Einige versuchen als Seiteneinsteiger einen
Zeitvorteil zu gewinnen.
Damit die Touristen nicht so "belastet" werden und das
alles miterleiden, miterleben müssen, gibt es für sie einen gesonderten
Durchgang.
Was
ist Hoffnung ? Was ist Zukunft ? Inshalah ? - (So
Gott will ?)
Wie
lange noch ??? -
12.10. 2007In der
möglichen Kürze nur ein paar Ereignisse
herausgreifen, die mich besonders betroffen gemacht
haben.
1. Die oben gestellten Fragen
machen sich ausgesprochen oder auch nicht immer mehr
breit in Bethlehem und Palästina? Wie kann ein
Mensch weiterleben, der keine Hoffnung mehr hat und
keine Zukunft mehr für sich sieht? Damit stirbt der
Wille zum Leben. Durch viele Familien in Bethlehem
geht der Riss der Teilung, bleiben und langsam
sterben oder auswandern und irgendwo im Ausland neu
anzufangen. Das ist keine theoretische Frage, es
geht ums Überleben - nicht nur weil kaum noch Geld
da ist, um Brot und alles Notwendige zu kaufen,
sondern was ist mit der Zukunft für die Kinder? Die
ist absolut nicht mehr in Sicht, geschweigedenn
planbar. Mit "In shallah" - "So Gott will" kann
man sich zwar eine Zeit lang vertrösten und über
Wasser halten - aber lebenslang?!!!
Seit Februar haben alle
Angestellten der Behörden kein Gehalt mehr bekommen
(Stellen Sie sich das bitte einmal für Ihre Familie
vor!). Das Schuljahr hat am 2.9.06 begonnen. Das
heisst, dass ausser den privaten und christlichen
Schulen bis jetzt noch kein Unterricht stattgefunden
hat, da die unbesoldeten Lehrer ebenfalls im Streik
sind. Eine erfreuliche Aussnahme durfte ich in
Hebron erleben:
Mein Freund Ahmed, der als Lehrer
aus Not im Service in einem Hotel in Bethlehem
arbeitet, wenn Gäste dort sind - wendet seit über 4
Jahren mit grossem Erfolg die Drama Methode im
Unterricht an. Er hat sie selber entwickelt. Ich
durfte am Montag dieser Woche seine Klassen
besuchen. Phänomenal. Bei den Schülern, die da
mitmachen (er hat inzwischen über 11 Gruppen) haben
sich bei über 50 % der Schüler die Noten um 2-3
Stufen verbessert, weil die Schüler jetzt gerne zur
Schule kommen und lernen wollen. Selbst in diesen
Wochen des Lehrerstreiks kommen sie zu ihm nach
Hause und bitten ihn zur Schule zu kommen. Seine
Schule war bis Montag die einzige in Halhul (30.000
Einwohner), die geöffnet hatte. Der Direktor ist
Mitglied von Hamas, mit der die politisch
Verantwortlichen in den USA Europa nicht reden
wollen. Nach unserem Besuch mit kleinen Vorführungen
und Schülergesprächen war unser Besuch das
Stadtgespräch. Noch mehr Schüler wollen
jetzt mitmachen in diesem Programm, Lehrer machen
mit, der Direktor steht voll dahinter. Einen Tag
später haben bereits 3 weitere Schulen wieder ihren
Unterricht aufgenommen. Und warum das alles: weil da
jemand aus dem Ausland sich für sie interessiert,
Anerkennung zollt, ermuntert, zur Schule zu kommen
und für die eigene Zukunft und die Palästinas zu
lernen. So einfach kann es sein, so etwas kann
geschehen, wenn man Menschen nicht gleich in die
Terroristenschulade steckt, sondern sie als
Menschen, als Väter und Mütter, als Schüler und
Lehrer ein bißchen Anerkennung und Achtung schenkt.
2. Viermal war ich für mehrere Stunden am Terminal
300 (kein Sicherheits-Check
an einem Flughafen in Europa ist damit
vergleichbar!) - wie das Monstrum von Checkpoint am
Eingangstor von Jerusalem nach Bethlehem an der 8 m
hohen Mauer heisst. Allein der Gang durch dieses
Monstrum ist eine unerträgliche Demütigung
für Palästinenser, die die Erlaubnis haben, in
Jerusalem zu arbeiten (ca. 4000 im Distrikt
Bethlehem) : durch eine kleine Tür in der Mauer,
durch sechs enge Drehkreuztüren (60 cm),
Körpercheck, Abllegen von Schuhen und Gürtel,
Durchleuchtung des Handgepäcks, 2-3 Pass-Checks,
alles überwacht von israel. Soldaten mit dem Finger
am Abzug oberhalb des Ganges auf Laufgittern,
angeschnauzt von SoldatenInnen über schnarrende
Lautsprecher in einem Ton, den unsere Hunde nicht
einmal von ihren Besitzern hören.
Wer all das bis zur letzten
Passkontrolle geschafft hat, wird u.U. ohne Angabe
von Gründen wieder zurückgeschickt, seine
Erlaubnis kann ihm grundlos abgenommen werden, weil
es dem gerade dort sitzenden 18-jährigen Soldaten
gerade so passt. Einigen konnte ich helfen, trotzdem
durchzukommen, weil ich möglichst lange dort
stehenblieb um aufzupassen, was geschieht und
einzugreifen. Sie mögen absolut keine beobachtenden
Ausländer! Das ist manchmal eine Chance zur Hilfe!
