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Al-Walaja

 

 

16.9.2011 - Fotoreportage - Freitagsdemonstrationen in vielen Dörfern, die vom Mauerbau und Landraub betroffen sind. >>>

 

 

Das Schicksal Al Walajas

 

 

Al-Walajeh .... Looks like Apartheid, Acts as Apartheid…….. It is Apartheid
01,September,2011

Al-Walaja village and the reality of the separation wall surrounding it.
Interview with Saleh Khalife - Chairman of Al-Walaja Council
Interview with Salah Abu Ali - caretaker of the ancient tree in Al-Walaja

 

 

 

Al-Walaja Land Razing (3/10/2011)

 

 

"Our lives begin to end the day we become silent about things that matter." 

Martin Luther King

26. August 2007

 

Liebe LeserInnen der Israel+Palästina-Info,

 

am vergangenen Mittwoch bin ich von meinem 3-wöchigen „Urlaub“ in Bethlehem mit Besuchen in Jenin und Nablus zurückgekehrt. Vieles von dem, was Sie wöchentlich in dieser Info lesen, hat wieder einmal seine Bestätigung gefunden. In der Realität aber ist es oft noch schlimmer, weil sich das Gesehene nicht mit Worten beschreiben lässt. Augenzeuge zu sein ist etwas anderes als Berichte zu lesen oder Videofilme zum selben Ereignis anzuschauen. So möchte ich an dieser Stelle „nur“ ein paar persönliche Erfahrungen weitergeben, die mir wichtig sind.
 

 

An den letzten drei Freitagen habe ich an den Freitagsdemonstrationen gegen den israelischen Landraub und Mauerbau in Artas, Um Salomona und vor allem in Al Waljeh teilgenommen. Dies sind Dörfer in der südlichen Umgebung von Bethlehem, wo derzeit hunderte von ha palästinensischen Landes von Israel annektiert, auf den Hügeln oben mit Siedlungen bebaut und  zum Teil mit der monströsen Mauer von Palästina abgetrennt werden. Es ist unglaublich, nicht vorstellbar, was da passiert unter den Augen der Weltpresse von Reuters und anderen Nachrichtenagenturen.
 

 

Es ist zum Weinen, was gerade in Waljeh passiert, einem Dorf, das nur einen km von Beit Jala/Bethlehem entfernt liegt, oberhalb des durch seinen Wein bekannten Klosters Cremisan. Um seinen Landbesitz für die Zukunft zu sichern, hat man sich für die israelische Seite entschieden und nicht dafür, bei der zum grossen Teil christlichen Bevölkerung Beit Jalas zu bleiben. Ich frage mich: Ist das nicht Verrat an den Christen? Wäre es nicht für die Verantwortlichen das Gebot der Stunde, sich mit dem Verbleib des Landes für Beit Jala zu entscheiden und damit an der Seite der Christen zu stehen – auch wenn die Zukunft ungewiss ist? Wäre dies nicht ein unübersehbares Zeichen der Solidarität gewesen?!! Die Menschen in der Region, vor allem auch die Christen in Bethlehem/Beit Jala sehen sich jedenfalls von ihren Kirchenoberen im Stich gelassen.

 

 

Ein langestrecktes, sehr fruchtbares Tal mit vielen Weinstöcken, Oliven- und Obstbäumen wird von Beit Jala durch die Mauer abgetrennt und der Jerusalemer Seite zugeschlagen, geraubt von Israel, verbunden mit allen Konsequenzen wie Verlust des Landes, Arbeitsplätzen usw. Land und Besitz stehen im Vordergrund gegenüber einer unsicheren Zukunft des Landerhaltes für die in diesem Fall das Land besitzende kirchliche Einrichtung. Man geht den einfacheren Weg: anstatt Israel in aller Deutlichkeit auch mit Hilfe kirchlicher Einflussmöglichkeiten Einhalt zu gebieten. Stattdessen: absolutes Schweigen! Keine Proteste des Patriarchates oder anderer kirchlicher Stellen sind hörbar geworden, geschweige denn sind Vertreter bei den Demonstrationen zu sehen als sichtbares Zeichen der Solidarität.

Aber zuvor gab es immer wieder die Aufforderung kirchlicher Obrigkeiten an die Christen, in Bethlehem zu bleiben, auszuhalten, nicht auszuwandern, das Erbe des Geburtsortes Jesu zu erhalten. Und jetzt fühlen sich die Christen mit das Faktum dieser Entscheidung des „Seitenwechsels“ im Stich gelassen, um den eigenen Besitz zu retten. Klare Antworten sind nirgends zu bekommen. Die Frustration, Resignation und Enttäuschung darüber ist in Bethlehem gross und kaum zu beschreiben. War die christliche Auswanderungswelle in den letzten Monaten ein wenig zur Ruhe gekommen, so werden jetzt wieder die Auswanderungsgedanken zahlreicher christlicher Familien laut, nun doch zu gehen, weil die Entscheidung der christlichen Einrichtung für die israelische Seite im Tal von Cremisan ein zu deutliches Signal gesetzt hat.

