Labour Party schiebt
Palästina-Solidarität aufs Abstellgleis
3. Oktober 2018
Socialist Worker
kann offenbaren, was beim Treffen des nationalen
Exekutivausschusses der britischen Labour Party
(NEC) passierte, wo ein Rückzug in Bezug auf das
Recht der Verteidigung der Palästinenser geschah.
NEC-Quellen weißen auf die Rolle von
Gewerkschaftesführern und Momentum-Mitgliedern hin,
in der Entscheidung, sich auf eine Definition von
Antisemitismus zu einigen, die Kritik an Israel
einschränkt.
„Jeder wusste, dass die Definition der
Internationalen Holocaust Erinnerungsallianz (IHRA)
verabschiedet werden würde, aber wir wussten nicht,
ob es Vorbehalte geben würde.“, sagte eine Quelle
dem Socialist Worker. „Als die GMB, Unison, Unite
und Usdaw Union Mitglieder sagten, dass Labour die
Definition mit all den Beispielen zu akzeptieren
habe, nun, da waren die Würfel gefallen.“
„Ich habe die Gewerkschaftsvertreter im NEC
beobachtet. Erzählen Sie mir nicht, sie würden nicht
mit ihren Generalsekretären oder zumindest mit sehr
hohen Leuten der Gewerkschaft kommunizieren.
„Die Rechten haben es genossen. Es sah für mich so
aus, dass [der stellvertretende Vorsitzende] Tom
Watson sich gerade zurücklehnte und den Rückzug der
Linken genoss.
Eine andere Quelle sagt: „Es war ein Schock als
Jeremy mit seiner persönlichen Stellungnahme
hervortrat, in der er sagte, dass es legitim sei,
die Sachlage der Gründung Israels als rassistisch zu
bezeichnen, wegen ihrer diskriminierenden Wirkung.
„Manche NEC-Mitglieder haben Jeremy sofort
unterstützt, aber viele der Momentum-Unterstützer
nicht. Die Presse hat hervorgehoben, dass Rhea
Wolfson sich gegen Jeremy ausgesprochen hat, aber
sie war noch lange nicht die einziger
Momentum-Unterstützerin, die dies tat. >>>
'Offizielle' Definition von
Antisemitismus wird von Rechtsexperten mit einer
verächtlichen Geste abgetan
Stuart
Littlewood - 30.03.2017
Die Feinde der freien
Rede hatten eine gute Zeit ... bis zu dieser Woche.
Britische politische Parteien, Bildungseinrichtungen
und BDS-Gruppen wurden auf Grund einer erfundenen
Definition von Antisemitismus geprügelt, damit sie
zu Israels Verbrechen schweigen. Diese Definition
wurde von Regierung und Polizei sowie von
verschiedenen pro-israelischen Spitzeln, Handlangern
(Strohmännern) und Kriechern formell übernommen und
angewendet.
Ihre
Einschüchterungstaktiken haben jetzt Free Speech
on Israel, Independent Jewish Voices, Jews for
Justice for Palestinians und die Palestine
Solidarity Campaign entrüstet; sie haben
Top-Rechtsexperten um ihre Meinung zu dieser üblen
Farce gefragt.
Die eigentliche
Ursache war eine außergewöhnlich dumme, rechtlich
nicht bindende Arbeitsdefinition von Antisemitismus,
die von der International Holocaust Remembrance
Alliance (IHRA) wie folgt herausgegeben
worden ist:
Antisemitismus ist
eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, der sich als
Hass Juden gegenüber äußern kann. Rhetorische und
physische Äußerungen von Antisemitimus sind gegen
einzelne Juden oder Nicht-Juden und/oder ihr
Eigentum, gegen Institutionen der jüdischen Gemeinde
oder religiöse Einrichtungen gerichtet.
