Getreu der
zionistischen Weltanschauung
Israels brutales
Vorgehen im Gazastreifen folgt genau den Kernaussagen der
zionistischen Ideologie
Arn
Strohmeyer -
27.03.2024
Die extrem
brutale zionistische Gewalt, die Israel im Gazastreifen ausübt,
wird nun sogar von Regierungen kritisiert, die sonst eigentlich
loyal hinter Israel stehen. Die israelische Armee hat inzwischen
bei ihrem Vorgehen nicht nur eine, sondern alle nur denkbaren
roten Linien bezüglich Gewaltausübung überschritten. Die
UN-Sonderberichterstatterin für die palästinensischen Gebiete,
Francesca Albanese, hat das jetzt bestätigt, sie sieht
„vernünftige Gründe für einen Völkermord im Gazastreifen“. Das
israelische Vorgehen zeige regelrechte Muster der Gewalt.
Militär und Regierung verstießen bewusst gegen das Kriegsrecht
in dem Versuch, die völkermörderische Gewalt gegen das
palästinensische Volk zu legitimieren. Israel reagierte mit
Empörung auf diese Anklage und bestritt natürlich die Vorwürfe.
Seltsamerweise wird in der medialen Kommentierung des
vernichtende Gewaltgeschehens im Gazastreifen nie gefragt, warum
Israels so unerbittlich und grausam vorgeht. Dabei ist die
Antwort sehr einfach: Israel setzt in diesem neuen Krieg wie
schon in vielen vorherigen die Ziele seiner Staatsideologie –
des Zionismus – konsequent und blutig in die Tat um.
Der
israelische Historiker Ilan Pappe hat schon vor Jahren in seinem
Buch Was ist los mit Israel? Die zehn Hauptmythen des
Zionismus (in Deutschland 2016 erschienen) die stufenweise
durchgeführte gewaltsame Vorgehensweise gegen den Gazastreifen,
die Israel auch jetzt wieder angewandt hat, beschrieben: „Vom
‚Ersten Regen‘ bis zu den ‚Herbstwolken‘ [Bezeichnungen früherer
Angriffe auf den Gazastreifen] kann man in jedem Parameter eine
Eskalation beobachten. In einem ersten Parameter finden wir das
Verschwinden der Unterscheidung zwischen ‚zivilen‘ und
‚nicht-zivilen‘ Zielen: Das sinnlose Töten hat die Bevölkerung
als Ganzes zum Hauptziel der Operationen der israelischen Armee
gemacht.
Der zweite
Parameter zeigt eine Eskalation der Mittel: den Einsatz
sämtlicher Tötungsmaschinen im Besitz der israelischen Armee.
Drittens sticht die Eskalation im Hinblick auf die Anzahl der
Opfer hervor: Zumeist wurde mit jeder neuen Operation eine noch
höhere Zahl von Menschen getötet oder verwundet. Und
schließlich, und das ist der wichtigste Punkt, verwandelten sich
die Operationen in eine Strategie – eine Strategie, die zeigte,
wie Israel das Problem des Gazastreifens zu lösen gedenkt,
nämlich durch eine sorgfältig dosierte Politik des
Völkermordes.“
Das Ergebnis
von Israels früheren Kriegen im Gazastreifen hat der Bericht des
UN News Centers am 1. September 2015 so zusammengefasst: „Drei
israelische Militäroperationen in den letzten sechs Jahren und
acht Jahre wirtschaftliche Blockade haben die bereits
verkrüppelte Infrastruktur des Gazastreifens verwüstet, seine
Produktionsbasis zerstört, keine Zeit für sinnvollen
Wiederaufbau oder ökonomische Erholung gelassen und die
palästinensische Bevölkerung im Gazastreifen zu Bettlern
gemacht, deren wirtschaftliche Situation heute schlechter ist
als noch vor zwanzig Jahren.“
Die
deutsch-israelische Historikerin Tamar Amar-Dahl hat ein Buch
über die zionistische Ideologie verfasst (Das zionistische
Israel. Jüdischer Nationalismus und die Geschichte des
Nahostkonflikts). Aus ihren Angaben erklärt sich der
weltanschauliche Hintergrund der israelischen Kriegsführung im
Gazastreifen sehr gut. Ein Kernelement dieser Ideologie ist die
tiefe Verachtung der Palästinenser. Sie sind die „Anderen“, die
es zu verdrängen oder zu vertreiben gilt. Sowohl physisch (…)
als auch aus dem Bewusstsein. Die Palästinenser stellen die „out-group“
der zionistischen Utopie dar, da sie auf dem den Juden in der
Thora (Alte Testament) verheißenen Land leben.
