Israels
große Propagandainszenierung
Die Kaperung des Frachters mit den Raketen im
Roten Meer wirft viele Fragen auf
Arn Strohmeyer
Die
deutschen Mainstream-Medien sind sich weitgehend einig:
Das ist wieder so ein Schurkenstück der Mullahs, die
Israel vernichten wollen: Das Schiff mit den Raketen
unter den Zementsäcken, das die israelische Marine im
Roten Meer abgefangen und das sie inzwischen in den
Hafen von Eilat geschleppt hat. Die Propagandakampagne
um das Schiff und seine Ladung wird weitergehen – noch
viele Tage und Wochen. Israels Regierungschef Netanjahu,
der den Iran selbst so gern angreifen würde, das aber
vermutlich auf amerikanisches Geheiß hin nicht darf,
meint nun endlich einen Vorwand in der Hand zu haben, um
die erfolgversprechenden Verhandlungen mit dem Iran über
dessen Atomprogramm stören zu können. Israel passt die
ganze Richtung nicht, die der Westen im Augenblick
gegenüber dem Mullah-Regime eingeschlagen hat. Deshalb
sieht Israels Aktion nach einer großen
propagandistischen Selbstinszenierung aus.
Dabei
wirft die Kaperung des Schiffes Fragen auf, die im
deutschen Blätterwald keine Erwähnung finden aber
unbedingt einer Antwort bedürfen: Der Überfall auf das
Schiff in internationalen Gewässern war erstens ein
eindeutiger Piratenakt. Niemand hat Israel das Recht
verliehen, dort Schiffe zu kontrollieren und
abzuschleppen, wenn ihm dessen Ladung nicht passt. Der
Fall erinnert an die türkische „Mavi Marmara“, die auf
dem Weg nach Gaza auch in internationalen Gewässern von
der israelischen Marine gekapert worden ist und die
Völkerrechtler auf den Plan rief.
Zweitens
muss Israel erklären, wie die Raketen – selbst wenn sie
für die Hamas bestimmt waren – in den Gazastreifen
gelangen sollten. Denn das Gebiet ist von Israel zu
Land, zu Wasser und in der Luft hermetisch abgeriegelt.
Und im Westen besorgt das Ägypten, das seine Grenze zum
Gazastreifen auch völlig dicht gemacht hat. Das neue
dort herrschende Militärregime wirft der Hamas
„terroristische Aktivitäten“ auf der Sinai-Halbinsel vor
(die die Hamas bestreitet) und betrachtet sie deshalb
als Todfeind. Von dort kann also auch keine Hilfe
kommen, die Raketen – selbst in Teile zerlegt – durch
Tunnel nach Gaza zu schaffen. Außerdem ist es kein
Geheimnis, dass die Militärs und die Geheimdienste
Israels und Ägyptens auf das engste zusammen arbeiten.
Wie also sollten die Raketen, die eine beträchtliche
Größe haben, an ihren Zielort gelangen? Das wüsste man
gern.
Und
schließlich: Wenn der viertgrößte Exporteur von Waffen
und Rüstungsprodukten (mit einem jährlich Umsatz von
über 10 Milliarden Dollar) sich darüber aufregt, dass
andere dasselbe tun, ist das – gelinde gesagt – schon
ziemlich paradox. Solange Israels Staatsdoktrin in
unerbittlicher Feindschaft und Aggression gegenüber
seinen Nachbarn, in ethnischer Säuberung, Expansion auf
fremdes Land und Unterdrückung der Palästinenser beruht,
darf es sich nicht wundern, wenn die Nachbarn Israels
sich auch militärisch wappnen. Auch die haben ein
Sicherheitsbedürfnis. Was würde wohl passieren, wenn die
Iraner einmal ein israelisches Schiff – beladen mit
Rüstungsgütern – in internationalen Gewässern abfangen
würden?
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