diskrepanz zwischen der realen Welt und
den de-realisierenden Äußerungen klarmachen zu
können, um das manipulative und antisemitische
Potential antiisraelischer Äußerungen transparent zu
machen, müssen wir teilweise kurz auf
außersprachliche Sachverhalte eingehen“( Fn.29).
Die Instrumentalisierung der Wissenschaft für die
Durchsetzung ihres eigenen politischen Weltbildes
manifestiert sich hier darin, daß Schwarz-Friesel
absurderweise erneut politische Argumente in
Anspruch nimmt, um dessen Gegenteil, nämlich die
durchgängige Wissenschaftlichkeit ihrer Studie zu
dekretieren. Das gleicht ganz einem
Münchhauseneffekt, sich am eigenen Schopf aus dem
Sumpf zu ziehen. Als Leser gewinnt man zunehmend den
Eindruck, als handele es sich hier mehr um eine
politische Auseinandersetzung, denn um eine
wissenschaftlich seriöse Studie.
Der Vorwurf von Apartheidsstrukturen ist aber
keineswegs aus der Luft gegriffen, einige, beileibe
nicht alle Belege finden sich in dem Buch von Arn
Strohmeyer: „Ist Antizionismus gleich
Antisemitismus?“ (2016, S. 129-134.
Ausführlicher dazu: Jonathan Cook: Warum Israel
ein Apartheidsstaat ist:
https://senderfreiespalaestina.de/pdfs/jonathan).
Will etwa Schwarz-Friesel im Ernst den israelischen
Schriftsteller, Friedensaktivisten und
Friedenspreisträger David Grossmann
„antiisraelischer Stereotypen“ beschuldigen, da
er gesagt hat: „Aber
wenn Israel ein anderes Volk erobert und seit 51
Jahren unterdrückt hält, ein Apartheidsregime in den
besetzten Gebieten schafft, dann ist es viel weniger
geworden als ein Zuhause (http://www.faz.net/social-media/instagram/zu-hause-sein-david-grossmans-rede-vor-israelis-und-palaestinensern-15548708-p2.html).
Wie
egomanisch muß ihr Weltbild wohl strukturiert sein,
wenn sie dies tatsächlich tun sollte?
Das eben erst verabschiedete Nationalstaatsgesetz
ist expliziter Ausdruck von Apartheid, es steht nur
stellvertretend für die diskriminierende Praxis
israelischer Politik gegenüber den Palästinensern.
Daß Israel im Westjordanland ein
Apartheidheitsregime errichtet hat, daran kann kein
Zweifel bestehen.( dazu: UN- ESCWA(Verfasser*in:
Richard Falk und Virginia Tilley):Israelische
Praktiken gegenüber dem palästinensischen Volk und
die Frage der Apartheid: Zusammenfasung), in:
Palästina – Vertreibung, Krieg und Besatzung- Wie
der Konflikt die Demokratie untergräbt, 2017.
Es handelt sich hier um das Vorwort zu einem Bericht
der Wirtschafts-und Sozialkommission für Westasien.
Kurz nach der Veröffentlichung wies
UN-Generalsekretär Antonio Guterres den Bericht
zurück und ließ ihn von allen UN-Websites entfernen-
Die ESCWA- Exekutivsekretärin Rima Khalaf trat aus
Protest dagegen von allen Ämtern zurück. Sie bestand
darauf, zum Inhalt des Berichts zu stehen). Und
erneut wird Israel zum Opfer stilisiert, das sich
lediglich reaktiv verhält: „ Mit Apartheid meinen
viele auch die aus Sicherheitsgründen (nach
exzessiven terroristischen Attentaten innerhalb der
Staatsgrenzen Israels) vollzogene Abgrenzung und
Kontrollpolitik (man beachte die zynisch
verharmlosende Formulierung F.P.) in Bezug auf die
Palästinenser (die nicht Bürger Israels sind“)
(S.217).
Gezielte Tötungen
gehören zum üblichen Inventar soldatischen Handelns
Aus der folgenden Aussage geht hervor, daß sie die
Systematik der Vergehen leugnet und diese lediglich
dem Fehlverhalten einzelner Soldaten zuschreibt: „
Dabei werden vorkommende Fälle von Schikanen zum
Anlaß genommen, ganz Israel anzuklagen“ (
Fn.32). Auch hier ignoriert sie die Zeugenaussagen
von Soldaten, die sich Breaking the Silence
angeschlossen haben sowie die Tatsache, daß es
offizielle militärpolitische Grundsätze gibt, die in
der erwähnten Einleitung näher beschrieben werden.
