
Razan Al-Najjar
wurde ermordet.
3. 6. 2018

Mein Text
zur Erschießung der 21jährigen Razan Al-Najja. Sie war
Ersthelferin und Kollegin beim medico-Partner Palestinian
Medical Relief Society im Gazastreifen. Sie wurde gestern
östlich von Khan Younis bei einem Einsatz tödlich verwundet.
- Riad Othman - 2. 6. 2018
Der Tod der Razan Al-Najjar - Am 24. Mai lehnte der
Oberste Gerichtshof die Petition der beiden medico-Partner
Adalah (Haifa) und Al Mezan Center for Human Rights (Gaza)
ab. Sie hatten das Gericht am 23. April dazu aufgefordert,
den Gebrauch von scharfer Munition durch die israelische
Armee gegen unbewaffnete DemonstrantInnen im Gazastreifen zu
untersagen. Die Menschenrechtsorganisationen Association for
Civil Rights in Israel, Gisha, HaMoked und Yesh Din hatten
eine zweite Petition gestellt, die gemeinsam mit der unserer
Partner verhandelt und auch abgelehnt wurde.
Die Richter folgten der Argumentation des israelischen
Militärs, wonach die am Protest Beteiligten eine Gefahr für
israelische SoldatInnen und ZivilistInnen darstellten. In
ihrer Antwort auf die Ablehnung stellten Adalah und Al Mezan
fest: „Der Oberste Gerichtshof Israels hat die breite
Faktenbasis, die von den Petitionsstellern vorgelegt wurde
und die zahlreiche Zeugenaussagen von Verwundeten sowie
Berichte internationaler Organisationen beinhaltete, die an
der Dokumentation der Tötung und Verwundung von
unbewaffneten Protestierenden in Gaza beteiligt waren,
völlig ignoriert. Es ist bemerkenswert, dass der Oberste
Gerichtshof sich weigerte, sich Videos anzusehen, die den
israelischen Beschuss von Demonstrierenden dokumentierten,
und eher die Behauptungen des Staates völlig akzeptierte
anstatt den eigentlichen Fall zu untersuchen.“
Kurz nach dem blutigen 14. Mai der Proteste im Rahmen „des
Großen Marschs der Rückkehr“ kündigten die Veranstalter,
aber auch in Gaza dominante politische Kräfte wie die Hamas
an, dass die Freitagsdemonstrationen über den ursprünglich
geplanten Schlusspunkt des 15. Mai hinaus bis zum 5. Juni
fortgesetzt würden. Damit sollte nicht nur der Vertreibung
und Flucht vor allem von 1948-49 im Rahmen des Nakba-Tages
(alljährlich der 15. Mai) gedacht werden, sondern auch der
sogenannten Naksa (arabisch: Rückschlag), womit die
arabische Niederlage im Krieg von 1967 gemeint ist, der
damals am 5. Juni begann.
Rückblende - Vor gut drei Wochen traf ich mich in
Gaza-Stadt mit drei freiwilligen Ersthelfern des
langjährigen medico-Partners Palestinian Medical Relief
Society (PMRS). Nada Al-Aham, Ahmed Ra’i und Mahmoud
Al-Da’ur sind zwischen 21 und 31 Jahre alt. Zwei von ihnen,
Nada und Mahmoud, engagieren sich ehrenamtlich als
ErsthelferIn bei der PMRS, während Ahmed dort auch
hauptamtlich als Krankenpfleger arbeitet, während er noch
studiert. Alle drei waren zu dem Zeitpunkt seit Jahren als
medizinische Nothelfer immer wieder für die PMRS im Einsatz
und seit dem Beginn der Proteste Ende März auch immer bei
den großen Demonstrationen am Zaun zu Israel anwesend. Dort
bargen sie auch Verletzte aus der Gefahrenzone, d. h. der
rund 300 Meter tiefen Pufferzone zum Zaun hin.
Auf die Frage, wie das mit der Bergung überhaupt
funktioniere, wenn scharf geschossen werde, sagte Mahmoud
damals: „Im Feld gibt es keine Sicherheit. Wenn wir
Verletzte bergen, gibt es keine Kommunikation mit den
Soldaten. Wir gehen langsam mit erhobenen Händen zu den
Verwundeten. Aber eine Garantie dafür, dass nicht auf dich
geschossen wird, gibt es nicht.“ Alle drei hatten damals
angesichts der Zahl verletzter KollegInnen den Eindruck,
dass nicht einmal zwischen medizinischem Personal,
JournalistInnen und DemonstrantInnen unterschieden werde,
umso weniger zwischen friedlich und gewalttätig
Protestierenden.
Nada lebt in Khan Younis. Sie ist mit ihrem Team deshalb
meistens auch dort im Einsatz. Sie beschrieb, wie sie
Verletzte auch aus der Nähe des Zaunes geborgen hatte.
