Volkstracht und Stickerei früher und heute
Wie schon erwähnt, haben sich in den letzten 50 Jahren die
örtlichen Besonderheiten der Stickerei und der Trachten im
allgemeinen vermischt. Durch die modernen Verkehrsmittel
wurde es den Frauen möglich, weiter und öfter zu reisen als
früher. Sie lernten die Gestaltungsprinzipien anderer Orte
kennen und übernahmen Motive von importierten Teppichen,
Musterbüchern und anderen Materialien, die sie in der Stadt
gesehen hatten. Auch gesellschaftliche Faktoren spielten bei
der Vermischung der lokalen Stickereitraditionen eine Rolle.
Die wichtigste davon war die Erweiterung des Heiratskreises.
Früher wurde der Ehepartner unter Verwandten oder den
Bewohnern desselben Dorfes oder derselben Stadt gewählt,
oder die Partner stammten aus benachbarten Orten. Nun aber
brachten die Bräute aus weiter entfernten Gebieten ihre
heimischen Stickereiformen mit und beeinflußten dadurch die
Trachten im Dorf des Bräutigams. Andererseits lernten die
Verwandten der Braut bei Besuchen im Dorf des Mannes die
dortigen Traditionen kennen und übernahmen nun ihrerseits
Elemente davon.
Die Produktion der Trachten
Der Ruhm der Kordelstickerei verbreitete sich in
den 20er Jahren in vielen Gebieten Palästinas. Das führte
zur Entwicklung einer gewerblichen Stickerei in Bethlehem
und im nahegelegenen Beit Dschala. Einige Frauen stellten
nun beruflich bestickte Bruststücke und Seidenstreifen für
Ärmel und Seitenteile her, die dann meist durch wandernde
Händler verkauft wurden. Man nähte diese Stücke auf die
fertigen Kleider auf. Überhaupt wurden oft die bestickten
Teile, wenn die Kleider abgetragen waren, von diesen
abgetrennt und auf neue aufgenäht. Das wird noch heute
praktiziert. Neben dem käuflichen Erwerb fertig bestickter
Stücke gab es auch Nachahmungen der Kordelstickerei in
vielen Dörfern.
Außer der Stickerei wurde auch die Brauttracht von Bethlehem
weithin berühmt und von den Frauen in benachbarten Orten
übernommen. Das thob al-malik und die taqsira bildeten seit
den 20er Jahren zwei wesentliche Stücke der Aussteuer, die
der Bräutigam, wenn es seine finanziellen Verhältnisse
erlaubten, der Braut übergeben mußte.
Abgesehen von der Aufmerksamkeit, die die palästinensischen
Frauen ihren Trachten schenken, verwenden sie auch große
Sorgfalt auf die Ausschmückung der Häuser mit Stickereien in
Form von Kissen, Wandbehängen und Tischläufern. Bei diesen
Arbeiten wird der Kreuzstich angewandt. Manchmal verwenden
die Frauen auch gut erhaltene Bruststücke von Kleidern, um
daraus Kissen anzufertigen.
Die palästinensische Männertracht
Die Männertrachten Palästinas unterscheiden sich von denen
der Frauen durch große Schlichtheit. Die am meisten
verbreitete Tracht besteht gewöhnlich aus einem langen
Gewand (qumbas), Hosen (sirwal), weißer Baumwollkappe,
Kopftuch (hatta) und Kopfringen (iqal), Gürtel, Jackett und
Umhang (aba'a). Diese Kleidung tragen alle Dorfbewohner und
auch viele Städter.
Der qumbas ist ein fußlanges, vorn offenes Gewand mit engen
langen Ärmeln. Er wird wie ein Mantel getragen. Wenn er
geschlossen wird, schlägt man eine Seite über die andere und
bindet sie mit Hilfe von Bändern, die innen und außen
angebracht sind. Meist wird ein arabisches Hemd im
orientalischen Schnitt darunter getragen. Es hat einen
Bündchenkragen, der etwas höher als der des qumbas ist.
Der einfache qumbas, der am üblichsten ist, wird aus
graublauem Seidenstoft (atlas) hergestellt. Der schlichte
qumbas besteht nur aus gestreiftem Leinen. Er ist billiger
und wird dimaya genannt. Der luxuriöse qumbas besteht aus
hellbeiger Seide (al-rusa) oder aus hellbeiger Seide mit
dunkleren Mustern (ghabani, syrischer Import).
