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Abraham Melzer - Rede vom
26. 7. 2014 auf dem Römerberg in
Frankfurt
Meine
Damen und Herren, liebe Freunde, bevor
ich mit dem von mir vorbereiteten
Vortrag beginne, möchte ich von einem
Vorfall berichten, der sich vor der
Kundgebung hier auf dem Platz ereignet
hat. Ich stand neben einer Gruppe von
HR-Journalisten und Kameraleuten als ich
plötzlich folgendes hörte: „Wir müssen
nur einen Irren filmen, der
antisemitische Parolen verbreitet, dann
haben wir unseren Beitrag.“
Ich war schockiert und verärgert und
nahm mir vor euch davon zu berichten.
Ich bin Mitglied der Jüdischen Stimme
für gerechten Frieden und es ist kein
Zufall, dass wir in unserem Namen genau
dasselbe Motto haben wie diese
Veranstaltung heute hier: Frieden und
Gerechtigkeit. Auch der Staat Israel und
besonders seine zionistischen Führer wie
Peres und Netanjahu sagen immer wieder
wie ein tibetisches Mantra, dass sie
Frieden wollen. Aber sie wollen einen
von ihnen den Palästinensern diktierten
Frieden. Frieden allein ohne
Gerechtigkeit ist nichts wert.
Ich empfinde es als Ehre hier reden zu
dürfen und so wie mein Vater seinerzeit
mit Stalingrad fühlte, so möchte heute,
angesichts der Ereignisse in Gaza
ausdrücklich betonen:
ICH BIN EIN PALÄSTINENSER.
Israel rühmt sich die einzige Demokratie
im Nahen Osten zu sein und ist stolz
darauf die moralischste Armee der Welt
zu haben. Leider merken die meisten
seiner Bürger nicht den gewaltigen
unüberbrückbaren Widerspruch zwischen
diesem Anspruch und der bitteren,
traurigen und grausamen Realität. Sie
wollen nicht sehen zu welchen Verbrechen
ihre Armee fähig ist und sie wollen
nicht wissen wie verstockt,
selbstgerecht und letzten Endes dumm
ihre politischen Führer sind. Sie wollen
nicht sehen, dass ihre moralischste
Armee seit Jahren und Jahrzehnten ein
anderes Volk unterdrückt und ihm die
elementarsten Menschenrechte und das
Recht auf nationale Unabhängigkeit
vorenthält.
Collage zum vergrößern anklicken
In diesem Krieg, der diese Tage in Gaza
tobt, hat Israel nur ein Ziel, ein für
alle Mal der Beschießung Israels durch
Kassam Raketen ein Ende zu machen, ein
für alle Mal die Tunnel zu beseitigen.
Für immer.
Warum spricht man nicht miteinander.
Weil man nicht miteinander spricht. Man
tötet einander.
Das ist aber kein Krieg gegen den
Terror, wie Israel behauptet. Das ist
blanker Terror gegen eine zivile
Bevölkerung.
Keine der Seiten hat eine logische und
erfolgversprechende Strategie. Die Hamas
schießt seine Raketen ziellos auf eine
Zivilbevölkerung in der Hoffnung, dass
es die Moral der Israelis bricht. Die
Israelis bombardieren und zerstören Gaza
in der Hoffnung, dass die Bevölkerung,
die übrigbleiben wird, ihre Führung
vertreibt.
Beide Hoffnungen sind vergeblich, denn
die Geschichte hat uns immer wieder
gezeigt, dass die Terrorisierung einer
Bevölkerung diese nicht ängstigt sondern
vereint. Man hasst den Feind dann umso
mehr. Das passiert jetzt wieder auf
beiden Seiten. Wenn wir von „beiden“
Seiten reden, dann klingt es so, als ob
es zwischen beiden Gegnern eine
Symmetrie gibt. Aber dieser Krieg ist
weit davon entfernt ein symmetrischer
Krieg zu sein. Die israelische
Militärmaschinerie ist eine der größten
der Welt, während die Hamas nur einige
wenige Tausend Kämpfer hat.
Wir wissen schon seit langem, dass keine
der Kontrahenten die gegnerische Seite
bezwingen kann. Warum wird also
weitergemacht?
Weil man nicht miteinander reden kann.
Weil man nicht miteinander reden will.
Israels ehemaliger Verteidigungsminister
Mofas sagte soeben der Presse, dass
Israel nicht aufhören wird, weil Israel
von der ganzen Welt unterstützt wird.
Das stimmt leider.
Eine Menge Vermittler sind vorort, die
aber alle eine ziemlich erbärmliche
Figur abgeben. So schlug der
amerikanische Außenminister Kerry eine
fünftägige Feuerpause vor, allerdings
nur für die Hamas. Die Israelis sollen
weiter die Tunnel zerstören und Hamas
Kämpfer töten dürfen. Bei solchen
Vorschlägen kann man nicht so viel
essen, wie man kotzen möchte. Ban Ki
Moon von der UN läuft hin und her und
redet dummes Zeug.
Am Ende wird es eine Waffenruhe geben,
aber es wird nicht das Ende sein.
Was wird bleiben?
Der Hass zwischen beiden Seiten. Der
Hass wird bleiben.
Was kann man tun?