Entgegen zahlloser Belege von Menschenrechts- und
UN-Organisationen behauptet sie, daß grausames
Verhalten von Soldaten von der israelischen
Militärführung geahndet würden. So betrug 2010 der
Anteil der polizeilichen Ermittlungen in Fällen von
gewalttätigen Angriffen z.B. durch Siedler, die ohne
Anklagen abgeschlossen wurden, 90 Prozent (Saree
Makdisi: Palästina. Innenansichten einer Belagerung,
2. Auflage, 2012, S.351) und Amnesty
International stellt fest, daß 0
strafrechtliche Ermittlungen bei über 1000
Foltervorwürfen eingeleitet wurden ( Kurzdossier
50 Jahre Besatzung). Zeugenberichte beschreiben
eine Politik, die Palästinenser für ihren Widerstand
„bezahlen“ zu lassen. Missionen, deren Ziel,
um einen der Kommandeure zu zitieren, darin
bestehen, „Leichen zu liefern“ (Breaking the
Silence, S.100-104). Immer wieder
berichten Soldaten vom Befehl zu grausamen
Handlungen, deren Sinn sie gar nicht nach vollziehen
konnten ( Breaking the Silence, S.31-34).
Auch gezielte Tötungen gehören zum üblichen Inventar
soldatischen Handelns.
Für die Behauptung, daß schikanöses bis grausames
Verhalten eine institutionalisierte Struktur
aufweist, gibt es unzählige Belege. Die erwähnte
Aussage von Roni Hammermann läßt daran keinen
Zweifel. Einen eindrücklichen und traurigen Beleg
liefert auch das Buch: Ayelet Waldmann/Michael
Chabon (Hg): Oliven und Asche.
Schriftstellerinnen und Schriftsteller über die
israelische Besatzung in Palästina, 2017), in
dem 26 Augenzeugen von ihren Erlebnissen berichten.
Die institutionalisierte Grausamkeit geht hin bis
zur „systematischen Mißhandlung und Folter“
palästinensischer Kinder in israelischen
Gefängnisseen. Dies steht im Bericht der
Organisation "Defence for Children
International", der von der EU gefördert wurde
(
http://www.dci-palestine.org/sites/default/files/report_0.pdf).
Auch die regelmäßigen Berichte von Amnesty
International geben von der Systematik der Vergehen
Auskunft. Nicht zuletzt beweisen die mittlerweile 40
000 Häuserzerstörungen seit 1967 die systematische
Struktur des Vorgehens. (ICAHD.de). Da
Palästinenser so gut wie nie Genehmigungen für den
Häuserbau bekommen, werden diese dann abgerissen.
Am
Beispiel Sigmar Gabriel will sie aufzeigen, wie
schnell israelfeindliche Sprachfloskeln, die
habituell im rechtsextremistischen Diskurs
artikuliert werden, Eingang in die alltägliche
Sprachpraxis finden. Seine empörende Erfahrung in
Hebron: „ Das ist für Palästinenser ein
rechtsfreier Raum. Das ist ein Apartheidsregime, für
das es keinerlei Rechtfertigung gibt“ bezeichnet
sie als „realitätsverzerrende Phrasen“, die
antiisraelisches Gedankengut in die Mitte der
Gesellschaft tragen würden (S. 219).
Verfassern, die von „unverhältnismäßiger Gewalt“
sprechen, wirft sie vor. sich eine allwissende
Beobachter-Expertenposition anzumaßen, trotz der
Entfernung von über 4000 Kilometern. Sieht man
einmal davon ab, daß sie Andersdenkenden etwas
vorwirft, was sie selbst unablässig tut, womit der
projektive Gehalt Ihrer Aussagen immer mehr zum
Vorschein kommt, ist doch der geographische Hinweis
auf die Entfernung im globalen Informationszeitalter
entlarvend genug und lebt von doppelten Standards,
denn es gibt vom Westen kritisierte Länder mit noch
größerer Entfernung. Der Verzicht auf „Phrasen“,
wie „brutale Vorgehensweise“ oder „Krieg
gegen die Zivilbevölkerung“ wäre für sie
Ausdruck guten Willens, den sie selbst auf ganz
besonders bemerkenswerte Weise praktiziert (S.221).