Unter dem qumbas wird eine weiße, schwarze oder dunkelblaue
Hose (sirwal) getragen. Meist trägt man die weißen im Sommer
und die dunklen im Winter. Stoffqualität und Farbe des
sirwal werden durch den qumbas bestimmt. Die gewöhnliche
Hose besteht auch aus Leinen. Um die Hüfte ist der sirwal
etwas weit und unten eng. Eine Schnur hält die Weite
zusammen.
Taqiye heißt eine Kappe aus Baumwolle oder Wolle, die in
Handarbeit gefertigt wird. Obwohl sie käuflich erworben
werden kann, stellen manche Männer sie auch selbst her. Die
baumwollene taqiye wird meist unter dem Kopftuch (hatta)
getragen. Da sie den Schweiß aufsaugen soll, wird sie auch
»Schweißkappe« (araqiya) genannt. In manchen Gegenden trägt
man wollene Kappen als alleinige Kopfbedeckung während der
Arbeit.
Das Männerkopftuch (hatta, auch kufiye genannt) ist ein
viereckiges Stück weichen weißen Baumwollstoffes, das zum
Dreieck gefaltet um den Kopf gelegt wird, wobei die Zipfel
auf Schultern und Nacken herabfallen. Gehalten wird es durch
den Kopfring (iqal). Dieser ist eine aus Kamel- oder
Ziegenhaar gedrehte schwarze Schnur, die doppelt um das
Kopftuch gelegt wird. Am Hinterkopf hängen zwei oder mehrere
dünne Schnüre mit kleinen Troddeln herab, die von gleichem
Material und gleicher Farbe wie der iqal sind.
Der Gürtel besteht gewöhnlich aus schwarzem Seidenstoff mit
kleinen Fransen. Ist er an beiden Enden mit Silberstreifen
verziert, wird er schamla genannt. Man schlingt ihn mehrmals
um den qumbas. Ein anderer, festlicher Gürtel, den die Alten
tragen, besteht aus weichem Wollstoff, manchmal auch aus
Seide mit eingewebten farbigen Ornamenten. Viele Männer
benutzen auch einen gewöhnlichen Lederriemen als Gürtel,
oder man trägt den qumbas ganz ohne Gürtel.
Über dem qumbas wird gewöhnlich ein kurzes europäisches
Jackett getragen, das manchmal knielang ist. Qualität und
Farben seines Stoffes werden von der Art des qumbas
bestimmt.
Die aba'a ist ein mantelartiger Überwurf. Im Sommer besteht
sie aus dünner, transparenter, weicher weißer oder beiger
Wolle. Die winterliche aba'a besteht aus dicker Wolle, meist
braunem oder schwarzem Kamelhaar. Sie ist rechteckig
geschnitten und hat an den Seiten oben je eine Öffnung für
die Hände. Vorn ist sie offen und besonders am Hals mit
Ornamenten aus gestickten Goldfäden verziert. Die aba'a ist
keine Arbeitskleidung und auch kein volkstümliches
Kleidungsstück, sondern wird bei besonderen Gelegenheiten
und von Männern in gehobenen gesellschaftlichen Positionen
getragen. Sie ist nicht typisch für Palästina, sondern ist
in allen Ländern des arabischen Ostens zu finden.
Die Arbeiter an der Küste tragen eine besondere Tracht, vor
allem in den Hafenstädten Jaffa und Akka. Sie besteht aus
dem arabischen Hemd, einer Weste (sdeiri), einer Hose (sirwal),
Gürteltuch (schamla) und dem Tarbusch. Die sdeiri ist eine
hüftlange, ärmel- und kragenlose Weste. Sie kann mit Hilfe
von Schlaufen und gedrehten Knöpfen vorn geschlossen werden.
Knöpfe und Schlaufen sind von einigen Ornamenten - in
ähnlicher Farbe wie die Weste - aus dicken Seidenfäden
umgeben. Die Hose (sirwal) ist bei dieser Tracht oben
breiter, weiter und faltenreicher als der gewöhnliche sirwal,
der schon erwähnt wurde, und hat außerdem im Gegensatz zu
ihm an den beiden Seitentaschen in Kordelstickerei
aufgestickte Ornamente in der gleichen Farbe wie der Stoff.
Das ebenfalls bereits erwähnte Gürteltuch (schamla) wird
hier über den oberen Rand der Hose um die Taille geschlungen
und befindet sich unter der Weste.