Der Sonderausschuss
für innenpolitische Angelegenheiten des Unterhauses
akzeptierte die Definition von IHRA, allerdings mit
zwei Vorbehalten:
. Es ist nicht
antisemitisch die israelische Regierung zu
kritisieren, wenn es keine zusätzlichen
Anhaltspunkte gibt, die für eine antisemitische
Intention sprechen.
. Es ist nicht
antisemitisch, an die israelische Regierung
dieselben Standards anzulegen wie an andere liberale
Demokratien oder sich speziell für die Politik und
die Aktionen der israelischen Regierung zu
interessieren, wenn es keine zusätzlichen
Anhaltspunkte gibt, die für eine antisemitische
Intention sprechen.
Der Sonderausschuss
empfahl "die formale Übernahme dieser verbesserten
Definition durch die britische Regierung, durch
Strafverfolgungsbehörden und alle politischen
Parteien, als Hilfe bei der Feststellung, ob ein
Zwischenfall oder ein Vortrag/Diskussion als
antisemitisch betrachtet werden kann oder nicht".
Definition "zu
vage, um hilfreich zu sein" -
Hugh Tomlinson, ein
herausragender Menschenrechtsanwalt, hat die
Definition scharf kritisiert.
Erstens war es keine
rechtlich bindende Definition und hatte nicht die
Kraft einer gesetzlichen Definition. Auch kann sie
nicht als eine juristische Definition von
Antisemitismus gelten, da ihr Klarheit fehlt. Daher
kann nicht jedes Verhalten, das der IHRA-Definition
entspricht, als rechtswidrig erklärt werden.
Zweitens war ihre
Sprache viel zu vage, um ein hilfreiches Instrument
zu sein; es war für die Regierung sehr
unbefriedigend eine Definition zu übernehmen, der
Klarheit und Vollständigkeit fehlen. Aus Tomlinsons
Sicht war die Regierungsentscheidung die
IHRA-Definition zu übernehmen, einfach eine
freistehende Grundsatzerklärung – ein bloßer
Vorschlag für eine Definition von Antisemitismus,
die öffentliche Stellen möglicherweise gerne nützen
würden. Keine öffentliche Stelle wäre verpflichtet,
sie zu übernehmen oder zu benützen bzw. sollte sie
wegen ihrem unbefriedigendem Charakter
zurückgewiesen werden.
Er mahnte, wenn eine
öffentliche Stelle sich entschieden hat die
Definition zu übernehmen, dann muss sie sie so
interpretieren, dass sie mit den gesetzlichen
Verpflichtungen vereinbar ist. Insbesondere können
sich öffentliche Stellen nicht auf eine Art
verhalten, die nicht mit der Europäischen
Menschenrechtskonvention vereinbar ist, die die
Freiheit der Meinungsäußerung und die
Versammlungsfreiheit bestimmt.
Freiheit der
Meinungsäußerung gilt nicht nur für Information oder
Ideen, die als positiv wahrgenommen oder als harmlos
betrachtet werden, sondern auch für die, die "den
Staat oder einen Teil der Bevölkerung verletzen,
schockieren oder beunruhigen". Außer natürlich, sie
laufen auf einen Aufruf zu Gewalt oder eine
Rechtfertigung von Gewalt, Hass oder Intoleranz
hinaus.
Eine weitere Pflicht
öffentlicher Stellen ist es, "förderliche
Bedingungen für die Teilnahme an öffentlichen
Debatten für alle Beteiligten zu schaffen, die ihnen
erlauben, ihre Meinungen und Ideen ohne Angst zu
äußern, sogar wenn diese Meinungen und Ideen im
Gegensatz zu denen stehen, die die offiziellen
Stellen oder ein großer Teil der öffentlichen
Meinung vertreten, oder sogar wenn diese Meinungen
und Ideen die Öffentlichkeit irritieren oder
verletzen".
