Ein nicht
abgeschickter Brief an den Bundespräsidenten
Abraham Melzer
ich weiß, dass
Sie in diesen Tagen mit Protestbriefen,
Emails und Anrufen überhäuft werden. Die
Verleihung des Bundesverdienstkreuz 1.
Klasse an Felicia Langer hat einen Sturm der
Entrüstung hervorgerufen und Sie werden
aufgefordert die Verleihung rückgängig zu
machen.
Ich hoffe Sie
können sich gegen diese heuchlerischen
Ansinnen wehren. Am Besten wäre es, es zu
ignorieren.
Da alle mir
bisher bekannt gewordenen offenen Briefe in
ihrem Inhalt und Sprache sehr ähnlich sind,
scheint es wahr zu sein, dass hinter dieser
Kampagne der berühmt berüchtigte Journalist
Henryk M. Broder steht, der nicht müde wird
prominente Juden anzuschreiben und sie
aufzufordern ihre Orden zurückzugeben.
Broder wird seine Gründe dafür haben und
vielleicht auch vom israelischen
Außenministerium Abteilung Propaganda
bezahlt werden. Wenn seine Mitarbeit dort
bisher nur ein Gerücht war, dann liegen
jetzt möglicherweise Beweise vor. Er wendet
sich in seinem blinden Hass und Eifer sogar
an solche prominente Juden, die das BVK gar
nicht bekommen haben. Alexander Brenner
schreibt an Broder: Deiner Anregung, mein
BVK abzugeben, kann ich schon deshalb nicht
nachkommen, weil ich nicht im Besitz eines
solchen bin.
Dafür sind die
zwei greisen prominenten Juden Arno Lustiger
und Ralph Giordano dieser Aufforderung
nachgekommen und haben ihnen in fast
erpresserischer Art und Weise gedroht ihre
Orden zurückzugeben, falls Sie nicht das
tun, was sie fordern. Allein das sind schon
eine bodenlose Unverschämtheit und
Beleidigung, nicht nur Ihrer Person, sondern
aller anständigen Deutschen. Es zeigt, dass
diese Herren keinerlei Respekt vor dem Amt
des Bundespräsidenten haben. Es ist Usus,
dass die Träger des Verdienstkreuzes keinen
anderen Ausgezeichneten kritisieren.
Ich will hier
kurz auf den Brief von Dr. hc Ralph Giordano
eingehen, der sich ja wohl auf den Brief des
Dr. hc Arno Lustiger stützt, da dieser Brief
exemplarisch für alle anderen ist.
Arno Lustiger
schreibt was er schreibt, weil er als
ehemaliger Vorsteher der zionistischen
Organisation in Deutschland und als
lebenslanger Ehrenzionist, dafür bezahlt
wird.
Giordano, in
seiner gnadenlosen Selbstüberschätzung und
Eitelkeit, schreibt, dass Sie, verehrter
Herr Bundespräsident, manches von dem, was
er ausgeführt hat, sicherlich nicht gewusst
haben.
Ja, was führt
er denn aus? Was wirft er Felicia Langer,
Trägerin des „Alternativen Nobelpreis“ und
des „Bruno Kreisky Preis“, vor? War sie in
einer „Kokain-Affäre“ beteiligt? Hat sie den
Nazis geholfen ihre antijüdischen Gesetze zu
erlassen? Nein! Giordano kann ihr nichts
mehr vorwerfen, als dass sie sich als
„Universalistin“ selbst ernannt hat. Im
Jiddischen würde man „Nebbich“ sagen.
Was wirft er
ihr noch vor? Dass sie Israel geschmäht
habe, dass sie die „Totalität und
Kausalität“ des Nahostkonflikt, was immer
das ach ist, missachtet hat? Ferner wirft er
Felicia Langer „ihre völlige innere
Beziehungslosigkeit zur Welt der
israelischen Opfer“ vor.
Und das ist es
schon an Beschuldigungen, nein, an
Diffamierungen und Denunziationen. Dazu
verbietet es sich bei gesundem
Menschenverstand Stellung zu nehmen, weil
man sonst auf ein Niveau sinken müsste, dass
ich Ihnen nicht zumuten kann und darf. Aber
eine Frage stellt sich doch zu diesen
Diffamierungen und Denunziationen: Woher
nimmt dieser Giordano das Recht und die
Chuzpeh eine Israelin so zu beleidigen, die
nichts anderes macht, als das, was Bertold
Brecht mit seinem Heimatland und was jeder
kultivierte Mensch fordern und einsehen
würde: Sie hat vor ihrer eigenen Tür
gekehrt. Sie ist Israelin und hat das Recht
und die Pflicht so streng, offen,
unmissverständlich und wenn es sein muss,
schrill, ihr Land zu kritisieren. Sie
handelt da nach dem Gebot der Tora und des
Talmuds, die wie folgt heißen: Wenn du dein
Kind liebst, dann musst du streng sein und
darfst es auch schlagen. Sie darf. Giordano
darf nicht. Giordano ist Deutscher. Was regt
er sich auf, wenn eine Israelin ihr Land
streng kritisiert. Wenn er sich Israel so
verbunden fühlt und in einem Land, das sich
von der eigenen Schuld durch Kritik an
Israel zu entlasten versucht, nicht leben
kann, dann kann er doch nach Israel
auswandern, wo ein israelischer Pass schon
auf ihn wartet. Er muss nur zugreifen.
