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Gipfel der Absurdität
Arn Strohmeyer
In der CDU ist jetzt der Vorschlag gemacht worden (er soll
auf dem bevorstehenden Parteitag diskutiert und zur
Abstimmung gestellt werden), allen Flüchtlingen (Migranten)
in Deutschland die Integration zur Pflicht zu machen. Wie
das auf Befehl oder durch staatliche Verordnung geschehen
soll, darüber mag man in dieser Partei noch streiten. Der
zweite Vorschlag stellt dann aber den Gipfel der Absurdität
dar: Die Migranten – und damit sind in diesem Fall natürlich
in erster Linie die Araber gemeint – sollen unterschreiben,
dass sie das Existenzrecht Israels anerkennen, andernfalls
sollen ihnen soziale Leistungen entzogen werden.
Dazu muss man drei Anmerkungen machen: 1. Im Völkerrecht
gibt es keine Anerkennung des Existenzrechts. Wenn ein Staat
einen anderen anerkennt, dann erkennt er natürlich auch
dessen Existenz an. 2. Nimmt man die Anerkennung des
Existenzrechts ernst und sieht sie nicht als eine
israelische Propagandafinte an, dann muss man doch fragen:
welchen Staat Israel in welchen Grenzen soll man anerkennen?
Israel ist der einzige Staat auf der Welt, der auch nach
fast 70 Jahren seiner Existenz noch keine festen Grenzen
hat, weil er ständig auf Expansion ausgerichtet ist. Soll
man also den Staat in den Grenzen vor 1967 (innerhalb der
Grünen Linie) anerkennen oder einen Staat, der seine Grenzen
irgendwo zwischen Mittelmeer und Jordan hat? Genaues weiß
man nicht.
Und 3. – Dieses Argument wiegt sehr schwer: Die Araber bzw.
die Palästinenser sind in israelischer Sicht „Terroristen“
gleich „Antisemiten“ gleich „neue Nazis“. Siehe Netanjahus
(nur halbherzig auf Druck von außen zurückgenommene)
Behauptung, der Mufti von Jerusalem, Mohammed Amin
al-Husseini, sei für den Holocaust an den europäischen Juden
verantwortlich. Sollte die CDU-Forderung offizielle deutsche
Politik werden, würde man kritiklos die israelische
diffamierende Sicht auf Araber übernehmen und alle
arabischen Flüchtlinge – besonders natürlich Syrer und
Palästinenser – unter den Generalverdacht stellen, dass sie
Antisemiten seien. Mit ihrer Unterschrift sollen sie also
gezwungen werden, abzuschwören. Das erinnert an die
mittelalterliche Inquisition. Es bedarf keiner gro0en
Fantasie zu vermuten, woher diese Forderung kommt.
Zum Beleg, wie absurd diese Forderung der CDU ist und dass
sie erst neuerdings aus der Trickkiste der israelischen
Propaganda hervorgeholt worden ist, seien zwei Zitate
israelischer Spitzenpolitiker angeführt. Im Juni 1977
erklärte der frisch gewählte israelische Ministerpräsident
Menachem Begin bei der Vorstellung seines Kabinetts in der
Knesset: „Ich möchte hier feststellen, dass die Regierung
Israels keine Nation, sei sie nah oder fern, mächtig oder
klein, darum ersuchen wird, unsere Existenz anzuerkennen. Es
käme keinem Briten oder Franzosen, keinem Belgier oder
Niederländer, keinem Ungarn oder Bulgaren, keinem Russen
oder Amerikaner in den Sinn, für sein Volk die Anerkennung
seines Existenzrechts einzufordern. Ihre Existenz bedeutet
per se ihr Recht zu existieren. Dasselbe gilt auch für
Israel.“
Ganz ähnlich argumentierte der frühere israelische
Außenminister Abba Eban. Er schrieb in einem Artikel, der am
18. November 1981 in der New York Times erschien: „Niemand
erweist Israel einen Dienst, indem er sein ‚Existenzrecht‘
proklamiert. Es ist beunruhigend, dass so viele, die Israel
wohl gesonnen sind, diese verächtliche Formulierung im Munde
führen. ‚Israels Existenzrecht‘ ist wie das der Vereinigten
Staaten, Saudi-Arabiens und das von 152 anderen Staaten ein
Axiom und gilt uneingeschränkt. Die Legitimität Israels ist
nicht in der Schwebe und wartet darauf anerkannt zu werden.“
Damals stand also für führende israelische Politiker fest,
Israels Recht auf Existenz als gegeben zu betrachten –
etwas, das außer jedem Zweifel steht. Sie wiesen jede
Vorstellung zurück, dass Israel irgendjemanden brauche, der
ihm seine Existenz bestätigt. Wer Israels Existenzrecht aber
ständig einfordern zu müssen glaubt wie jetzt die CDU, hat
wohl doch Zweifel und muss sich selbst vom Gegenteil
überzeugen.
Interessant ist, wie der britisch-jüdische Philosoph Brian
Klug die Forderung nach der Anerkennung des Existenzrechts
einschätzt. Er schreibt: „Im Übrigen unterstellt die
andauernde Betonung seines Existenzrechts, dass Israel unter
einer andauernden Bedrohung seiner Existenz steht – entweder
durch die Palästinenser und durch Staaten der Region. Das
trägt dazu bei, eine ganze Weltanschauung – „wir gegen die
Welt“ – zu verstärken und zugleich die militaristische
Denkweise, die sie unweigerlich nach sich zieht. Dies legt
nahe, [...] dass diese beständige ‚existenzielle Bedrohung‘
jegliches illegale Vorgehen Israels und jede seiner
umstrittenen Maßnahmen rechtfertigt.“ Und weiter schreibt
Klug: „Wenn Israel seine kriegerische Haltung nicht ändern
kann; wenn die Mentalität des fortgesetzten Krieges
weiterhin vorherrscht, bei dem sich jedes Geplänkel zur
Schlacht um das Überleben des jüdischen Volkes auswächst;
dann werden die Konsequenzen für Israel ebenso fatal sein,
wie sie für andere tödlich sind. Die israelische Rhetorik
von der ‚Existenz‘, die Teil seiner kriegerischen Haltung
ist, gefährdet genau dies, seine Existenz. Um seine Zukunft
zu sichern, braucht Israel niemanden – weder die Hamas noch
Sie noch mich – , der sein Existenzrecht anerkennt.“
Vielleicht sollten alle, die ständig die Anerkennung von
Israels Existenzrecht im Munde führen, über diese Wort eines
britischen Juden einmal nachdenken.
29.11.2015
"Die
CDU will auf ihrem Parteitag nach Informationen des SPIEGEL
eine Integrationspflicht für Migranten verabschieden - unter
anderem sollen diese sich zum Existenzrecht Israels
bekennen." >>>
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