Die Volkstracht der Frauen
Früher drückte sich die Zugehörigkeit zu einer
bestimmten Sippe oder einem Stamm in der Kleidung aus. Dann
erweiterte sich der Kreis auf ein Dorf oder eine Stadt, bis
schließlich ein ganzes Gebiet erfaßt wurde und man letztlich
von einer Nationaltracht sprechen kann. Bis zu Beginn
unseres Jahrhunderts war es leicht, die Herkunft einer Frau
durch ihre Kleidung zu bestimmen, man konnte oft sogar den
Ort feststellen, aus dem sie kam. Seit den 20er Jahren wurde
das jedoch schwieriger. Durch das Eindringen moderner
Verkehrsmittel, die das Reisen erleichterten, wurden die
Besonderheiten der Kleidung dieses oder jenes Dorfes oder
Gebietes in anderen Landesteilen bekannt und übernommen.
Manche Besonderheiten einzelner Trachten verwischten sich.
Bei der Übernahme anderer Elemente wählten die Frauen das
aus, was sie schön fanden, ließen sich davon anregen und
fügten so ihrer eigenen Kleidung neue Elemente hinzu. Einige
Trachten aber erhielten sich trotzdem in ihrer
traditionellen Form, wie z. B. die der Frauen von Bethlehem.
Die unterschiedlichen Trachten
Im folgenden
soll im wesentlichen nur die Tracht der Bäuerinnen und
einfachen Arbeiterinnen, die die Mehrheit der
palästinensischen Frauen bilden, erläutert werden.
Geographisch betrifft dies hauptsächlich Mittel- und
Südpalästina. Das betrifft sowohl Moslems als auch die
christlichen Minoritäten. In den großen Städten trugen die
sozial besser gestellten Frauen meist importierte Kleidung.
Gegen Ende der Osmanenherrschaft kleideten sie sich nach
türkischer Art, mit einem die Figur vollständig verhüllenden
Schleier, und nach dem ersten Weltkrieg, als Palästina unter
britischer Mandatsherrschaft stand, begannen sie sich
europäisch zu kleiden.
Trotz der ursprünglichen Besonderheiten der Trachten in den
verschiedenen Landesteilen kann man bei den meisten von
ihnen gemeinsame Elemente feststellen, die die typische
palästinensische Tracht charakterisieren. Das betrifft in
erster Linie den Schnitt der Gewänder, die Verteilung der
Stickerei auf ihnen und die Wiederkehr ganz bestimmter
Stickmotive in ganz Palästina. Die Tracht besteht im
wesentlichen aus einem langen Kleid mit engen oder weiten
Ärmeln, einem Gürtel, einer Kopfbedeckung mit aufgenähten
Münzen und einem langen Schleier darüber. Kleid, Haube und
oft auch der Kopfschleier waren meist bestickt. Dazu gehörte
noch Schmuck. In einigen Gegenden, wo die Frauen sehr viel
auf dem Feld zu arbeiten hatten, wurden aus Zeitmangel keine
bestickten Kleider angefertigt.
Das Arbeitskleid
Die palästinensische Frau hatte üblicherweise drei Typen von
Kleidern. Das Arbeitskleid ist aus einfachem, billigem Stoff
genäht und hat wenig Stickerei. Das einfache Festkleid (thob)
besteht aus kostspieligerem Stoff, hat oft spezielle, den
lokalen Traditionen entsprechende Besonderheiten und ist an
den entsprechenden Partien mit dichter, sorgfältiger
Seidenstickerei versehen. Dazu kommen die Brautkleider. Die
gebräuchlichste Form war die der dschilaye. Sie
unterscheidet sich vom gewöhnlichen Festkleid vor allem
durch die Verzierung der vorderen Rockseite, die sonst frei
bleibt. Die dschilaye hat in jedem Gebiet ihre
Besonderheiten. In Bethlehem gab es ein besonders berühmtes
Brautkleid, das malak, welches aus gestreiftem Samt genäht
war. Dazu gehörte noch ein reich besticktes kurzärmeliges
Samtjäckchen (taqsira).
Das Brautkleid
Das Brautkleid war das wichtigste Kleidungsstück
der Aussteuer und wurde nach der Hochzeit noch bei ganz
besonderen privaten oder öffentlichen Festen getragen. Die
Form der Ärmel der Kleider war unterschiedlich - es gab
lange oder dreiviertellange, die unten eng waren, oder man
hatte weite, schwingende, die manchmal sehr lange Zipfel
besaßen. Diese wurden bei der Arbeit hinten zusammengebunden
oder in den Gürtel gesteckt. Brust, Seiten, Ärmel und der
hintere untere Rockteil wurden bestickt, ebenso die
Schulter- und Nackenpartie, die meist noch mit einem Stück
Seide oder Samt besetzt war.