Einmal war ihr besonders im Gedächtnis geblieben: „In Khan
Younis schien es an dem Tag für Frauen sicherer, sich als
Ersthelferinnen dem Zaun zu nähern. Also ging nur ich, sehr
langsam, mit erhobenen Händen und klar als medizinisches
Personal erkennbar, wie es unser Sicherheitsprotokoll
vorsieht, zu dem Verwundeten. Dann brachte ich ihn aus der
Pufferzone, damit wir ihn verarzten konnten.“ – „Du hast
einen Erwachsenen alleine aus der Pufferzone getragen?“ –
„Ich zog ihn an den Armen. Das ging, weil es kein Mann war,
mehr ein Junge, vielleicht 14, 15 Jahre alt.“ – „Konntest du
sicher sein, dass dir dabei nichts passiert?“ – „Nein. Dass
mir als Frau erlaubt wurde mich dem Zaun zu nähern, sehe ich
als Ausnahme, nicht als Regel. Verlassen würde ich mich
darauf nicht. Es gibt ja keine direkte Kommunikation.“
Epilog - Eine ihrer Kolleginnen, Razan Al-Najjar, lebte
in Khuza’a, östlich von Khan Younis. Neben dem weiter
nördlich gelegenen Shuja’iya war dies das im Krieg von 2014
am stärksten zerstörte Stadtviertel des gesamten
Gazastreifens. Nada und Razan engagierten sich nicht nur
beide in Khan Younis, sie waren auch gleich alt. 21 Jahre.
„Auch wenn Verletzte in der Nähe des Zauns liegen, gehen wir
da hin, um zu helfen. Wir sind Ersthelfer. Das ist, was wir
tun“, hatte ihr Kollege Mahmoud am 10. Mai gesagt.
Bei den Freitagsprotesten am 1. Juni 2018 wurde Razan
Al-Najjar, die sich ehrenamtlich als Krankenschwester und
Ersthelferin engagierte, durch das Feuer eines israelischen
Scharfschützen getötet. Laut Zeugen, die von Al Mezan Human
Rights Center befragt worden sind, wurde sie östlich von
Khan Younis bei dem Versuch, einen verletzten Demonstranten
gemeinsam mit anderen in Richtung der Sanitätszelte im
örtlichen Protestcamp zu evakuieren, gegen 18:45 Uhr durch
einen Schuss in den Rücken mit scharfer Munition tödlich
verwundet. Razan war in ihrer weißen Bekleidung klar als
Sanitäterin erkennbar und befand sich etwa 100 Meter vom
Zaun entfernt, von dem sie sich mit den anderen und dem
Verletzten wegbewegte. Sie wurde noch aus der Pufferzone
getragen, und in einem Sanitätszelt vor Ort gab es eine
erste notfallmedizinische Versorgung inklusive künstlicher
Beatmung, bevor sie ins Nasser Hospital in Khan Younis
transportiert wurde. Dort musste eine halbe Stunde später
ihr Tod festgestellt werden. Das war nicht das erste Mal,
dass Razan im Einsatz durch die israelische Armee verletzt
wurde. Am 20. April traf sie ein gummiummanteltes
Stahlgeschoss am Fuß, am 28. April ein Tränengaskanister auf
der Brust. Auch 29 weitere SanitäterInnen der PMRS wurden
während der Proteste verletzt. Razan aber ist das erste
Todesopfer.
medico trauert mit den Angehörigen und FreundInnen Razan
Al-Najjars und mit den KollegInnen der PMRS. Angesichts der
Ereignisse der letzten Wochen und des Todes unserer Kollegin
bekräftigt medico seine Unterstützung für eine unabhängige
Untersuchungskommission der Geschehnisse im Gazastreifen
seit Beginn der Proteste. Die Entsendung einer solchen wurde
im Mai durch eine Mehrheit von 29 zu 2 Stimmen bei 14
Enthaltungen im UN Menschenrechtsrat beschlossen, in dem
kein Staat ein Vetorecht hat. Die Vereinigten Staaten hatten
zuvor ihr Veto genutzt, um eine entsprechende Resolution im
UN-Sicherheitsrat zu blockieren. Die israelische Regierung
hat bereits angekündigt, nicht mit der Kommission
kooperieren zu wollen.
Quelle facebook

URGENT STATEMENT -
by Dr. Mustafa Barghouti, President of PMRS
- PMRS volunteer medic killed by Israeli sniper
in Gaza yesterday - Ramallah, Saturday 02 June
2018
"Today the Palestinian
Medical Relief Society mourns the loss of
one of our own. 21-year old volunteer medic
Razan Al Najjar was shot and killed by an
Israeli sniper yesterday in Gaza as she was
attempting to provide first aid to an
injured protester. She was shot to the chest,
the bullet ripping through the white vest
with red emblem and PMRS logo that was
marking her as medical personnel.
Yesterday, 3 other PMRS
first aiders were injured by live bullets:
Rami Abu Jazar, Mahmoud Fa’wur and Mahmoud
Odeh. In total, Israel has injured 245
paramedics since the end of March, 29 of
them with live ammunition and targeted 40
ambulances.