Und was soll
dieses unselige und unsägliche Gerede von
der „eigenen Schuld“? Hat nicht schon der
erste Präsident der Bundesrepublik, Theodor
Heuss, die Kollektivschuld verneint und
dafür von der Kollektivscham geredet? Wenn
die Deutschen sich wegen der Verbrechen der
Nazis schämen sollen, dann haben wir seit
gestern einen weiteren Grund uns zu schämen,
wegen zwei jüdischen Trottel, die
größenwahnsinnig geworden sind.
Von 1946 bis
1957 war Giordano Mitglied der seit 1956
illegalen KPD. Unter dem Pseudonym Jan
Rolfs ließ er beim
Verlag Neues Leben/DDR 1953 ein
Westdeutsches Tagebuch erscheinen,
das von Verehrung für die Weisheit
Stalins durchdrungen ist. 1955
siedelte Giordano sogar in die
DDR über, wo er zwei Jahre lang
blieb, um ernüchtert wieder nach Hamburg zu
ziehen. Ist es nicht auch merkwürdig, dass
so einer den BVK erhalten hat? Hätten nicht
tausende und hunderttausende Opfer des
Stalinismus Grund gehabt dagegen zu
protestieren? Giordano war Stalinist und
blieb bis heute ein Stalinist.
Giordano
schreibt von seinem Gewissen und dass er
diesem folgen müsse. Das ist grundsätzlich
eine noble und ehrbare Einstellung. Er
folgert aber das Falsche daraus. Er folgert
daraus, dass er in einer Ordensreihe mit
Felicia Langer nicht stehen könne – „das
geht nicht“ behauptet er kategorisch.
Aber mit Hans
Globke und mit Michel Friedmann hat er keine
Probleme in einer Reihe zu stehen? Ist das
nicht der Gipfel der Heuchelei? Und dabei
nenne ich hier diese zwei „Ehrenmänner“ nur
exemplarisch für viele anderen Nazis und
„Kokain“-Sünder, die im Verlauf der letzten
60 Jahren einen Orden bekommen haben und mit
denen Ralph Giordano keine Probleme hat.
Konrad Ziegler,
der posthum 2001 von der
Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem die
Auszeichnung als „Gerechter unter den
Völker“ bekommen hat, lehnte das
Bundesverdienstkreuz mit der Begründung, er
wolle nicht dieselbe Auszeichnung erhalten,
mit der vor ihm bereits Hans Globke, der
Kommentator der Nürnberger Gesetze,
ausgezeichnet worden war. Das nenne ich
Gewissen, Anstand und Ehre. Das, was
Giordano und Lustiger veranstalten, ist in
meinen Augen eine schlechte Zirkusnummer.
Er kennt Israel
nicht, er hat keine Ahnung was dort täglich
geschieht, er hat es in einem
stalinistischen Regime gerade mal drei Jahre
ausgehalten und er glaubt, Felicia Langer,
die mehr als 40 Jahre in Israel gelebt hat
und davon 28 Jahre als Rechtsanwältin für
unterdrückte und verfolgte Palästinenser,
belehren zu können, wie es in Israel zugeht.
Wenn das nicht eine traurige Posse wäre,
dann müsste man lachen. Schon vor 20 Jahren
schrieb Uri Avnery in der früheren SEMIT,
dass „Ralph Giordano Israel durch eine
rosaroten Brille sieht“. Dabei ist es wohl
geblieben. Er trägt diese Brille immer noch.
Ich möchte aber
zum Abschluss nicht versäumen Ihnen von den
vielen Briefen und Emails, die mich erreicht
haben und immer noch erreichen, zwei zu
zitieren, aus denen Sie ersehen können, wie
im „Volk“ darüber gedacht wird. So schreibt
mir Olaf Radimersky: Eines weiß ich
gewiss; gebe es mehr Juden vom Schlage einer
Felicia Langer, dann dürfte nicht nur den
Antisemiten die Puste ausgehen, sondern auch
den jüdischen Nazis (übersetzen Sie hier
getrost Nazi mit Nationalzionist). Der
Menschheit und vor allem der Menschlichkeit
wäre damit garantiert weitergeholfen.
Bleiben Sie unbeirrt und tapfer! Und
Hans Hahn schreibt:
Ihr drastischer
offener Brief an Dr. Graumann hat mir etwas
Hoffnung gegeben, dass es auch viele
anders denkende Juden gibt.
Felicia Langer
sehe ich in einer Reihe mit Dissidenten wie
Thomas Mann, Bertold Brecht, Solschenizyn
und Pamur. Giordano und Lustiger sind für
mich die Julius Streicher von heute. Ich
weiß, man soll nicht vergleichen, aber
vergleichen hilft zu verstehen. Keiner würde
wagen Thomas Mann vorzuwerfen, seine Kritik
an den Nazis sei eine „Pathologie der
Umarmung“, grenzenlos einseitig und blind.
Und wenn das bei Felicia Langer so ist, dann
hat sie alles Recht der Welt auf ihrer
Seite, sie ist Israelin und leidet an der
Verirrung ihres Volkes mehr, als viele
andere. Giordano nennt sie „eine Feindin
Israels“ und ist stolz darauf, dass er das
schon vor 18 Jahren gesagt hat. Manche
bleiben eben 18 Jahre und länger bei ihrem
Irrtum, genau so wie Felicia Langer schon
mehr als 30 Jahre bei ihrem Einsatz für
Recht und Gerechtigkeit geblieben ist.
Abraham Melzer
www.dersemit.de
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