Ein Höhepunkt dieses Schauspiels
findet an jedem Morgen früh zwischen 4.00 und 6.00
Uhr statt. Zwischen 1.500 und 3.000 Männer, die eine
Arbeitserlaubnis für Jerusalem haben, versuchen
durch Mauer und Checkpoint zur Arbeit zu kommen.
Einmal habe ich das erlebt!!! Je nach Willigkeit der
israel. Soldaten dauert diese Prozedur zwischen 45
Minuten und 2 Stunden. Eine halbe Stunde "Pause" =
Schließung der Tür genügt und die Schlange der
Warteneden wächst ins unübersehbare. Alles
regunglose Männer, die wortlos mit scheinbarer
Geduld die Prozedur über sich ergehen lassen. Ein
Wort der Erregung wäre das Ende. Doch was in ihnen
vorgeht, verraten die Gesichter. Dann folgt der
Arbeitstag, am Nachmittag ein ähnliches Drama beim
Rückweg, ein bisschen kürzer. Und nach einem solchen
12-15 Stunden Tag vielleicht 15 - 25 Euro in der
Tasche, um die Familie über Wasser zu halten. - Doch
noch einmal: beschreiben lässt sich das nicht, nur
selber erleben.
Am vergangenen Freitag (6.10.):
um 9.00 wollen ein paar tausend Väter und einige
Mütter mit ihren Kindern, junge und alte Menschen
nach Jerusalem zum Freitagsgebet zur Moschee auf den
Tempelberg, es ist ja Ramadan. Höchste Brutalität
der Soldaten gegenüber den ruhig wartenden Menschen.
Drei Stunden stehen sie. Zwischendurch werden Sie
mehrfach mit ohrenbetäubenden Soundbombs und
Tränengas beschossen. Jeeps fahren einfach in die
Menschenmenge, die aber auf der kleinen schmalen
Strasse entlang der Mauer hin zur kleinen Tür kaum
Platz hat, auszuweichen. "Rambo"- so sein Spitzname,
ausgestattet wie in einem Dschungeleinsatz mit
Messer und Gewehr, ausgerechnet ein Deutscher, der
vor 15 Jahren aus Berlin nach Israel eingewandert
ist und sich jetzt hier austobt, tut "nur seine
Pflicht", wie er mir aggressiv sagt und schreit die
Menschen wie Tiere an. Er ist inzwischen wegen
seiner bekannten Brutalität zu einem
der Vorgesetzten am Checkpoint aufgestiegen - auch
eine Art von Auszeichnung.
So viel Menschenverachtung und
Demütigung von Menschen wie an diesem Tag habe ich
persönlich noch nie erlebt - und doch weiss ich: es
ist nur ein kleiner Ausschnitt von dem, was täglich
geschieht. Fast drei Tage bringe ich kaum einen
Bissen hinunter. Vorgestern abend sagt man mir am
Telefon, dass es heute noch viel mehr Menschen
waren, dass zu allem schon bekannten noch die
Schlagstöcke und Gummigeschosse eingesetzt und
einige verletzt wurden.
Natürlich bekommen von all dem
eventuelle Bethlehem-Pilger und Touristen nichts
mit, da sie einen anderen Weg nach Bethlehem wählen
können.
Zur Illustration Bilder vom
Checkpoint Bethlehem. Sarkasmus pur: es steht an der
Mauer im Checkpoint auf Jerusalemer Seite auf einem
Riesenplakat "Peace be with you - The Israel
Ministery of Tourism" und am Tor von Bethelehem
Richtung Jerusalem:
"Welcome to Jerusalem" - Und in
den Gängen des Checkpoints wiederholt "Keep the
terminal clean!" Kommentierung überflüssig.
3. Betroffen gemacht hat mich
wieder die unbeschreibliche Gastfreundschaft der
Menschen in Bethlehem und Hebron. Wenn Besuch kommt,
wird das letzte gegeben, auch jetzt, in einer
langandauernden Situation, wo so ziemlich jede
Familie am letzten zehrt. Danke!
Dramatisch verschlechtert hat
sich die Lage der Schnitzerfamilien. Durch das
Ausbleiben der Touristen sind ihre
Absatzmöglichkeiten völlig zum Erliegen gekommen. Es
bleibt nur der Versuch, im Ausland ihre
Schnitzereien anzubieten. Der Preis für das
Olivenholz hat sich inzwischen in den letzten 5
Jahren vervierfacht, dazu kommen die hohen
Transportkosten aus den nördlichen Teilen durch das
vielfache Umladen an den Checkpoints im Land. So
findet auch jetzte bereits im 5. Jahr unsere
Hilfsaktion für über 40 Bethlehemer
Schnitzerfamilien statt. Sie können helfen. Ich kann
Ihnen genügend Möglichkeiten anbieten. Anfrage
genügt.
Vieles ließe sich berichten,
Eindrücke, Fakten, Erfahrungen, Begegnungen usw.
aber: am besten, Sie fahren selber hin, werden
Augenzeuge, lassen sich nicht von Medienberichten
beeinflussen, hören selber zu, schauen hin, .....Die
Menschen in Israel und besonders in Palästina warten
auf Sie und Ihr Interesse.
Oder Sie lesen das neue Buch der
israelischen Journalistin Amira Hass "Morgen
wird es schlimmer" - Dort finden Sie die
menschlichen Alltagsdramen aus Palästina! Ich möchte
Ihnen dieses Buch herzlich empfehlen (siehe unten!)
!
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