Standardrepertoire: Israelkritikern doppelte
Standards vorzuwerfen
Zum
Standardrepertoire proisraelischer
Voreingenommenheit gehört das Unterfangen,
Israelkritikern doppelte Standards vorzuwerfen. Man
müsse sich beim Antiisraelismus die Frage stellen,
schreibt sie in gespielter Naivität, „warum ein
kleines, demokratisches Land zum Weltenübel erklärt
wird, das eine kritische Presse, ein unabhängiges
Rechtssystem, eine frei gewählte Regierung hat,….das
liberal und offen im Umgang mit Homosexuellen ist
….Warum nicht Länder, in denen Frauen entmündigt und
gesteinigt und Homosexuelle umgebracht werden und in
denen Kritik brutal unterdrückt wird. … Warum ist
Israel das einzige Land der Erde, dem gegenüber sich
ein „Ismus“ entwickelt hat (kein Anti-Chinaismus,
kein Antikoreanismus, kein Anti-Sudanismus“ (S,
233). Nach dieser Feststellung folgt der Schluss:
„ Wenn nun aber ohne jeden Zweifel Gewalt,
Menschenrechtsverletzungen und Konfliktaustragung in
anderen Ländern wesentlich stärker ausgeprägt sind
als in Israel, muß es einen anderen Grund für seine
exzessive Verdammung geben. Unsere Analysen legen
als Grund nahe, daß Israel jüdisch ist und Juden
seit Jahrhunderten Opfer von massiven
Diffamierungskampagnen waren und sind“ ( S.
233f).
Man
ist erstaunt über so viel gespielte Larmoyanz dieser
Aussagen, denn sie sind zwangsläufig Folge einer
radikalen Entkontextualisierung und
Entspezifizierung des Konflikts. Höchst heterogene
gesellschaftliche und politische Tatbestände werden
alle über einen Leisten geschlagen, wie das schon an
der in der Paraphrasierung zum Ausdruck kommenden
Gleichsetzung nahöstlicher und
bundesrepublikanischer Verhältnis zum Ausdruck
gekommen ist. Es wird radikal ausgeblendet, daß
Israel als Demokratie nicht nur integraler
Bestandteil der westlichen Wertegemeinschaft ist,
sondern sich an jenen demokratischen und humanen
Maßstäben selbst messen lassen muß, denen sich
dieser Staat verpflichtet hat. Ihr Vorwurf ist somit
selbst Ausdruck doppelter Standards. Der von
Schwarz-Friesel angestellte Vergleich und Bezug
beispielsweise zu Nordkorea unterstellt geradezu
absurderweise, als seien die hiesigen und die
dortigen Verhältnissen als gleich anzusehen.
Der
qualitative Unterschied besteht gerade darin, daß es
in diktatorischen Ländern dieser Welt keinen
Adressaten für Kritik gibt. Die
Adressierungsmöglichkeit ist hingegen gerade ein
Kennzeichen demokratisch verfaßter Staaten. Nicht
nur das: Israel ist Bestandteil des Okzidents. Dazu
kommt, daß es sich um einen jahrzehntelangen, bis
zum heutigen Tag ungelösten Konflikt ohne Aussicht
auf ein Ende handelt, zumal dieser Staat vom Westen
größte Unterstützung erfährt. Es ist eben die
genannte Adressierungsmöglichkeit, die zur Kritik an
demokratisch verfaßten Staaten führt. Das gleiche
Argument der doppelten Standards könnte man daher
auch den westlichen Kritikern an russischen
Verhältnissen entgegenhalten, die in Permanenz
Gegenstand kritischer Erörterungen sind. Daß dies
nicht geschieht, ist eben selbst Ausdruck von
doppelten Standards. Gegenüber diktatorischen
Regimen zeichnet sich Rußland trotz autokratischer
Ausrichtung immerhin durch demokratische Strukturen
aus.
Die
von Schwarz-Friesel stellvertretend für die
proisraelische Fraktion vorgenommene Schlußfolgerung
antisemitischer Motive für die Kritik an
israelischer Politik und damit verbundener
angeblicher Doppelstandards ist somit zwingendes
Resultat extremer Ausblendung aller hier genannten
Spezifika, in anderen Worten: das hehre Ziel der
Bekämpfung des Antisemitismus verdankt sich daher
den genannten Defiziten einer gänzlich ausblendenden
Betrachtung oder noch direkter: auf diese Weise
macht sie aus ihrer argumentativen Not sogar eine
Tugend.
Interessant ist die folgende sprachliche Entgleisung
bzw. Entlarvung gerade durch eine Linguistin: „
Jeder tatsächliche oder angebliche Fehler Israels
wird sofort benannt und dramatisch de-realisiert“(S.