 

Ich war am Samstag der vorigen Woche, dem Tag nach der Demonstration mit der Sprecherin von Walajeh im CremisanKloster, weil die Vertreter des Dorfes, - das vollkommen in eine Mauer gesteckt und nur einen mit einem durch ein Tor verschliessbaren Tunnel mit Beit Jala verbunden wird - bisher dort kein Gehör und keine Antwort bekommen hatten auf ihre berechtigte Frage: Warum lasst ihr uns hinter der Mauer und geht nach Israel? - Die Antwort war "No Politics! Prohibition!" Ein Gespräch mit dem Pater, der zu uns kam, war kaum möglich, geschweige denn gab es eine Antwort auf unsere Fragen!

 

Diese Erlebnisse und das Schweigen der Verantwortlichen der Kirchen waren in diesen Wochen für mich die größte Enttäuschung, stattdessen das nicht zu steigernde Gefühl, ohnmächtig zuschauen zu müssen und Wut. Verstehen aber kann das letztlich nur jemand, der dabei ist und Augenzeuge wird oder selber betroffen ist. Warum? Warum? Warum schauen alle zu? Ich habe keine Antwort bekommen.

 

 

Am Freitag der vergangenen Woche hat sich die Situation bei der Demo weiter verschärft. Zum einen war Walajeh vom Militär auf der Zufahrtsstraße weiträumig abgesperrt für alle einheimischen, israelischen und internationalen Friedensleute, die den Dorfbewohnern durch die Teilnahme an der Demo ihre Solidarität zeigen wollten wie in den Wochen zuvor - nur durch das freie Gelände war ein erschwertes Durchkommen für einige möglich - zum anderen wurden erstmals Soundbombs mit ihrem ohrenbetäubenden Lärm eingesetzt. Eine Steigerung mit Tränengas und Schiessen für die nächsten Wochen ist zu erwarten. Und all dem steht die betroffene Seite machtlos und ohnmächtig gegenüber.

 

Unter diesen Links finden sich die weiteren Infos zu den Vorgängen in Walajeh, so dass ich nicht alles im Detail beschreiben muss.

Walajeh aktuell: http://www.stopthewall.org/german/cgi-bin/german/latesnews/article_226.shtml

Video von den Demos am 10. und 17.8., bei denen ich dabei war:
http://samiawad.wordpress.com/   und
http://www.holylandtrust.org/ 

und die aktuelle Karte:
http://www.poica.org/editor/case_studies/view.php?recordID=1124

 

Ein anderes Erlebnis: Ein Beispiel dafür, welchen Wert Palästinenser für junge israelische Soldaten haben: Ich stehe im Checkpoint von Bethlehem an der Box mit der Passkontrolle in der Reihe mit ca. 20 Bethlehemer Männern, die eine Erlaubnis zur Arbeit in Jerusalem haben und dorthin wollen. Der junge israelische Soldat räkelt sich in seinem Sessel hinter dem Panzerglas und rülpst vor sich hin. Dann nimmt er das zusammengefaltete Permit (Dokument mit der Arbeitserlaubnis in Jerusalem - von 5.00 - 19.00 Uhr) und reinigt mit der einer Ecke des Papiers seine Fingernägel. Die damit zum Ausdruck gebrachte Menschenverachtung läßt sich wohl kaum noch steigern: Du bist Dreck für mich! -Ich rufe ihm zu: "Schäm dich!"

 

 

 

Vom Beginn meines Aufenthaltes in Bethlehem folgendes Ereignis: Jihad Sha'ar, 20 Jahre alt aus Tekoa, einem kleinen Dorf in der Nähe von Bethlehem beim Herodion hat sein Abitur gemacht und ist auf dem Weg zur Uni Bethlehem, um sich zu imatrikulieren. An der Bushaltestelle wird er von israelischen Soldaten des naheliegenden Militärlagers totgeschlagen. Der israelische Journalist Gideon Levy hat das nicht zu fassende Geschehen dieses Tages aufgeschrieben. – siehe Anlage.