Der frühere
israelische Spitzenpolitiker Shimon Peres betrachtete die Araber
bzw. die Palästinenser aus einer eindeutig rassistischen
Perspektive als „böswillig, unterlegen, nicht kompromisswillig;
sie neigten dazu, die Wahrheit zu verdrehen und zu hetzen. Sie
seien primitiv und um ihre Würde bemüht, aggressiv, ungebildet
und sozial rückständig.“
Der erste
israelische Ministerpräsident Ben Gurion teilte dieses bipolare
Weltbild. Die menschliche Gattung bestand für ihn aus „Guten,
Starken und Zivilisierten“ auf der einen Seite und den
Zurückgebliebenen und Schwachen auf der anderen Seite. Zu
letzteren gehören natürlich die Palästinenser. Aus dieser Sicht
leiten die Zionisten auch ihren Anspruch auf die Vorherrschaft
und Dominanz in der nahöstlichen Region ab. Sie soll durch eine
geopolitische „Umstrukturierung“ erreicht werden – also mit
militärischen Mitteln.
Aus der
Verachtung der Palästinenser als primitiv und rückständig folgt
automatisch, dass sie kein ebenbürtiger und gleichberechtigter
Partner für Verhandlungen oder einen Friedensvertrag sind.
Deshalb sind Verhandlungen mit ihnen nur sehr bedingt möglich.
Wörtlich schreibt die Autorin: „Israels Verständnis des
zionistischen Projekts als jüdischer Staat für das jüdische Volk
im Land der Juden bedeutet angesichts der existierenden
binationalen Verhältnisse unweigerlich die Errichtung einer
systemimmanenten Gewaltordnung.“ Diese existiert als Besatzung
seit der Gründung des Staates 1948 – bis 1966 über die nach der
Nakba im Land gebliebenen Palästinenser, seit dem Krieg 1967
über die Palästinenser in den besetzten Gebieten.
Aus der
totalen Verachtung der Palästinenser ergeben sich weitere
Schlussfolgerungen: Erstens: Der Zionismus versteht den Konflikt
mit den Palästinensern als gegeben und unveränderlich. Damit
wird er letztlich entpolitisiert, das heißt, die Ursachen des
Konflikts werden nicht in der eigenen Politik, den Kriegen, der
Eroberung, Besatzung, Unterdrückung, Siedlungs- und
Bevölkerungspolitik, sondern nur in der „umfassenden
Feindseligkeit“ und in der „Mentalität der Anderen [der
Palästinenser] bzw. der Araber gesehen. Mit anderen Worten:
Israel bestreitet, mit den Ursachen des Konflikts irgendetwas zu
tun zu haben. Für den Konflikt sind allein die „Anderen“
verantwortlich.
Zweitens: Das
Recht auf Gewalt wird aus dem Holocaust und auch aus dem
„Unabhängigkeitskrieg“ von 1948 abgeleiteten Glauben
gerechtfertigt, dass es sich bei der Feindschaft mit den
Palästinensern um die Fortsetzung der aus dem Judenhass
hervorgegangenen Leid- und Verfolgungsgeschichte des jüdischen
Volkes in Europa handelt. Die Palästinenser sind für die
Zionisten die „neuen Nazis“. So wurde Jassir Arafat zum Beispiel
immer als der neue Hitler angesehen – eine psychische
Übertragung , die die siedlerkolonialistische Realität als
Ursache des Konflikts in Israel/Palästina völlig leugnet.
Drittens: Der
Sicherheit des Staates wird alles Andere untergeordnet.
Sicherheit ist das Kennzeichen der israelischen
Gesellschaftsordnung und einer ihrer unantastbaren
Glaubenssätze. Sicherheit ist die absolute Grundvoraussetzung
für die nationalstaatliche Existenz. Der Krieg ist deshalb
positiv konnotiert, weil er die Nationalstaatlichkeit sichert.
Die Autorin schreibt: „Das israelische Kollektiv ist sowohl
institutionell (Politik, Militär, Gesellschaft, Wirtschaft,
Industrie und Rechtssystem) als auch mental bzw. politisch
kulturell auf Krieg fixiert. Der Krieg ist in zionistischer
Sicht integraler Bestandteil der nahöstlichen Realität.“
Aus dem
Sicherheitsargument leiten die Zionisten ihr Recht auf
„aktivistische Verteidigung“, ,,Präventivkrieg“, „Vergeltung“,
„Selbstverteidigung“ und „Abschreckung“ ab. Frieden kann es für
den Zionismus nur geben, wenn Israel sich Respekt verschafft,
indem es die arabischen Staaten und auch die Palästinenser von
seiner Stärke und Unbesiegbarkeit überzeugt, wozu natürlich eine
überlegene Armee und Waffentechnik gehören. (Ariel Sharon hat
einmal gesagt: „Sie – die Araber – müssen Angst vor uns haben.“
Das ist das israelische Verständnis von Abschreckung.) Daraus
ergibt sich auch das zionistische Verständnis von Frieden. Er
ist nur möglich, wenn Israel die Kontrolle über die
Palästinenser behält, weil sie einem wirklichen Frieden mit
Israel in ihrer Rückständigkeit nicht gewachsen sind. Immer
wieder betonen die Zionisten deshalb, dass es für sie keinen
Gesprächspartner für Frieden gebe. Letzten Endes sei Frieden nur
dann möglich und erreichbar, wenn man sich der Palästinenser
entledige.