Wir von der Jüdischen Stimme würden als
erstes alle dummen und unqualifizierten
Vermittler nach Hause schicken und
direkte Gespräche mit der Hamas
anstreben, allerdings auf Augenhöhe.
Wir fordern die Belagerung von Gaza auf
dem Land, in der Luft und im Meer zu
beenden und wir würden den Behörden in
Gaza ermöglichen einen Seehafen und
einen Flughafen zu bauen, damit die
Isolation der Menschen einfürallemal
beendet wird.
Wir würden auch die Hamas auffordern die
Raketen zu beseitigen und die Tunnel zu
beseitigen, wobei vorher natürlich
internationale Garantien gegeben werden
müssen.
Wir würden alle politischen Gefangenen
befreien.
Wir würden die Welt auffordern die
palästinensische Einheitsregierung
anzuerkennen.
Wir würden sofort mit der
palästinensischen Regierung
Friedensverhandlungen aufnehmen, um
einen gerechten Frieden zu erreichen.
Kurzum, wir würden den Krieg beenden.
Ein für alle Mal.
Auch Rufe wie „Tod den Juden“ können
nicht akzeptiert werden. Sie sind für
uns alle kontraproduktiv. Es wäre
deshalb dringend erforderlich, dass man
in Deutschland endlich zwischen Juden
und Israelis unterscheidet. Man soll
nicht alle Juden in Haft nehmen für die
Politik Israels. Gleichwohl wäre zu
wünschen, dass die Juden in Deutschland
und überall auf der Welt nicht so blind
und stumm sich hinter Israel stellen und
in jeder Kritik an Israel Antisemitismus
sehen. Übertrieben hat es der deutsche
Justizminister Maaß, der von Kritik
gegen die Judenheit sprach. Judenheit
und Israel sind zwei verschiedene Paar
Schuhe. Es ist eine Schande, dass die
Opfer des Dritten Reiches
instrumentalisiert und absurde falsche
Vergleiche angestellt werden. Die
Aufgeregtheit dieser „respektablen“
Gesellschaft ist absurd. Es soll vom
Thema abgelenkt werden. Wo ist die
Empörung angesichts des Leides und der
Not in Gaza? Wo ist zumindest eine
halbwegs mitfühlende Distanzierung vom
Massaker in Gaza? Diese zum Teil
künstliche Aufregung wegen eines
möglichen oder tatsächlichen
Antisemitismus ist wirklich pervers
angesichts der täglichen Meldungen aus
Gaza über Opfer von unschuldigen Kinder
und Frauen. Da sterben und leiden die
Menschen in Gaza und hier faselt man von
Vergleiche mit dem Dritten Reich. Ist es
nicht der Staat Israel, der bis an die
Zähne bewaffnet eine zivile Bevölkerung
von fast zwei Millionen Menschen in Gaza
terrorisiert? Es sind nicht die Juden,
sondern der Staat Israel und seine
angeblich moralischste Armee der Welt,
die Empörung, Verzweiflung, Zorn und Wut
bei vielen Menschen hervorrufen. Wir
müssen den Mut haben die Dinge zu
benennen wie sie wirklich sind. Israel
kann kein Sonderrecht für sich in
Anspruch nehmen, dass es sich
verteidigen kann und darf. Während es
den Palästinensern dieses Recht
abspricht. Israel bombardiert gnadenlos
eine ungeschützte Stadt, und nimmt in
Kauf den Tod von unzähligen Zivilisten.
Gebetsmühlenartig wird das
Selbstverteidigungsrecht des
demokratischen Israel wiederholt. Jede
Rede beginnt mit einer
Solidaritätsbekundung für Israel. Haben
denn die Palästinenser kein
Selbstverteidigungsrecht?
Man regt sich zurecht auf über Parolen
wie „Tod den Juden“. Warum regt man sich
nicht auf über Parolen in israelischen
Straßen wie: Tod den Arabern?
Wenn wir endlich einsehen und
anerkennen, dass die Palästinenser
anstelle der Deutschen den Preis für den
jüdischen Holocaust bezahlt haben.
Die Wiedergutmachung, die Deutschland
bezahlt hat kann nicht wieder gut
machen, dass das Lebensglück der
Israelis dadurch erkauft wurde, dass ein
anderes Volk, die Palästinenser,
todunglücklich wurden.
Die arge Not der Menschen in Palästina,
die dort in der Tat als Palästinenser
leben und nicht als Juden, zwingt zum
Widerstand gegen die inhumane Politik
der Zionisten, die über das Land
herrschen.
Die Politik des Staates Israel ist
rassistisch, nationalistisch, ungerecht
und in der Tat auch bösartig, zumindest
gegenüber den Palästinensern. Man muss
wirklich nicht Antisemit sein, um
Israels Politik zu kritisieren und
Tatsache ist, dass ausgerechnet viele
Antisemiten in Deutschland, Frankreich,
Holland und anderswo Israel gar nicht
kritisieren, sondern bewundern
In Israel ist nach dem Krieg immer auch
vor dem Krieg. Wir müssen endlich damit
Schluß machen und wenn die Israelis und
Palästinensern es nicht können, dann
müssen sie durch uns Europäer und auch
durch uns Deutschen dazu gezwungen
werden. Denn schließlich geht es auch um
unsere Sicherheit.