Als Israels selbst auferlegter und weithin
irrelevanter Siedlungsbaustop endete, bat der israelische
Ministerpräsident B. Netanyahu die Siedler, „Zurückhaltung“ zu üben. Es
ist eine interessante Wahl des Adjektivs …Im Kontext der Westbanksiedler
und Israels illegaler Kolonisierung könnte kein Adjektiv unpassender
sein. Doch unbewusst enthüllt es auch die Verlogenheit hinter Israels
Art und Weise, mit diesen Verhandlungen umzugehen.
Siedlungen – oder um genauer zu sein – illegale
Kolonien nur für Juden, sind nicht zufällig entstanden; noch sind sie so
etwas wie ein unglückliches, aber vermeidbares historisches
Überbleibsel. Sie gehören vielmehr zu Israels zentraler Politik, was
die besetzten palästinensischen Gebiete betreffen.
Zentral geplant, finanziert und geschützt, ist es das
Ziel der Siedlungen, strategisch wichtig zu sein. Welche Ziele es sein
sollten , wurde schon im Sommer 1967 mit dem Allonplan enthüllt, also
kurz nachdem Israel die Westbank besetzt hatte. Der Plan wurde von
Yigal Allon, dem früheren General und späteren Arbeitsminister,
entwickelt und nach ihm benannt. Dazu gehörte, dass Israel große Teile
der Westbank, einschließlich des Jordantales, Ost-Jerusalem und Gebiete
rund um Hebron annektiert. Unterdessen sollte der größere Teil der
palästinensischen Bevölkerung nach einem sog. Friedensabkommen wieder
unter jordanische Kontrolle kommen. Obwohl der Plan nie angenommen
wurde, hat er als Grundlage für die israelische Siedlungspolitik und für
Friedensvorschläge gedient. Auf einander folgende israelische
Regierungen haben den Allonplan ihren Wünschen angeglichen,
einschließlich der Beschlagnahme der Hauptwasser-Aquifere in der
nördlichen Westbank.
Ein kurzer Blick auf die Teilung der Westbank nach
dem Oslo-Abkommen in die Zonen A, B und C zeigt klar, dass die Zone C
eine Gebiet ist, das unter voller israelischer Kontrolle bleibt. Diese
Vision der Annexion und Enteignung wurde in die Praxis umgesetzt. Zone
C umfasst 59 % der Westbank aber nur 4% der palästinensischen
Bevölkerung. Es ist der Teil, auf dem alle jüdischen Siedlungen stehen.
Die Unglücklichen, die dort leben, erleben alle Arten von
diskriminierenden Gesetzen und Praktiken.
Das UN-Office für die Koordinierung der humanitären
Angelegenheiten stellt fest, dass 96% der palästinensischen Anträge für
Baugenehmigungen abgewiesen wurden und die wenigen, die genehmigt
wurden, sich auf 1% des Gebietes beschränken. Unterernährung ist auch
ein Problem bei 28 % der Kinder von Hirtengemeinschaften. Sie sind im
Wachstum zurück geblieben ( Food Security and Nutrition Survey of
Herding Communities in Zone C)
Amnesty International hat berichtet, dass im
Jordantal die Quellen wegen Übernutzung durch die Siedlungen
austrocknen, während die israelische Armee die Palästinenser daran
hindert, Regenwasser zu sammeln ( Der Tag an dem die Bulldozer kamen, ai,
27.Oktober 2009).
Unterdessen haben ganz in der Nähe dieser bewussten
Enteignung und Verarmung die Siedlungen nur für Juden einen grünen
Rasen, ihre Schnellstraßen nur für Juden und ihre subventionierten
Häuser.
So erschreckend all dies ist, ist es wichtig, sich
daran zu erinnern, dass dies nicht zufällig ist: das ist die geplante
Auferlegung eines kolonialen Apartheidsystems, dessen Ziel die ethnische
Säuberung ist. Selbst während des Höhepunktes des Osloer
Friedensprozesses in den 90ern, hat sich die Zahl der Siedler
verdoppelt. Kurz gesagt: der jüdische Siedlungsbau ist für die
israelische Politik so zentral, dass es niemals bereit war, diese
einzuschränken, auch nicht für den Preis des Friedens.
Doch all dies ist so unnötig. Die Siedlungen sind
illegal. Sie verletzen das Humanitäre Völkerrecht, das internationale
Menschenrechtsgesetz., eine Entscheidung von 2004 vom Internationalen
Gerichtshof in Den Haag, zahlreiche Resolutionen des UN-Sicherheitsrats,
des UN-Menschenrechtsrat und der Vollversammlung und die oft zitierte
Roadmap des Quartetts ( US, EU, UN und Russland) .
Doch all dies kann gelöst werden; alles was nötig
wäre, ist, dass Israel nach denselben Rechtsnormen wie jeder andere
Staat in der Welt behandelt wird. In diesem Kontext ist es für
Netanyahu geradezu lächerlich, die Siedler, die er ermutigt, finanziert
und schützt, aufzurufen, Zurückhaltung zu zeigen. Zurückhaltung
haben viel mehr die Palästinenser gezeigt, die darauf warten, dass die
internationale Gemeinschaft gegenüber der grundsätzlichen Verlogenheit
Israels aufwacht und sie dahin bringt, tatsächlich die internationalen
rechtlichen Standards, die sie geschaffen hat, zu erfüllen.
Richard Irvine gibt einen Kurs an der Belfaster
Queens-Universität mit dem Titel: „Die Schlacht für Palästina“. Es ist
die ganze Geschichte des Konfliktes. Irvine hat auch schon freiwillig in
den palästinensischen Flüchtlingslagern im Libanon gearbeitet, am
Pflanzen von Olivenbäumen und an der Olivenernte in der Westbank
teilgenommen.