Gewalt gegen
die Gojim [Nicht-Juden], wie ungezügelt auch immer, wird als
legitim angesehen. Der Konflikt mit den arabischen Nachbarn und
den Palästinensern wird als eine gegebene, unveränderliche
Tatsache angesehen, wie die ablehnende Haltung der neuen Gojim
gegenüber den „Juden“ als jenseits von historischen
Entwicklungen aufgefasst wird. Da der Konflikt mit den
Palästinensern einzig aus der „umfassenden Feindseligkeit“ der
„neuen Gojim“ herrührt, also in der Gewalt der „Anderen“ seine
Ursache hat, ist er unlösbar.
Das schließt
einen Friedensschluss mit den Palästinensern aus. Einen Frieden
mit ihnen kann es auch deshalb nicht geben, weil dadurch der
wichtigste zionistische Gründungsmythos außer Kraft gesetzt
würde. Denn Eretz Israel [Groß Israel] wird als das
ausschließliche Land des jüdischen Volkes angesehen, deshalb
kann Israel das Selbstbestimmungsrecht der auf diesem
Territorium lebenden Palästinenser nicht anerkennen. (Genau das
steht auch im israelischen Nationalstaatsgesetz von 2019: Nur
Juden üben auf diesem Territorium das Selbstbestimmungsrecht
aus.) Das ist auch der Grund, warum Israel die Gründung eines
palästinensischen Staates ablehnt.
Da die
zionistische Ideologie in so gut wie allen Aussagen gegen das
Völkerrecht und die Menschenrechte verstößt, stellt sich die
Frage, wie die Zionisten ihre Weltanschauung moralisch
begründen. Darauf geben sie eine klare Antwort: Der Zionismus
müsse gegen den Strom agieren und gegen den Willen der Mehrheit
bzw. gegen den Gang der Geschichte seine Ziele erreichen. Er
unterliege daher „anderen Maßstäben als der „formalen
Moralität“. Mit anderen Worten: Der Zionismus hat seine eigenen
Gesetze, die nicht mit denen der übrigen Menschheit
übereinstimmen.
Welche Mittel
die Zionisten bei der Verfolgung ihrer Ziele anwenden, aber
welche Gefahren für sie daraus auch erwachsen, hat der
israelische Soziologe Baruch Kimmerling an der Politik Ariel
Sharons sehr anschaulich aufgezeigt, seine Aussage gilt aber
auch für den Zionismus ganz allgemein. Er hat für die
israelische Politik den Begriff Politizid geprägt und
definiert ihn so: „Mit Politizid meine ich einen Prozess, an
dessen Ziel das Ende der Existenz des palästinensischen Volkes
als soziale, politische und wirtschaftliche Größe steht. Dieser
Prozess kann auch eine teilweise oder vollständige ethnische
Säuberung des ‚Landes Israel‘ beinhalten. Diese Politik wird das
Wesen der israelischen Gesellschaft unausweichlich zerstören und
die moralische Basis des jüdischen Staates im Nahen Osten
untergraben. So gesehen wird das Ergebnis ein doppelter
Politizid sein – das Ende der Palästinenser, aber auf lange
Sicht auch das Ende der jüdischen Gemeinschaft. Die wichtigsten
Werkzeuge dafür [für den Politizid an den Palästinensern] sind
Mord, lokal begrenzte Massaker, Eliminierung der Führung und der
intellektuellen Elite, die physische Vernichtung der
Infrastruktur und der Gebäude politischer Institutionen,
Kolonisierung, künstlich erzeugte Hungersnöte, soziale und
politische Isolation, Umerziehung und gebietsweise ethnische
Säuberungen.“ Kimmerling beschreibt hier also genau das, was
zurzeit im Gazastreifen stattfindet.
Kimmerling
zitiert auch ein Interview, das der israelische Generalstabschef
Moshe Yalon in einem Interview mit der Zeitung Haaratz
(30.08.2002) gab: „Yalon: ‚Die Merkmale der Bedrohung [durch die
Palästinenser] sind unsichtbar, wie beim Krebs. Wenn man von
außen angegriffen wird, kann man den Angreifer sehen, man ist
verletzt. Der Krebs hingegen ist etwas im Innern. Ich finde das
also eher beunruhigend, weil in diesem Fall die Diagnose
kritisch ist. (...) Ich behaupte, dass es sich hier um Krebs
handelt. (...) Meine fachkundige Diagnose lautet, dass es ein
Phänomen gibt, das eine existentielle Bedrohung darstellt.‘
Reporter: ‚Soll das heißen, dass das, was Sie nun als Stabschef
im Westjordanland und in Gaza unternehmen, eine Chemotherapie
ist?‘ Yalon: ‚Für Krebserkrankungen gibt es alle möglichen
Behandlungen. Manche sagen, man muss operieren. Aber im
Augenblick führe ich eine Chemotherapie durch, ja.‘“ Mit der
„Chemotherapie“ war der Krieg Israels gegen die palästinensische
Zivilbevölkerung 2002 gemeint, die Hunderten von Palästinensern
das Leben kostete. Kimmerling interpretiert die Aussage Yalons
so, dass sie direkt aus der NS-Zeitung Der Stürmer
stammen könne.
Offensichtlich führt Israel gerade im Gazastreifen auch eine
Chemotherapie durch.
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