235). Die Wahl des Ausdrucks „Fehler“ ist
aufschlußreich genug: Fehlern liegt kein
intentionales Verhalten zugrunde, sie passieren
unabsichtlich. Das Verhalten der israelischen
Politik gegenüber den Palästinensern beruht daher in
ihrer Sicht im schlimmsten Fall lediglich auf einem
Unvermögen. Die systematisch betriebene
menschenverachtende Politik Israels wird somit
entdramatisiert und verharmlost durch Reduktion auf
die bloße anthropologische Konstante der
prinzipiellen Fehlbarkeit menschlichen Verhaltens.
Ideologische
Verblendung zum wissenschaftlichen
Forschungsergebnis verklärt
Gewiss enthalten viele israelkritische Kommentare
auch antisemitische Gehalte. Aber auch wenn diese in
Kommentaren fehlen und der Verfasser daher ein
authentischer Israelkritiker ist, verfällt er dem
Verdikt antisemitischer Verdammung, so in folgendem
Kommentar: ich protestiere (….) gegen die
fortgesetzten und vorsätzlichen Vergehen gegen die
Menschenrechte und die zahlreichen Verstöße gegen
UN-Resolutionen, die der Staat Israel (…) in
Palästina begeht und noch weiter begehen will.
Daraus wird die folgende Bewertung: „ Die
unikale Fokussierung und Evaluation ist als
unmittelbare Folge der de-realisierenden
Dämonisierung zu sehen: Israel wird quasi zum „Juden
unter den Staaten der Welt“ und damit Objekt exakt
dergleichen Diskriminierungs-und
Diffamierungsmechanismen wie Juden schon seit
Hunderten von Jahren“ (S. 235f). Hier wird
offenbar die ideologische Verblendung in
wissenschaftlich rationalisierter Sprache zum
wissenschaftlichen Forschungsergebnis verklärt.
Im
Zusammenhang des Ausdrucks „Juden unter den
Staaten der Welt“ erwähnt sie Stephan Grigat,
der einen Artikel mit dem Titel: „ Israel als
Jude unter den Staaten“ geschrieben hat.
Grigat, der an der Universität Wien lehrt, ist allen
Ernstes der Auffassung, daß der Kern des
Nahostkonflikts der Antisemitismus sei: „Das
Kernproblem des `Nahostkonflikts` liegt nicht in der
Hand von Israel“, sondern der arabischen Staaten
(Antisemitismus als Kern des Nahostkonflikts,
in: Mirko Niehoff (Hg): Nahostkonflikt
kontrovers. Perspektiven für die politische Bildung,
2016, S.269). Demgemäß setzt er den Ausdruck
Nahostkonflikt in Ausrufezeichen, da es ihn
eigentlich nicht gäbe, wenn nur der Antisemitismus
verschwunden wäre. Ich erwähne dies nur, damit der
Leser sieht, in welchen weltanschaulichen
Gemeinschaften Schwarz-Friesel beheimatet ist.
So,
wie es in ihrer Welt keine Israelkritiker gibt, so
wenig gibt es für sie auch Friedensaktivisten. Das
Wort taucht nur in Ausrufezeichen auf, dem „sog.“
vorangestellt wird. Lautere, von moralischen
Erwägungen getriebene Menschen gibt es ebenso wenig,
vielmehr handelt es sich in solchen Fällen um „kommunikative
Abwehr- und Legitimierungsmuster“. Um so einen
Fall handele es sich auch bei dem Oberbürgermeister
in Jena und früheren Pfarrer, Albrecht Schröter,
der, so Schwarz-Friesel, „glaubte, seinem
„zerrissenen Herzen“ folgen zu müssen und war einer
der Erstunterzeichner für einen von Pax Christi
initiierten Boykottaufruf gegen Obst und Gemüse aus
israelischen Siedlungen. Umgehend zollte Ihm die NPD
dafür Beifall“ (Fn. 48). Dies schreibt
sie, obwohl er 2011 den „Preis für Zivilcourage
gegen Rechtsradikalismus, Antisemitismus und
Rassismus“ erhielt. Moralische Integrität
besitzt offenbar nur sie selbst, wie man an Ihrem
NPD-Hinweis erkennt., den sie für diesen Menschen
reserviert hat. Dieser Boykottaufruf wurde ins Leben
gerufen, weil Israel diese Produkte trotz
EU-Verordnung, diese als Siedlungsprodukte zu
kennzeichnen, weiterhin als israelische Waren
ausweist.
