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Von der Macht der Denunzianten oder
Gesinnungspolizisten in Aktion
Wie die BILD-Zeitung mit einer
Hetzkampagne gegen mein Buch „Wer rettet Israel?“ und dessen
Rezensenten Rudolf Bauer vorgeht
In
eigener Sache:
Arn Strohmeyer
Ein Verleumder und Denunziant
schreibt in übler Hetzmanier über ein Buch, das er gar nicht
gelesen hat und denunziert dabei noch den hoch angesehenen
Sozialwissenschaftler Professor Rudolph Bauer, der das Buch
rezensiert hat, in übelster Weise mit . Hätte der Denunziant
Jan Philipp Hein das Buch gelesen, dann wüsste er worum es
da geht. Ich habe in diesem Text das offizielle israelische
Narrativ, also die zionistische Darstellung der Entstehung
Israels und seiner weiteren Geschichte den
Forschungsergebnissen der sogenannten „neuen“ israelischen
Historiker gegenübergestellt. Diese Historiker und
Zeitzeugen haben viele der für sakrosankt gehaltenen
zionistischen Mythen gründlich zerstört. Ich nenne hier so
gewichtige Namen so renommierter israelischer Autoren wie
Simcha Flapan, Benny Morris, Israel Shahak, Tom Segev, Ilan
Pappe, Zeew Maoz, Shlomo Sand, Abraham Burg, Jeff Halper,
Moshe Zuckermann und Moshe Zimmermann sowie so promintente
jüdische Autoren wie John Rose, Noam Chomsky, Brian Klug,
Göran Rosenberg und Norman Finkelstein, um nur einige zu
nennen.
Warum die Zerstörung von
falschen Geschichtsdarstellungen – also Mythen und Legenden
– politisch so wichtig ist, hat der Israeli Simcha Flappan
so formuliert: „Es gilt, die propagandistischen
Denkstrukturen aufzulösen, die so lange verhindert haben,
dass in meinem Land die Kräfte des Friedens an Boden
gewinnen konnten. Die Aufgabe, die den Intellektuellen und
den Freunden beider Völker [Israelis und Palästinensern]
zufällt, besteht nicht darin, Ad-hoc-Lösungen anzubieten,
sondern die Ursachen des Konflikts in das Licht einer
aufklärenden Analyse zu tauchen, in der Hoffnung, dass man
es auf diese Weise schafft, die Verzerrungen und Lügen, die
mittlerweile zu sakrosankten Mythen geronnen sind, aus der
Welt zu schaffen.“ Und warnend fügt er hinzu: „Wenn die
Klischees und die falschen Mythen ihren Platz im Denken
behaupten, ist die Katastrophe unausweichlich.“ Das ist der
Leitsatz für mein Buch!
Ich habe mich darin so gut wie
ausschließlich auf israelische oder jüdische Quellen
gestützt. Das wird man ja wohl noch dürfen! Der Vorwurf des
„Israel-Hasses“ oder des „Antisemitismus“ ist deshalb
geradezu grotesk! Denn wenn diese sogenannten
„Israel-Freunde“ einfach nicht zur Kenntnis nehmen, weil es
ihnen ideologisch nicht in den Kram passt, dass das Judentum
kein weltanschaulich geschlossener, monolithischer Block
ist, sondern in seinem Urteil über die Politik Israels und
den Blick auf dessen Geschichte tief gespalten ist, dann ist
das deren Sache und nicht meine. Ich habe mich erdreistet,
mich auf die Seite der Juden zu stellen, die den Landraub
und die Besatzungspolitik nicht fortsetzen wollen, sondern
eine wirkliche Lösung des Konflikts und ein Ende der Gewalt
anstreben. Nirgendwo in meinem Buch habe ich das
Existenzrecht Israels bestritten (das ist auch gar nicht
meine Position), ich zitiere nur in diesem Zusammenhang den
britischen-jüdischen Philosophen Brian Klug, der schreibt,
dass es mit dem Existenzrecht eines Staates so eine Sache
ist, wenn dieser auch nach über sechzig Jahren Existenz
immer noch nicht die Grenzen seines Territoriums und sein
Staatsvolk definiert hat: ist Israel ein Staat
ausschließlich für Juden, also ein „jüdischer Staat“ oder
der „Staat für alle Juden in der Welt“ (Netanjahu) oder ein
Staat aller seiner Bürger, wie es in der israelischen
Unabhängigkeitserklärung von 1948 steht, die so etwas wie
die israelische Verfassung ist, denn Israel hat bisher aus
gutem Grund keine Verfassung.
Ich verurteile natürlich, wie es
so viele Israelis und Juden auf der Welt auch tun, Israels
brutale und gegen jedes internationale Recht verstoßende
Politik gegenüber den Palästinensern. Durch diese Politik
gefährdet sich Israel selbst am meisten in seiner Existenz.
Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: nur ein gerechter
Ausgleich mit den Palästinensern kann auch Israels Zukunft
sichern und vor dem Untergang retten– das und nichts anderes
habe ich in meinem Buch immer wieder betont. Für diese meine
Position befinde ich mich in prominenter Gesellschaft. Die
CIA unter ihrem damaligen Chef Leon Panetta (dem heutigen
US-Verteidigungsminister) hat eine Studie erarbeitet, die
lange geheim gehalten wurde und zu dem Ergebnis kommt: bei
Fortführung seiner gegenwärtigen Politik wird es Israel in
20 Jahren nicht mehr geben. Ganz ähnlich hat sich vor
wenigen Tagen der frühere amerikanische Außenminister Henry
Kissinger (ein Jude und großer Israelfreund) geäußert, er
gibt Israel nur noch„ zehn Jahre“. Der renommierte
israelische Historiker Gershom Gorenberg äußert sich in
seinem auch in Deutschland erschienen Buch „Israel schafft
sich ab“ (Campus-Verlag, Frankfurt/ Main) ganz ähnlich. Was
ist an dieser Diskussion antisemitisch? Sie ist von der
tiefen Sorge getragen, dass Israel durch seine
selbstmörderische Politik seine eigene Zukunft verspielt und
den ganzen Nahen Osten vielleicht mit in den Abgrund reißt.
Genau diese Befürchtung habe ich in meinem Buch auch
geäußert.
Es wäre ein großer politischer
intellektueller und politischer Gewinn, über diese Thesen,
Ängste und Gefahren öffentlich zu diskutieren. Aber genau
das wollen diese Leute gerade nicht. Was sie wollen, ist
klar: jede Diskussion über die Politik Israels abwürgen und
im Keim ersticken. Zu diesem Zweck wird dann immer der große
Vorschlaghammer des „Antisemitismus-Vorwurfs“ hervorgeholt.
Die Fakten über Israels Politik (und nur um die geht es!)
sollen nicht ans Licht kommen, Israel soll in der
öffentlichen Debatte das Opfer bleiben – koste es was wolle!
Ich möchte an dieser Stelle ein Zitat bringen, das
wiedergibt, wie ein Israeli, der Historiker und Philosoph
Moshe Zuckermann von der Universität Tel Aviv, über die
denunziatorischen Aktionen dieser sogenannten deutschen
Israelfreunde denkt: „Der Antisemitismus-Vorwurf ist
inzwischen selbst zum Fetisch geronnen, die Sachwalter des
Antisemitismus-Vorwurfs sich (nach alter deutscher
Tradition) wie scharfrichterliche Gesinnungspolizisten
gerieren, und der real grassierende Antisemitismus sich an
der Tendenz delektieren darf, dass alles, was sich
kontingent anbietet, so sehr dem Antisemitismus-Vorwurf
unterstellt wird, dass der wirklich zu bekämpfende
Antisemitismus sich hinter der Verwässerung des Begriffs und
seiner zunehmenden Entleerung verstecken kann.“
Und weiter: „Vor lauter
Antisemitismus-Jagd ist inzwischen jeder und jede im
deutschen öffentlichen wie halböffentlichen Raum tendenziell
dem drohenden Vorwurf ausgesetzt, manifest oder latent
antisemitisch zu sein, wobei die keulenartige Drohgebärde
inzwischen so drohmächtig geworden ist, dass viele in
eingeschüchtert-vorauseilender Unterwerfung die perfiden
Regeln des Katz-und Maus-Spiels verinnerlicht haben und
ihnen nichts dringlicher erscheint, als dem Vorwurf dessen,
was ihnen gar nicht in den Sinn gekommen war, entkommen zu
sollen. Das In-Abrede-Stellen des Vorgeworfenen nützt
nichts, wird mithin im günstigsten Fall belächelt, im
gängigeren aber als umso evidenterer Beweis für den
unbewussten Antisemitismus des sich des Vorwurfs Erwehrenden
gedeutet (und lauthals verkündet). Die Aura ahnungsvollen
Wissens um das, was dem ignoranten Beschuldigten verborgen
bleiben muss, umgibt jene, die sich schon mal in der
Bezeichnung ‚hauptamtliche Antisemitenjäger‘ gefallen, wobei
sie inzwischen – auch das hat deutsche Tradition- nicht nur
dezidiert zu bestimmen wissen, wer (annehmbarer) Jude,
sondern gleich auch, wer unweigerlicher Antisemit ist.“ (aus
dem Buch: „Antisemit!“ Ein Vorwurf als
Herrschaftsinstrument)
Zuckermanns Schlussfolgerung:
„Dass der Antisemitismus-Vorwurf zum ideologischen
Modeschmuck von deutschen ‚Linken‘ verkommen konnte, bezeugt
nicht nur das Elend der Linken in Deutschland, nicht nur die
Misere der Bekämpfung des realen Antisemitismus in diesem
Land, sondern auch die horrend-perfide ideologische
Verdinglichung von ‚Shoah‘, ‚Juden‘, ‚Israel‘ und
‚Zionismus‘. Ein Gespenst geht um in Deutschland – das
Gespenst regressiver Bewältigung der Vergangenheit.“
Es ist interessant, sich die
denunziatorische Arbeitsweise des Gesinnungspolizisten und
Antisemitenjägers Jan Philipp Hein zu vergegenwärtigen.