Der Gürtel (schaddad oder hisam) besteht meist aus Stoff,
unterschiedlich in Qualität und Farbe. Es gibt Gürtel aus
gestreiftem Satin, aus Wolle und aus Baumwolle. Sie werden
entsprechend den lokalen Gepflogenheiten in verschiedener
Weise um die Taille gebunden und dienen manchmal auch als
Tasche.
Die Kopfbedeckung
Die Kopfbedeckung (wuqa oder semada) ist von Ort zu Ort
unterschiedlich. Im allgemeinen besteht sie aus besticktem
Baumwoll- oder Leinenstoff, auf den alte Silbermünzen oder,
seltener, auch Goldmünzen genäht werden. Oft ist hinten eine
Stoffwust befestigt, mit deren Hilfe die Haare verdeckt oder
festgehalten werden. In Bethlehem trägt man eine besondere
Form, die schatwa. Sie ähnelt dem tarbusch (Fez), ist
ebenfalls bestickt und vorn mit Silber- oder Goldmünzen,
manchmal auch mit Korallen verziert. Viele Kopfbedeckungen
werden durch eine oder mehrere Ketten mit Münzen unter dem
Kinn gehalten.
Der Kopfschleier (ghudfa oder khirka) besteht aus einem
rechteckigen oder quadratischen Stück Baumwoll-, Woll-,
Leinen- oder Seidenstoff, meist weiß oder rot. Manche
Kopfschleier sind entsprechend den Traditionen der
jeweiligen Gegend bestickt und mit Fransen versehen. Man
verwendet auch einfachen weißen oder hellgestreiften Stoff.
Dieser Kopfschleier wird noch über der wuqa in verschiedener
Weise getragen, das Gesicht bleibt unverhüllt.
Die Schuhe haben keine Besonderheiten, da das Gewand bis zu
den Füßen der Frau reicht und sie oft auch barfuß ging.
Zwischen
den Frauentrachten Mittel- und Südpalästinas und denen von
Galiläa im Norden bestehen große Unterschiede. Es soll hier
nur eine bestimmte Tracht erwähnt werden, die bis zum Ende
des 19. Jh. fast überall in Galiläa getragen wurde, seit
Beginn dieses Jahrhunderts jedoch nur noch in einigen
Dörfern Obergaliläas anzutreffen war. Zu ihr gehört ein
langer, oben enger Mantel aus dunklem Baumwollstoff
(indigoschwarz, dunkelrot) mit kurzen Ärmeln, der vorn offen
ist. Auf den in Hüfthöhe eingesetzten Seitenteilen und dem
Rücken ist er reich und schön bestickt und vorn und an den
Ärmeln mit farbiger Samt- oder Seidenapplikation verziert.
Dieser Mantel wird über einem knielangen weißen Hemd mit
einfachen bündchenlosen Ärmeln getragen. Unter diesem Hemd
trugen die Frauen Hosen in der Farbe des Mantels, manchmal
auch weiße, deren untere Teile bestickt waren. Den Kopf
umhüllten sie sich mit dunklem Stoff, der bis zu den
Schultern reichte, den Hals umschloß und im Nacken
zusammengebunden wurde. Darüber legte man eine farbige
Seidenbinde, die am Hinterkopf geknotet wurde, die Zipfel
hingen lang herunter.
Die am meisten verbreitete Farbe der palästinensischen
Frauenkleider ist dunkelblau (indigo). Man findet auch sehr
viele schwarze und manchmal weiße Kleider. An einigen Orten,
z. B. in den beiden Städten Ramallah und Bira, trägt man im
Winter dunkelblaue und im Sommer weiße Gewänder. Je nach den
örtlichen Traditionen werden auch andersfarbige Kleider
getragen. Im Gebiet von Medschdel hatte man Gewänder aus
schwarzem bzw. indigofarbenem Stoff mit farbigen
Randstreifen in Purpur, Rot, Hellblau oder Grün. In
Bethlehem werden Kleider aus dem al-khidari
al-mubarsam-Stoff getragen, der schmale, vorwiegend rote
Streifen hat.
Die palästinensische Stickerei
Die palästinensische Stickerei wird hauptsächlich in drei
Techniken ausgeführt: Kreuzstich, genannt Bauernstich (al-fellahiye),
Kordelstickerei (tahrin und raschiq) und Plattstich (laff).