So
nimmt es auch nicht Wunder, wenn sie dem
Boykottaufruf gegen Israel (BDS) eine „ostentative
Parallele zu den antisemitischen Boykottaufrufen der
Nationalsozialisten“ (S. 238) bescheinigt.
Dieser Vorwurf würde dann sogar selbst auf den
Antisemitismusforscher Peter Ullrich zutreffen, der
schreibt: „ Diese ist, wie gesagt,
nicht an sich antisemitisch, sie hat keinen
kontextfreien Wesenskern. Angesichts des klaren
Völker-und Menschenrechtsbruchs, den die
Aufrechterhaltung und andauernde Vertiefung der
Besatzung darstellt, gehört sie zum zu erwägenden
strategischen Repertoire einer Bewegung gegen die
Besatzung und insbesondere dann, wenn sie sich gegen
Waren aus den komplett illegalen und illegitimen
Siedlungen richtet“ (Antisemitismus, Shoa und
deutsche Verantwortung. Die (Nach-)Wirkungen des
Nationalsozialismus im Nahostdiskurs, in:
BDS/Boykott, Desinvestition und Sanktionen.
Königsweg der Befreiung oder Sackgasse der
Geschichte, Berlin 2011).
Emphatische und emotionsausdrückende Formulierungen
wie z.B. „Besorgnis erregend“ sind für sie
nichts anderes als Phrasen, „Empörungsinszenierungen
bezüglich der Entlarvung scheinbarer Israel-Kritik
als Antisemitismus“. Wie eine Einwandsbehandlung
( Begriff aus dem Bereich Marketing, demgemäß zu
erwartende Einwände bereits vorweggenommen werden)
liest sich die Aussage: „ Alle Strategien, die
zur Diffamierung von Juden benutzt werden, finden
auch bei der Diskreditierung der Forschung und der
Forscher(innen) ihre Anwendung“ (S. 240). Somit
bin ich nun ebenfalls als Antisemit „entlarvt“.
Hier zeigt sich ein weiterer Trugschluß, den sie
natürlich immer nur auf der Gegenseite verortet. Die
aus der Empörung über das an den Palästinensern
begangene schwere Unrecht resultierende Wahl
entsprechender sprachlicher Formulierungen sind für
sie Indikator antisemitischer Einstellungen. Da
Vertreter tatsächlich antisemitischer Einstellungen
in der Regel zu emotionsstarken Ausdrücken greifen,
zieht sie den pseudologischen Schluß, daß
emotionsstarke Begrifflichkeiten von
Israelkritikern ebenfalls Ausdruck antisemitischer
Denkhaltungen sein müßten. Offensichtlich spielen
bei ihr weder Inhalte, noch Kontexte eine
beurteilungsrelevante Rolle.
Verkennung der
Natur des Konflikts
Aus folgenden Ausführungen geht erneut hervor, daß
sie die Natur dieses Konflikts völlig verkennt und
in ihren Aussagen ausblendet. Sie moniert, daß in
vielen Pressetexten zum Nahostkonflikt sich seit
Jahren „extreme, auf intensive Gefühle setzende
Kontrastierung und Polarisierung zwischen
Palästinensern und Israelis“ finde: „ Die
Palästinenser werden oft als schwach, unterlegen
,leidend und hilflos dargestellt; ….Im Kontrast dazu
werden die Israelis ( fast ausschließlich vertreten
durch Militärangehörige oder Nationalreligiöse) als
überlegen, stark und als High-Tech-Macht mit
extremer Kontrollgewalt referenzialisiert…. Wenn das
Elend und die Verzweiflung der Palästinenser betont,
aber nicht die Trauer und die Angst von Israelis
erwähnt werden, wenn Aktionen der Armee ohne
Nennung von Gründen als willkürlich dargestellt und
pauschale Täter-Opfer-Strukturen konstruiert werden,
wenn Israel als übermächtiger Aggressor skizziert
wird, liegt eine monoperspektivische
Berichterstattung mit einem hohen Emotionspotential
vor“ (S. 247f). Für Palästinenser hat sie nur
Verachtung übrig und spricht in hämischem Ton von
den „armen Palästinensern“ ( S. 348).
Man ist erstaunt über so viel Blauäugigkeit der
Betrachtung. Bereits eine oberflächliche
Beschäftigung drängt dem Betrachter die
ausgesprochene Asymmetrie dieses Konflikts auf.
