Gastkommentar in der
„KLEINE ZEITUNG“
Seite 46, Samstag, 10. März 2007
DEBATTE
TARAFA BAGHAJATI Setzt sich mit Henryk Broder und
seinem Buch "Buchkritik:
Hurra, wir kapitulieren. Von der Lust am
Einknicken"
auseinender.
Islamfeindlichkeit
wird salonfähig
DIE
THESE: Islamfeindlichkeit zu leugnen, ist auch von einem
Polemiker nicht
akzeptabel.
Nun können einige meinen, es sei besser nicht zu viel
über Henryk M.
Broder zu reden,
jenem Autor des
Buches „Hurra, wir
kapitulieren!“. Man
mache ihn dadurch
nur wichtiger als er
es sei. Da aber
Islamfeindlichkeit
immer salonfähiger
wird und sich
zuletzt eine krude
Allianz von Broder
bis Strache bildet,
ist es notwendig
eine inhaltliche
Auseinandersetzung
zu führen. Die FPÖ
umarmt in einer
Aussendung und im
Wiener Gemeinderat
Herrn Broder und
dieser gibt in einem
Presseinterview den
Gefallen zurück und
findet an den
„Jugendtorheiten“
des Herrn Strache
nichts Merkwürdiges.
Herr Bischof Laun
hat wieder gute
Laune und versäumt
es nicht sich mit
Broder vor seiner
Abreise zu
unterhalten. Alle
werden von
islamfeindlichen
deutschen
Internetseiten,
allen voran
„Politically
Incorrect“ und „Jihad
Watch“ verherrlicht.
Nun wieder zum Buch:
1.
Humor, Überspitzung
Polemik und Ironie
können zweifelsohne
ein Mittel und
Ausdruck
gesellschaftspolitischer
Kritik sein. Satire
kann aufklärerisch
aber auch hetzerisch
wirken. Manche
Passagen von Herrn
Broder habe ich
lustig und sogar
aufklärerisch
gefunden. Was die
pauschalierende
Haltung zu Islam und
Muslimen betrifft,
sind die meisten
Aussagen hetzerisch.
2. Die Existenz der
Islamfeindlichkeit
bzw. Islamophobie zu
leugnen ist auch von
einem Polemiker
nicht akzeptabel. Es
sei hier auch an die
offene und klare
Haltung der IKG -
Israelitische
Kultusgemeinde
während des
hasserfüllten
Wahlkampfs der FPÖ
erinnert, aber auch
an zahlreiche
internationale
Studien der
Europäischen Stelle
zur Beobachtung von
Rassismus (EUMC) und
der Organisation für
Sicherheit und
Zusammenarbeit in
Europa (OSCE).
3. Die These von
Herrn Broder „alle
Terroristen sind
Muslime, somit muss
es mit der Religion
irgendwie zu tun
haben“ ist nicht nur
falsch, sondern auch
gefährlich. Mit der
gleichen
Argumentation könnte
eine Verbindung
zwischen Irakkrieg
und Christentum oder
eine Verbindung
zwischen dem
Verhalten des
israelischen
Militärs in den
besetzten Gebieten
mit Judentum
hergestellt werden,
somit wäre ein Weg
in Richtung
„Religionskrieg“
geöffnet. Dagegen
sollte mit aller
Vehemenz aufgetreten
werden.
4. Die Konstruktion
von Stereotypen wird
von Herrn Broder
durchgehend
gefördert, auch das
ist
gesellschaftspolitisch
problematisch und
schädigend.
5. In Österreich
haben die Muslime
einen Weg der
Partizipation
beschritten. Alle,
teilweise
berechtigten
Kritikpunkte von
Herrn Broder
(insbesondere
bezüglich
Vermischung zwischen
Religion und
Tradition) wurden
auch im offiziellen
Rahmen wie zuletzt
bei der Europäischen
Imame-Konferenz im
April 2006 behandelt
und thematisiert.
Einen Ausdruck der
Schlusserklärung
habe ich Herrn
Broder persönlich in
Penzing übergeben.
Dass die FPÖ sich
jetzt als „Hüterin“
Herrn Broders
aufspielt, passt
offenbar in ihr
Weltbild. Muslime
als Prügelknaben zu
missbrauchen ist bei
ihnen schließlich
nichts Neues. Dass
Muslime „daham“ sind
und so natürlich
mitreden, wenn gegen
sie polemisiert
wird, daran können
sie sich wohl schwer
gewöhnen.
*
Anmerkung: Der erste Absatz: ab die FPÖ …. Wurde in der
veröffentlichten
Fassung gekürzt.
Tarafa
Baghajati ist
Mitgründer der
Initiative
muslimischer
ÖsterreicherInnen ,
http://www.islaminitiative.at
und Vizepräsident
von ENAR, European
Network against
Racism
www.enar-eu.org/en/