 

Für drei Tage bin ich nach Jenin und Nablus gefahren. Auf der Strecke  - normal maximal 1.15  Stunden – die dieses Mal durch mindestens 4 Checkpoints und zahlreichen Strassensperrungen und damit verbundenen Umleitungen (weil israelische Siedlungen auf der Strecke an den Hauptstrassen liegen) „nur“ Dauer ca. 2,5 Stunden bei 110 km dauert, muss unser Taxi an einer israelischen Polizeikontrolle halten (wohlgemerkt in Palästina von Israelis kontrolliert!). Der Fahrer hat sich nichts zu Schulden kommen lassen, erhält aber ohne einen angegebenen Grund einen Strafzettel über 250 Schekel (Ca. 50 €). Von seinen 7 Fahrgästen hat er 245 Schekel bekommen. Für nichts und wieder nichts muss er also noch 5 Schekel (sozusagen der i-Punkt) draufzahlen und dazu das Benzingeld. Meine Nachfragen bei den Taxifahrern auf der Rückfahrt ergeben, dass es anderen Taxifahrern in diesen Tagen ebenso erging. Fazit: Auf diese Weise erreicht die israelische Besatzung auf Dauer die drastische Reduzierung der Fahrten, weil es sich nicht mehr lohnt und damit eine weitere Form massiver Einschränkung der Bewegungsfreiheit in Palästina. (Mit privatem PKW sind weitere Fahrten fast unmöglich, da auf Grund der Strassensperren und täglichen Umleitungen auf andere Strecken einschl. Feldwege sich kein Mensch ausser den Ortsbewohnern und Taxisfahrern auskennt).

 

Am 7.8. wurden die Noten des diesjährigen Abiturs bekannt gegeben. Gefeiert wird es mindestestens so wie eine Hochzeit – dieser Abschluss ist das höchste, was Eltern ihren Kindern mitgeben können. Doch wozu? Viele können sich das Studium nicht mehr leisten. Studentenjobs wie bei uns bei 70 % realer Arbeitslosigkeit gibt es nicht. Wofür studieren, wenn es doch keine Zukunft gibt? Studenten, die bewusst bleiben wollen (nicht die, die wegen fehlender Möglichkeiten bleiben müssen), sind die Ausnahme. Wer eine Möglichkeit sieht, ins Ausland zu kommen, versucht dies. Viele Jugendliche haben mir das haben mir dies bestätigt. Was bleibt, sind Frust und Hoffnungslosigkeit.

 

Vieles könnte ich noch berichten, doch es sind alles die Geschichten, die Sie wöchentlich hier so oder ähnlich lesen können.

Doch eines möchte ich nicht unerwähnt lassen: Alle Unterdrückung, Erniedrigung, Resignation, Hoffnungslosigkeit usw. der Menschen in Palästina haben ihnen eines nicht nehmen können: ihre unerschütterliche und umwerfende Gastfreundschaft!!! – D a s  Extrem zur anderen Realität!

Herzliche Grüsse

P. Rainer

 

 

 

 

Arij in Bethlehem hat übrigens eine hervorragende Dokumentation herausgegeben mit dem Titel "40 Jahre unter israelischer Besatzung". Leider hat sich noch kein Drucksponsor gefunden. Unter der folgenden Adresse ist sie zu lesen oder zum Download bereit. http://www.arij.org/atlas40/

 

 

 

 

"Das Mauergetto Al Walaja wird nur einen einzigen Ausweg haben. Dieser wird in Form eines Tunnels gestaltet, der die PalästinenserInnen unter die Erde zwingt, während an der Oberfläche die zionistischen Siedlungen ungehindert weiter auf palästinensischen Grundstücken expandieren können. Die Besatzungsmacht hat angekündigt, die Siedlungen Gilo und Har Gilo zu verschmelzen."

AL WALAJA - Bulldozer zerstören beim Mauerbau uralten Wald des Klosters Cremisan nahe Bethlehem - Am 15. August rollten monströse gepanzerte Bulldozer im Dörfchen Al Walaja ein. Die kleine Gemeinde unweit der Sehenswürdigkeiten Bethlehems im südlichen Teil des besetzten Westjordanlandes ist seit Jahren Zielscheibe der Hauszerstörungspolitik der Besatzungsmacht. Mehr als 17 Wohnhäuser und zahlreiche Hütten und Ställe wurden seit Beginn der israelischen Besatzung vor 40 Jahren in Trümmer gelegt. Doch diesmal kamen die Bulldozer nicht, um ein Haus einzureißen. Diesmal fuhren sie geradewegs in den uralten Wald am Dorfrand. [weiter]

Oben: Einer von 300 Bäumen, die am 15. August in Al Walaja für den Bau der Apartheidmauer gerodet wurden.

 

 

 

 

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