Schwarz-Friesel verwechselt auf klassische Weise
Ideologie und Wirklichkeit, da für sie empirische
Beschreibungen der Asymmetrie des Konflikts nichts
anderes als antisemitische bzw. antiisraelische
Stereotypen darstellen. Selten gibt es so
asymmetrisch gelagerte Konflikte, die sich über
Jahrzehnte ohne Aussicht auf Veränderung hinziehen.
Eine militärisch hochgerüstete Armee steht einem
Volk gegenüber, über das es eine „absolute
Kontrolle“ (Breaking the Silence, S.24)
ausübt. Die einzigen „Waffen“ dieses Volkes
sind Steine oder Molotowcocktails, die man durchaus
als Verzweiflungswaffen bezeichnen kann, mit denen
sie gegen Ihre Unterdrückung und Entrechtung
Widerstand leisten.
In den besetzten Gebieten sind Palästinenser aller
Menschenrechte beraubt, sie gelten als vogelfrei,
was sich eben in unzähligen israelischen und
nichtisraelischen Menschenrechtsorganisationen
niederschlägt, die dieses umfassende Unrecht
dokumentieren. Der bekannte israelische Soziologe
Natan Sznaider spricht von „täglichen
Unterdrückungspraktiken in den besetzen Gebieten“
( Interview mit der Süddeutschen Zeitung, 13.8.
2018, S. 7). Die Formulierungen Schwarz- Friesels
hingegen unterstellen, als ob Israelkritiker sich
ihre Beschreibungen in ideologischer Umnachtung ganz
aus den Fingern saugen. Alle ihre Aussagen zu diesem
Konflikt unterstellen, daß es sich hier um zwei
gleichmächtige Konkurrenten handelt, aus denen
folgt, daß die Beschreibung der unterlegenen Rolle
der Palästinenser nur antisemitische Gedankengebilde
sein können: „Sowohl argumentativ als auch
grammatikalisch-lexikalisch unterscheiden sich die
kommunikativen Handlungen von Antisemitismus und
Anti-Israelismus nicht“ (S. 249) Aus dieser
Diffamierung folgt mit Notwendigkeit die
Absolutsetzung ihres eigenen Weltbildes als einzig
gültigem Denkgebäude. Die wissenschaftlich
aufgeblasene Rationalisierung tut ihr Übriges dazu,
da das eigene Weltbild als empirisches
Forschungsergebnis verkauft wird.
Aus dieser Asymmetrie folgt, wie die
Islamwissenschaftlerin Petra Wild schreibt: „ In
einem kolonialen Konflikt wie in jedem anderen
Konflikt, dem fundamentale Ungerechtigkeiten und
Unterdrückung zugrunde liegen, dient die Forderung
nach Ausgewogenheit nur dem Schutz des
Aggressors….Wenn überdies den Narrativen beider
Seiten die gleiche Berechtigung und der gleiche
Wahrheitsgehalt zugeschrieben werden, wird
Erkenntnis unmöglich. Ausgewogenheit ist das
Gegenteil von wissenschaftlicher Arbeit…“ ( Die
Krise des Zionismus und die Ein-Staat-Lösung. Die
Zukunft eines demokratischen Palästina, 2015, S.
11 ).
Bei dem Thema Selbstmordattentate von Palästinensern
wird ein weiteres Merkmal ihrer undifferenzierten
Denkstruktur evident. Offenbar bedingt durch ihr
obsessives Weltbild ist sie nicht einmal zu einer
elementaren und für einen Durchschnittsmenschen
durchaus möglichen Unterscheidung in der Lage,
nämlich dem Unterschied von Erklärung und
Rechtfertigung. So unterstellt sie dem Kommentar der
folgenden Verfasserin einen ostentativ inhaltlichen
Widerspruch dadurch, daß sie genau das tue, was sie
zuvor abgelehnt habe, worüber sie sich wundert, weil
es sich bei der Verfasserin um eine promovierte
Historikern handele. Die Verfasserin schreibt:
Ich bin weit davon entfernt, die
Selbstmordattentate zu rechtfertigen (….) Aber die
Selbstmordattentate sind die verzweifelte, teilweise
von religiösem Wahn geprägte Reaktion auf eine
jahrzehntelange israelische Politik der Vertreibung
und permanenten Demütigung der Palästinenser“
(S.293f). Wenn man hier den
offensichtlichen Unterschied von Rechtfertigung und
Erklärung nicht wahrnimmt, muß man der Verfasserin
freilich Selbstwidersprüchlichkeit der Aussage
unterstellen. Der Frevel der Verfasserin besteht für
Schwarz-Friesel natürlich im Aussprechen einer
unbestreitbaren und unangenehmen Wahrheit (siehe
dazu auch: Thorsten Gerald Schneiders:
Heute sprenge ich mich in die Luft. Suizidanschläge
im israelisch-palästinensischen Konflikt. Ein
wissenschaftlicher Beitrag zur Frage des Warum,
Berlin 2013).