Dazu kommt noch der Saum- oder Applikationsstich, mit dem
die Kleidersäume verziert und die verschiedenen Seiden- und
Samtstücke aufgenäht werden. Die Stickerei Obergaliläas
(Nordpalästina) hebt sich durch die Verwendung anderer
Techniken und Muster von der im übrigen Palästina ab. Als
Stickmaterial dient Seide, manchmal auch Baumwolle.
Der Kreuzstich dominiert. Er ist auf jedem Kleid zu finden,
ausgenommen auf denen aus Bethlehem. Bei dieser Art von
Stickerei werden zählbare Muster gebildet. Die
vorherrschende Farbe ist Rotbraun. Sie wird je nach
Geschmack des Mädchens oder der Frau durch verschiedene
leuchtende Farben ergänzt, so daß eine angenehme Harmonie
entsteht. Bei der eleganten Kordelstickerei werden auf Seide
(hermes) dicke, gezwirnte Seidenfäden aufgenäht. Sie ist
typisch für Bethlehem und war ursprünglich nur dort zu
finden. Bei dieser Technik werden wellen- und kreisförmige
Ornamente, inspiriert durch Blüten und andere pflanzliche
Motive, gebildet. Die Grundfarben sind Gold, Silber und Rot.
Hinzu kommen andere Farben als Ergänzung.
Der
Plattstich dient zur Füllung von Leerräumen in den
Ornamenten der Kordelstickerei und bildet somit kein
selbständiges Element in der palästinensischen Stickerei.
Man arbeitet hier mit vielen verschiedenen leuchtenden
Farben.
Die Formen und Namen der Grundornamente, die in den meisten
Gegenden Palästinas verwendet werden, beruhen auf der
Verbindung der Palästinenser mit ihrer natürlichen Umgebung
und ihrem gesellschaftlichen Leben. Folgende Bezeichnungen
sind zu finden: Zypressen, Ähre, Feder, hohe Palme,
Rosen-»Reihe«, Apfel-»Reihe«, Tomaten-»Reihe«, Blumentopf,
Vögelchen, Igel, Kuhauge, Halskette, Pascha-Zelte, Monde,
Sterne, Leuchttürme, Kissen, Schwert-»Reihe«, Amulett,
Sicheln, Kamm, Uhr. Diese Namen zeigen die Liebe der
palästinensischen Frauen zu ihrer Umgebung und ihrem Leben,
besonders auch ihre enge Bindung an den Boden und den
Ackerbau. Die meisten von ihnen sind Namen, die mit der
Landwirtschaft zusammenhängen, mit Dingen, die im täglichen
Leben der palästinensischen Frauen und Männer eine wichtige
Rolle spielten.
Die Unterschiede im Aussehen der Gewänder der verschiedenen
Ortschaften und Gebiete Süd- und Mittelpalästinas bestehen
nicht in der Verwendung unterschiedlicher Ornamente, sondern
in der Art der Anordnung von relativ wenigen Grundmotiven
auf den Kleidern. Hinzu kommen noch die im vorherigen
Abschnitt schon erwähnten Unterschiede.
Volkstracht und Stickerei früher und heute
Wie schon erwähnt, haben sich in den letzten 50 Jahren die
örtlichen Besonderheiten der Stickerei und der Trachten im
allgemeinen vermischt. Durch die modernen Verkehrsmittel
wurde es den Frauen möglich, weiter und öfter zu reisen als
früher. Sie lernten die Gestaltungsprinzipien anderer Orte
kennen und übernahmen Motive von importierten Teppichen,
Musterbüchern und anderen Materialien, die sie in der Stadt
gesehen hatten. Auch gesellschaftliche Faktoren spielten bei
der Vermischung der lokalen Stickereitraditionen eine Rolle.
Die wichtigste davon war die Erweiterung des Heiratskreises.
Früher wurde der Ehepartner unter Verwandten oder den
Bewohnern desselben Dorfes oder derselben Stadt gewählt,
oder die Partner stammten aus benachbarten Orten. Nun aber
brachten die Bräute aus weiter entfernten Gebieten ihre
heimischen Stickereiformen mit und beeinflußten dadurch die
Trachten im Dorf des Bräutigams. Andererseits lernten die
Verwandten der Braut bei Besuchen im Dorf des Mannes die
dortigen Traditionen kennen und übernahmen nun ihrerseits
Elemente davon.