Rudolph Bauer ist ausführlich auf die Thesen meines Buches
und meine Kritik an Israels Politik gegenüber den
Palästinensern eingegangen. Er nennt auch die Autoren, auf
die ich mich beziehe. Darauf geht Hein mit keinem Wort ein,
sondern stürzt sich auf ein einziges Wort:
„Wannseekonferenz“. Bauer schreibt an dieser Stelle : „Die
These, dass Anti- und Philosemitismus die zwei Seiten einer
rassistischen Münze sind, wirft erschreckende Fragen auf:
Hat die Judophobie, der Judenhass, sich in unverdächtige
Freundschaftsgewänder gekleidet? Werden die
Wannsee-Beschlüsse [die die „Endlösung der Judenfrage“
betreffen] erst jetzt vollständig grausame Wirklichkeit,
indem sich das Handeln deutscher Politik ‚der besonderen
historischen Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit
Israels verpflichtet (Angela Merkel; zit. S. 236) - einer
Sicherheit wohlgemerkt, die allein auf Gewalt, Töten und
Waffen beruht und somit ohne lebbare Perspektive ist? Die
deutschen Waffenlieferungen und –schenkungen an Israel sowie
der heuchlerische Schulterschluss mit der israelischen
Aggressions- und Besatzungspolitik zeigen an, dass es der
Bundesregierung nicht um das friedliche Zusammenleben und
die Gestaltung einer humanen Zukunft geht, sondern um
Morden, Krieg und Vernichtung. Ein Regime aber, dass seine
Macht nur auf militärische Überlegenheit allein stützen
kann, droht an Waffen zu Grunde zu gehen: physisch oder
moralisch.“
Was Bauer hier meint, ist klar.
In seinen Sätzen stecken zwei Aussagen: 1. Israel betreibt
gegenüber den Palästinensern eine auf Gewalt und
Unterdrückung beruhende Politik, was bekannt ist, und 2.
dadurch, dass deutsche Regierungen (und ganz besonders die
Regierung Merkel) eine solche für Israel selbst auf Dauer
selbstmörderische Politik mit Waffenlieferungen unterstützt,
könnte Deutschland sich eines neuen Mordes an Juden schuldig
machen. Das ist ein harter und bitterer, aber berechtigter
Vorwurf gegen eine sehr kurzsichtige deutsche Politik, die
seiner Meinung dazu beiträgt, Israels Existenz zu gefährden.
Was ist an diesen sogar von Sorge getragenen Sätzen
antisemitisch? Bauer plädiert ganz eindeutig für eine
Politik der es um das „friedliche Zusammenleben und die
Gestaltung einer humanen Zukunft“ geht. Besser wäre es, will
er sagen, Deutschland und andere Staaten würden politischen
Druck auf Israel ausüben, damit es sich endlich in Richtung
Frieden bewegt.
Hein stellt überhaupt keinen
klaren Zusammenhang her, was er eigentlich konkret anklagen
will, allein bei der Nennung des Wortes „Wannseekonferenz“
sollen dem Leser die kalten Schauer über den Rücken laufen
und er soll nur noch denken: Bauer und Strohmeyer die
Antisemiten! Versteht er Bauers Ausführungen so, dass dieser
meinen könnte, die Israelis planten mit deutschen Waffen
einen Holocaust an den Palästinensern? Also Juden gleich
Nazis? Es bleibt im Vagen, er schreibt es nicht direkt, aber
das ist vermutlich die infame Unterstellung. Es soll nur
Stimmung gemacht werden. Was Bauer in Wirklichkeit schreibt,
wird wohlwissend verschwiegen. Perfider geht es nicht. Man
kennt diese Methode sehr wohl aus braunen Zeiten.
Dann fällt in dem Hetz-Artikel
noch ein furchtbares Wort: „Herrenmenschen“, das Bauer
benutzt hat. Natürlich ist das ein schwer belastetes Wort,
aber in einem Besatzungssystem gibt es nun mal Herren und
Knechte, Unterdrücker und Unterdrückte. Das sehen viele
Israelis übrigens genauso, denn der Rassismus ist in Israel
inzwischen weit verbreitet, was gerade Umfragen in letzter
Zeit belegt haben. Schon der frühere Ministerpräsident Begin
hat Palästinenser als „Tiere auf zwei Beinen“ bezeichnet.