Aus der historisch langen Verfolgungsgeschichte der
Juden sowie deren extremste Zuspitzung im Holocaust
folgt für Schwarz-Friesel offensichtlich ein ewiger
Opferstatus der Juden. Daher kann die
Thematisierung Israels als Täter nichts anderes als
eine Täter-Opferumkehr bedeuten, die in ihren Augen
charakteristisch ist für antisemitische Haltungen.
Sie schöpft somit ihre Urteile keineswegs aus der
empirischen Analyse der Gegenwart, vielmehr sind sie
Resultat einer unzulässigen Generalisierung von
Vergangenheitserfahrungen in die Zukunft hinein.
Es schließt sich
der Kreis zur vollständigen Abdichtung der eigenen
Weltsicht
Israelkritiker, die den Vorwurf des Antisemitismus
von sich weisen, stellen für sie „lediglich“
kommunikative Ablenkungsmanöver dar, die dem Schutz
vor Sanktionen und Gesichtsverlust sowie der
Selbstlegitimierung dienen. Aufschlußreich ist hier
der Terminus „ Schutz vor Sanktionen“,
da es doch in ihren Augen gar kein Kritiktabu gibt.
Und der Ausdruck „lediglich“ stellt eine Form
der Übergeneralisierung dar, eine argumentative
Strategie, die sie symptomatisch für antisemitische
Einstellungen hält. Auf diese Weise schließt sich
der Kreis zur vollständigen Abdichtung der eigenen
Weltsicht.
Der israelische Soziologe und Historiker Moshe
Zuckermann beschreibt treffend die Natur dieses
Konflikts: „ Denn wenn man den blutigen
israelisch-palästinensischen Konflikt als einen
Territorialkonflikt begreift, ist vollkommen klar,
wie die Herrschaftsverhältnisse angelegt sind,
mithin, wer die Herrschaft darüber ausübt, worum es
in diesem Konflikt geht: um Territorien…. Israel
kontrolliert somit die materielle Voraussetzung für
die Ankurbelung eines jeglichen Prozesses der
friedlichen Konfliktlösung mit den Palästinensern“
( Die Ideologisierung des Antisemitismusvorwurfs.
Anmerkungen zur Anatomie eines moralischen Defizits,
in: Palästina – Vertreibung, Krieg und Besatzung-
Wie der Konflikt die Demokratie untergräbt,
2017, S. 220).
Die
von Zuckermann genannten Grundkoordinaten des
Konflikts zugrundegelegt, wirft er der Praxis einer
entstellten Antisemitismusbekämpfung Verrat vor: „ „Insofern
sie sich emanzipatorisch wähnt, wird das
Emanzipatorische, um welches es zu gehen hätte,
hintergangen. Denn wenn Israelkritiker als
Antisemiten apostrophiert werden, wird ein Israel in
Schutz genommen, das die systematische Unterdrückung
eines anderes Volkes betreibt, eine Unterdrückung,
die Israel zum Täter werden läßt - ….Wer das nicht
sieht, …..begeht Verrat an den Opfern Israels, und
insofern er den Oppressor Israel im Namen der
historischen Opfer des Nazismus in Schutz nimmt,
begeht er Verrat an den historischen Opfern“
(a.a.O., S.219).
Und:“ Wer aber den ideologisierten
Antisemitismus-Vorwurf gegen jene erhebt, die diese
Grundkoordinaten erfaßt haben…. begeht einen
moralischen Frevel – nicht nur, weil er politische
Gegner ad hominem besudelt…. sondern vor allem, weil
er mit dem, was nach Auschwitz zur Matrix jeglicher
emanzipativer Ausrichtung avanciert ist – der
universell eingestellten Bekämpfung des
Antisemitismus – eine Realität zu rechtfertigen und
ideologisch zu unterstützen trachtet, die dem
genuinen Andenken an das, was Auschwitz anmahnt….den
Antisemitismus im weitesten Sinne ausmerzen zu
wollen, diametral entgegensteht“. Und wie auf
Schwarz-Friesel gemünzt, heißt es weiter: „ Wer
sich mit Opfern im Stande ihres Opferseins nicht zu
solidarisieren vermag, sollte das Wort
Antisemitismus tunlichst gar nicht erst in den Mund
nehmen.“ (a.a.O., S. 222)
Zwei
generelle Überlegungen sollen zu Schwarz-Friesels
Art des Umgangs mit den von ihr analysierten
Zuschriften vorgenommen werden. Es trifft durchaus
zu, daß israelkritische Zuschriften auch in
Kombination mit antisemitischen Gehalten auftreten.