Demnach bedeutet nach Tomlinsons Meinung die
IHRA-Definition nicht, dass es regelrecht als
antisemitisch bezeichnet werden kann, wenn Israel
ein Apartheid-Staat genannt wird, der
Siedlerkolonialismus praktiziert, oder wenn Boykott,
Desinvestition und Sanktionen (BDS) gegen Israel
befürwortet wird.
Darüber hinaus würde
eine öffentliche Stelle, die versucht, die
IHRA-Definition anzuwenden, um solche Aktivitäten zu
verbieten oder zu bestrafen "rechtswidrig handeln".
Die 'naive Haltung'
der Regierung -
Der Berufungsrichter
Sir Stephen Sedley schaltete sich mit einer
Ermahnung ein, indem er die IHRA-Arbeitsdefinition
wegen ihrer fehlenden Rechtskraft scharf
kritisierte: "Dabei ist sie nicht neutral: sie kann
sowohl die Innen- wie die internationale Politik
beeinflussen."
Er fügte hinzu, dass
das Recht auf freie Meinungsäußerung, das heute Teil
unseres innerstaatlichen Rechts kraft seines Human
Rights Acts ist, "dem Staat positive und negative
Pflichten auferlegt, die gefährdet sein können, wenn
man der IHRA-Definition gedankenlos folgt". Außerdem
hat der Education Act von 1986 ein individuelles
Recht auf freie Meiungsäußerung in allen höheren
Bildungseinrichtungen etabliert, "das nicht durch
Richtlinien der Regierung zurückgenommen werden
kann".
Laut Sedley ist die
IHRA-Definition offen für Manipulation. Aus seiner
Sicht "ist jetzt ein an hohen Grundsätzen
orientierter Rückzug seitens der Regierung von einer
Haltung nötig, die sie naiverweise in Nichtachtung
des weisen Ratschlags des Sonderausschusses für
innenpolitische Angelegenheiten übernommen hat".
Viele Einwände gegen diese "offizielle" Definition
von Antisemitismus und die Art, wie sie angewendet
wird, werden von Artikel 10 der Europäischen
Menschenrechtskonvention untermauert, der sagt:
- Jeder Mensch hat das
Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht
schließt die Freiheit ein, ungehindert von
staatlicher Gewalt und über Landesgrenzen hinweg
Meinungen anzuhängen und Informationen zu empfangen
und weiterzugeben.
- Die Ausübung dieser
Freiheiten mag, da sie Pflichten und
Verantwortlichkeiten mit sich bringt, solchen
Formalitäten, Bedingungen Beschränkungen und
Sanktionen unterliegen, wie sie per Gesetz
vorgeschrieben und in einer demokratischen
Gesellschaft nötig sind im Interesse nationaler
Sicherheit, territorialer Integrität oder
öffentlicher Sicherheit, zum Schutz vor Störungen
und Verbrechen, zum Schutz von Gesundheit und
Sittlichkeit, zum Schutz der Reputation oder der
Rechte anderer, zur Verhinderung der Weitergabe von
vertraulich erhaltenen Informationen, oder zur
Erhaltung der Autorität und Unparteilichkeit der
Justiz.
Auch Artikel 19 der
Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verleiht
jedem Menschen "das Recht auf freie Meinung und
Äußerung; dieses Recht schließt die Freiheit
ein, Meinungen ungehindert anzuhängen und
Informationen und Ideen über alle Medien und ohne
Rücksicht auf Ländergrenzen zu suchen, zu empfangen
und weiterzugeben". Alle diese Rechte sind natürlich
den üblichen Beschränkungen unterworfen, die das
Gesetz und der Respekt für die Rechte der anderen
verlangt.
Versuch den
UN-Report über israelische Apartheid zu begraben -
Vielleicht werden
jetzt Vizerektoren von Universitäten und
Parteivorsitzende das Rückgrat finden, um dem
Wutgeschrei und der Einschüchterung der
pro-israelischen Lobby zu widerstehen, insbesondere
nachdem die Wirtschafts- und Sozialkommission der
Vereinten Nationen für Westasien (ESCWA) einen
Report verfasst hat (15. März), in dem sie das, was
die meisten von uns seit vielen Jahren wissen,
ermittelt und nachweist: dass Israel ein durch und
durch übles Apartheid-Regime ist.