Spinnen und Weben
Spinnen
und Weben sind in Palästina seit Jahrtausenden üblich und
schon bei den Kanaanäern bekannt (Funde bei Akka). Die
Phönizier übernahmen von ihnen z. B. auch die Herstellung
purpurgefärbter Stoffe, für welche sie weithin berühmt
wurden. Die Farbe dafür wurde aus Meeresschnecken
(Purpurschnecken, Murex) gewonnen. Diese Purpurfärberei
blühte bis in das frühe Mittelalter, d.h., bis in die Zeit
nach der Ausbreitung des Islam und in die Zeit der
Kreuzfahrer.
Über die Herstellung von Stoffen in jüngerer Zeit
berichteten zahlreiche Reisende, die Palästina im
vergangenen und zu Anfang unseres Jahrhunderts besuchten, so
z. B. Lithgow (1814), Burckhardt (1822) und Dalman (1937).
Dieses Gewerbe war in Palästina weitverbreitet. Safed,
Nazareth, Nablus, Beit Dschala, Hebron, Medschdel und Gaza
waren die dafür bekannten Zentren im Land.
Die Kunst des Färbens
Ursprünglich wurden Schaf- und Kamelwolle sowie
Ziegenhaar als Material verwendet. Baumwolle und Flachs
wurden bis zum Ende des 19. Jh. kaum angebaut, sondern als
Rohfaser oder als Garn aus Ägypten importiert. Seide kam
vorwiegend aus Syrien, wurde aber auch im Lande selbst
hergestellt. Das Garn wurde meist mit Handspindeln gesponnen
und dann auf verschiedene Weise gefärbt. Manchmal färbte man
auch erst die fertigen Stoffbahnen. Es wurden Farben
pflanzlichen und tierischen Ursprungs verwendet. Der
bedeutendste Farblieferant war die Indigopflanze, die wie
die anderen Farbträger im Lande selbst angebaut wurde oder
dort wild wuchs. Sie wurden aber auch importiert, und in
unserem Jahrhundert wechselte man größtenteils zu
Industriefarben über.
Die Verarbeitung der Stoffe
Das gefärbte Garn wurde auf Handwebstühlen
verschiedener Bauart gewebt: es gab waagerechte und
senkrechte, einfache und kompliziert gebaute. Spinnen und
Weben war vor allem Frauenarbeit. Manche Arbeiten
verrichteten sie allein, z. B. die Wirkteppichherstellung
auf horizontalen Webstühlen. Die Arbeit an den relativ
komplizierten Webstühlen, die zur Bedienung Hände und Füße
erforderten, war dagegen den Männern vorbehalten. Neben
Kleiderstoffen stellte man auch Zeltbahnen aus schwarzem
Ziegenhaar und gestreifte und gemusterte Wirkteppiche
(Kelims) aus Schaf- und Kamelwolle her. Letztere dienten als
Fußbodenbeläge, Satteltaschen, Kinderwiegen und Säcke und
Beutel für verschiedene Aufbewahrungszwecke.
In Nazareth gab es Ende des 19. Jh. etwa 300 Webstühle. In
den 30er Jahren unseres Jahrhunderts waren in Beit Dschala
300 und in Medschdel 500, 1948 sogar 800 Webstühle in
Betrieb. Die Weber aus Medschdel flüchteten 1948 vor den
israelischen Truppen nach Gaza, wo ein Teil von ihnen bis
heute arbeitet. Weitere Zentren sind noch heute Safed,
Medschd al-Kurum, Nablus, Abu Dabs, Hebron und al-Sumu.
In Medschdel
wurden bis 1948 hauptsächlich folgende Stoffarten
hergestellt: al-rahbani - grobe Baumwolle, indigo oder
schwarz; al-mabrum - mittelstarke Baumwolle, ungefärbt; libb
al-mabrum - feinere Baumwolle, schwarz oder ungefärbt;
al-muqat'a - schwarzes Leinen; al-kermesut - Mischgewebe aus
Baumwolle und Seide, meist rotbraun, auch gestreift;
al-khidari al-mubarsam - gestreifte Baumwolle mit
eingewebten roten Seidenblumen; al-hermes - dünne Seide,
hergestellt in einfarbigen schmalen Bahnen; al-tubeit -
schwarzer Baumwollstoff mit glänzender Oberseite; al-rusa -
weiche hellbeige Seide
Diese Stoffe dienten der Kleiderherstellung. Manche wurden
nur für Frauengewänder, andere auch für Männerkleidung
gewebt. Neben diesen einheimischen Produkten waren auch
syrische Stoffe, die z. T. eigens für den palästinensischen
Markt hergestellt wurden, sehr verbreitet.
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