Eine genaue Textanalyse müßte aber diese beiden
Sachverhalte voneinander trennen können, denn auch
Menschen mit antisemitischen Einstellungen sind zur
partiellen Realitätseinsicht in der Lage d.h. nicht
alle inhaltlichen Aussagen können daher unter das
Etikett des Antisemitismus subsumiert werden. Aber
genau dieser Verzicht auf Differenzierung ist das
grundlegende Analysemerkmal von Schwarz-Friesel: der
antisemitische Anteil in den Zuschriften ist für sie
Beleg dafür, daß auch die israelkritischen Anteile
selbst antisemitischer Natur sein müssen.
Generalisierung ist somit das entscheidende
Analysemittel bei Zuschriften mit Bezug auf den
Nahostkonflikt. Man hat daher mitunter den Eindruck,
daß ihr die tatsächlichen antisemitischen Anteile
durchaus willkommen sind.
Ebenso kritikwürdig ist eine Vorgehensweise, die
sich dadurch auszeichnet, daß die zitierten Auszüge
meist kurz bis ganz kurz ausfallen und damit für den
Leser nicht ersichtlich ist, wie die jeweiligen
Aussagen wohl zu werten sind, da die sensible Natur
dieses Themas nur zu bewältigen ist, wenn die die
zitierten Aussagen im Kontext der Gesamtaussage
stehen. In Ermangelung dieser Möglichkeit sind die
Leser ganz auf das fragwürdige, interpretatorische
Agieren durch Schwarz-Friesel angewiesen.
Egomanische
Forschungspraxis, die sich im Kreise dreht
Angesichts dieser merkwürdig egomanischen
Forschungspraxis bleibt es nicht aus, daß sie auch
von Medien kritisch betrachtet wird wie z.B. in der
FAZ (Antisemitismus ohne Grauzonen. Die Berliner
Studie zum Antisemitismus im Netz leistet Großes.
Bei der Unterscheidung von Judenhass und legitimer
Israelkritik verrennt sie sich im Positivismus,
25.7.18). Auch hier wird nicht nur die mangelnde
Unterscheidungsfähigkeit beklagt, sondern ebenso die
leichtfertige Unterstellung, daß bereits die
Behauptung, daß die Kritik an der israelischen
Politik mit Tabus belegt sein könnte,
antisemitischer Natur sei. Selbst die Kritik am
subjektiven Charakter der Studie sei antisemitisch,
da eine klare Klassifikation immer möglich sei. Daß
dies nicht der Fall ist, habe ich aufgezeigt. Daß
aber bereits eine Kritik an der Studie selbst
antisemitisch sein soll, beweist das außergewöhnlich
hohe Ausmaß an Selbstimmunisierung gegen jede Kritik
mit der Folge, daß sie sich im Kreise dreht.
Den
Ausführungen sollte zu entnehmen sein, daß das
obsessiv proisraelische Weltbild von Schwarz
–Friesel sie unfähig macht, sinnvolle
Unterscheidungen von Israelkritik und Antisemitismus
zu treffen. Das obwaltende Weltbild führt dazu, auch
tatsächlich israelkritische Aussagen als
antisemitische bzw. antiisraelische Stereotype zu
verunglimpfen. Es ist genau genommen ein ausgeprägt
binär strukturiertes Gemälde, das jegliche
Differenzierung verunmöglicht und sie zu eindeutigen
Klassifizierungen geradezu zwingt. Es sind somit am
wenigsten wissenschaftliche, als vielmehr eindeutig
politische Kriterien, die sie Ihrer Analyse des
Phänomens „Antiisraelismus“ zugrundelegt und
damit ihre Forschungsergebnisse präformiert.
Wie
groß der Anteil der tatsächlich israelkritischen
Zuschriften ist, die unter antisemitische
Einstellungen subsumiert werden, ist somit leider
unbekannt.
Langzeitstudie „Antisemitismus 2.0 und die
Netzkultur des Hasses"
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