Der Report war von
Richard Falk geschrieben, Professor für
internationales Recht und Emeritus an der Princetown
Universität sowie ehemaliger
UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte für die
palästinensischen Gebiete, sowie von Virginia Tilley,
Professorin für Politikwissenschaften an der
Southern Illinois Universität. Er stellte "auf der
Basis wissenschaftlicher Untersuchung und
erdrückender Beweise" fest, "dass Israel des
Verbrechens der Apartheid schuldig ist". Das hat den
Wirbel ausgelöst, der dazu geführt hat, dass der
Report von der Webseite entfernt wurde.
Aber keine Sorge,
Sie können ihn hier in voller Länge lesen. Wenn
Sie wenig Zeit haben, springen Sie zu den
Schlussfolgerungen (Seite 52), wozu Folgendes
gehört:
Die Autoren bitten die
Vereinten Nationen aus zwei Gründen dringend, aus
diesen Ergebnissen Folgerungen zu ziehen, indem sie
ihren internationalen Verpflichtungen bezüglich des
internationalen Rechts (Völkerrechts) und der Rechte
des palästinensischen Volkes als einer dringende
Angelegenheit nachkommen.
Erstens: die im Report
angesprochene Situation ist eine anhaltende... Im
Fall von Israel-Palästina verschlimmert jede
Verzögerung das Verbrechen, indem die Unterwerfung
der Palästinenser unter die aktive Ausübung der
Apartheid durch Israel verlängert wird. Rasches
Handeln ist demnach unbedingt erforderlich, um
weiteres menschliches Leiden abzuwenden und ein
Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu beenden, das
derzeit begangen wird.
Zweitens: die Schwere
der Beschuldigung erfordert ein rasches Handeln.
Seit den 1970er Jahren, als die internationale
Kampagne gegen die Apartheid in Südafrika an
Durchschlagskraft gewann, gilt Apartheid in den
Jahresberichten der Vereinten Nationen und der
Meinung der Welt als in der Verbrechenshierachie an
zweiter Stelle nach dem Genozid.
Dieser Report
empfiehlt demzufolge, dass die internationale
Gemeinschaft unverzüglich handelt und nicht auf eine
formalere Erklärung bezüglich der Schuld des Staates
Israel, seiner Regierung und seiner Behörden wegen
der Begehung des Verbrechens der Apartheid wartet.
Die Autoren dieses
Reports folgern, dass das Gewicht der Beweise über
jeden vernünftigen Zweifel erhaben die Feststellung
stützt, dass Israel schuldig ist, dem
palästinensischen Volk ein Apartheid-Regime
aufzubürden. Das Verbot der Apartheid gilt im
internationalen Gewohnheitsrecht als 'Jus cogens'
(zwingende Rechtsnorm, Ü.).
Staaten haben die eigene
und kollektive Pflicht
a) ein Apartheid-Regime
nicht als rechtmäßig zulässig anzuerkennen;
b)
einen Staat bei der Aufrechterhaltung eines
Apartheid-Regimes nicht zu unterstützen; und
c) mit
den Vereinten Nationen und anderen Staaten
zusammenzuarbeiten, um Apartheid-Regime zu beenden
(Hervorhebung durch den Autor des Artikels). Ein
Staat, der diesen Pflichten nicht nachkommt, kann
selbst rechtlich zur Verantwortung gezogen werden
für die Beteiligung an schuldhaftem Handeln, das die
Aufrechterhaltung eines Apartheid-Regimes zur Folge
hat.
[...] Wie viele von
Ihnen wissen, ist Richard Falk selbst Jude.
Quelle
Übersetzung: K.
Nebauer
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