Shooting at medical personnel is a war crime
under the Geneva conventions, as is shooting
at children, journalists and unarmed
civilians.
We demand an immediate
international response to Israeli
humanitarian law violations in Gaza. We call
on our international friends and partners to
publicly condemn Razan’s killing and to
demand that Israel be held accountable for
its crimes under international law.
We grieve with her family and our colleagues
in Gaza during this tragic time. We ask our
partners who are in the country to please
join us tomorrow at 12pm at the Manara
circle in Ramallah to honor Razan’s memory
and demand an end to the bloody oppression
of Gaza. We will be receiving condolences
later that day from 3 to 7pm at the PMRS
headquarters in Al Bireh.
In Gaza, PMRS, together with PNGO, health
sector and human rights organizations, calls
for partners to meet in front of the WHO and
UN Human Rights commission building at 12pm
on Sunday to demand justice for Razan and
for Gaza."
Quelle
Palestinian medic, 21, is killed by Israeli sniper as she
tends wounded in Gaza - 1. 6. 2018 - Razan Ashraf
Al-Najjar, 21, nurse killed in Gaza, June 1, 2018 - Today’s
news from Gaza was especially disturbing. Israeli snipers
shot 40 protesters and killed one of them: Razan al-Najjar,
a 21-year-old volunteer medic. She was wearing a white coat
when she was shot, news accounts say, and one report says
she was attempting to tend a wounded protester.
Update: Her funeral was Saturday June 2, and thousands
attended. Was die internationale Presse dazu sagt
>>>

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Annettes
Kolumne –
Konflikte an der
Grenze zu Gaza - 1. 6. 2018 - Annette
Groth -
„Wir können nicht all diese Leute ins Gefängnis
stecken“ - Das ist die Antwort der Sprecherin des
israelischen Außenministeriums, Michal Maayan, am 14.5. in
einem Interview mit dem israelischen Fernsehsender RTÉ auf
die Frage, warum Soldaten auf die palästinensischen
Demonstranten schießen. 1 Diese Äußerung ist ungeheuerlich
und kaum zu glauben. Man stelle sich vor, Putin oder ein
Sprecher der iranischen Regierung hätte diesen Satz gesagt,
es hätte einen weltweiten Aufschrei gegeben, der Satz wäre
in allen deutschen Medien prominent erschienen und
Außenminister Maas hätte sofort mit allen möglichen
Sanktionen und Strafaktionen gedroht. Aber in unseren
Mainstreammedien war über diese barbarische
Ungeheuerlichkeit von Michal Maayan nichts zu lesen.
Stattdessen ereiferte man sich über eine Karikatur in der
„Süddeutschen Zeitung“, die der renommierte Karikaturist
Dieter Hanitzsch von dem israelischen Premierminister
Netanjahu zeichnete. Die Karikatur zeigt Benjamin Netanjahu
mit großen Ohren, riesiger Nase und dicken Lippen.
Davidsterne zieren eine Rakete, die er in den Händen hält,
und den Schriftzug „Eurovision Song Contest“. ´Das ist
blanker Antisemitismus´ kritisierten Vertreter der Jüdischen
Gemeinde in Berlin und zettelten einen Shitstorm gegen die
„Süddeutsche“ an, was die Geschäftsführung zur Aufkündigung
der jahrzehntelangen Zusammenarbeit mit Hanitzsch
veranlasste.
Aufgrund von bislang sechs Beschwerden ist jetzt der
Deutsche Presserat mit der Karikatur befasst und wird ein
Prüfverfahren einleiten. Der Beschwerdeausschuss des
Presserats entscheidet am 12. Juni über den Fall.2 Auf das
Ergebnis kann man gespannt sein.
Es ist geradezu grotesk, dass ein Aufschrei durch die
Republik wegen einer Karikatur geht, während das Massaker
vom 14.5. mit 60 von israelischen Scharfschützen
erschossenen Palästinensern und über 2500 Verletzten von
deutschen Medien verharmlosend als „gewalttätige
Auseinandersetzungen“ abgehandelt wird. Seit dem 30. März
sind 114 Palästinenser durch israelische Scharfschützen
erschossen worden. Darunter sind 13 Kinder – 12 Jungen und
ein Mädchen, ein durch Tränengas ersticktes Kleinkind von 8
Monaten sowie zwei Journalisten.3 Unter den Verletzten sind
1500 durch Schusswaffen und 1000 durch Tränengas verwundet
worden.
Gideon Levy, einer der renommiertesten israelischen
Journalisten stellt am 17.5. in Haaretz die rhetorische
Frage, wie die israelische Bevölkerung reagiert hätte, wenn
an einem Tag 60 streunende Hunde getötet worden wäre. Es
hätte einen Aufschrei durch das ganze Land gegeben und die
Schuldigen wären vor Gericht gestellt worden, es hätte
überall Gedenkgebete für die getöteten Hunde gegeben
>>>
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