Palästinenser sollten wie Heuschrecken zermalmt werden,
fordert Jitzhak Schamir, auch er einst israelischer
Regierungschef. Der Generalstabschef der israelischen Amee,
Raphael Eitan, bekannte: „Wenn wir mit dem Land fertig sind,
werden alle Araber in dieser Hinsicht nur noch in der Lage
sein, wie Schaben auf Drogen in einer Flasche
herumzuwursteln.“ Der damalige Regierungschef Rabin gab
während der zweiten Intifada die Parole aus: „Brecht ihnen
die Knochen!“ Was die Soldaten auch gründlich taten. Der
israelische Außenminister Liebermann (zur Zeit wegen
Betrugsvorwürfen nicht mehr im Amt) empfahl, mit der Hamas
genauso umzugehen wie die USA im Zweiten Weltkrieg mit
Japan: also eine Atombombe auf den Gazastreifen zu werfen.
Ähnliche Äußerungen fielen vor
wenigen Wochen, als die neue Auseinandersetzung um den
Gazastreifen tobte. Israels Innenminister Eli Yishai
forderte, den Gazastreifen zurück ins Mittelalter zu bomben.
Außenminister Liebermann (damals noch im Amt) verlangte, die
Hamas-Führer zu liquidieren. Und Gilad Sharon, der Sohn des
früheren Regierungschefs Sharon, plädierte dafür, den
Gazastreifen plattzumachen wie im Zweiten Weltkrieg
Hiroshima und Nagasaki. Der israelische Journalist Gideon
Levy schrieb kürzlich in der israelischen Zeitung
Ha‘aretz: „Wir haben eine Nation, in der Rassismus der
wahre gemeinsame Nenner ist.“ Diese
barbarisch-unmenschlichen Äußerungen dämonisieren und
entmenschlichen die Palästinenser, machen sie zu
gefährlichen, aber auch wertlosen und überflüssigen
Menschen, die man für vogelfrei erklärt. Und solche Worte
tragen die dann folgende Gewalt schon in sich.
Hein will auch mit dem Wort
„Herrenmenschen“ Schrecken einjagen und auch hier die
Assoziation vermitteln: Da setzt einer Juden mit Nazis
gleich! Also: Antisemit! Wenn er nur ein einziges Mal für
wenige Minuten an einem Checkpoint zwischen Israel und
Palästina gestanden hätte, wüsste er, wer in dieser Region
die Herren und wer die Knechte sind. Im Übrigen muss ich
mich bei Hein bedanken. Er hat meinem Buch mit seinem
Angriff auf Rudolph Bauer und mich ein Interesse und eine
Aufmerksamkeit verschafft, die ich mir in meinen kühnsten
Träumen nicht vorzustellen gewagt hätte! Denunziationen
gehen eben meistens nach hinten los! Ansonsten: Die Frage
von Krieg und Frieden im Nahen Osten ist viel zu wichtig für
die ganze Welt, als dass man sie der Hetzkampagne der
BILD-Zeitung überlassen könnte!
Dass Hein auch die Partei „Die
Linke“ noch in seine Hetze mit einbezieht, weil er den
Eindruck erweckt, dass Bauers Artikel sozusagen die Linie
dieser Partei wiedergibt, die also „antisemitisch“ sei, ist
auch eine infame Unterstellung. Denn Bauer hat lediglich
seine persönliche Sicht der Dinge in Bezug auf mein Buch
geschildert und auf der Homepage der Linken zur Diskussion
gestellt. Wenn so etwas nicht mehr möglich sein soll, muss
man sich um die Demokratie in diesem Land langsam ernsthafte
Sorgen machen. Dass die Linke sich in ihrer Nahostpolitik
nicht zu einem klaren auf Menschenrechten und Völkerrecht
beruhenden Kurs durchringen kann, sondern opportunistisch
und feige rumeiert, ist traurig genug. Die Reaktion auf die
Hetz-Attacke in der BILD-Zeitung „so etwas [wie der Artikel
von Rudolf Bauer] darf bei uns nie wieder vorkommen“, ist
ein Armutszeugnis sondergleichen. Gibt man damit doch
letzten Endes dem Denunzianten Hein Recht. Eine sachlich
angemessene Reaktion wäre es gewesen, den ganzen Vorgang –
das Buch, Bauers Rezension und die Denunziation in der
BILD-Zeitung – auf der-Forum Seite der Linken öffentlich zu
debattieren. Was spricht dagegen? |