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Berechtigte Vermutung über Israels sich
verändernde Demographie – eine Analyse
Lawrence Davidson, 15. Juni 2011
www.twitter.com/pointanalyses
Teil 1 – Israels Juden
stimmen mit den Füßen ab.
Wenn das historische Ziel des Staates Israel ist, den
Juden der Welt eine sichere nationale
Heimstätte, einen Ort der Zuflucht, vor realem oder
potentiellen Antisemitismus zu liefern, dann scheint dies ein
Misserfolg zu sein. Es ist misslungen, nicht weil der Schreiber dies
sagt, sondern weil eine wachsende Anzahl seiner eigenen Bürger dies
sagen. Es gibt Untersuchungen in Israel und im Ausland, die aufzeigen,
dass etwa die Hälfte der in Israel lebenden Juden, daran denken, das
Land zu verlassen … wenn sich in den nächsten paar Jahren der
augenblickliche politische und soziale Trend fortsetzt. Zusätzlich zu
diesem Befund gibt es die Tatsache, dass yerida oder Auswanderung
aus Israel schon lange höhere Zahlen aufzeigt als die aliyah oder
Einwanderung nach Israel. „Nach dem Israelischen Zentralbüro für
Statistiken haben ab 2005 650 000 Israelis das Land für länger als ein
Jahr verlassen und sind nicht zurückgekehrt.“ Die große Mehrheit waren
Juden. Außerdem zeigen Umfragen, dass mindestens 60% und so viel wie 80%
der bleibenden israelischen Juden „ mit denen sympathisieren, die das
Land verlassen.“
Unter denen, die bleiben, gibt es die Überzeugung, es
sei eine sichere Sache, einen zweiten Pass zu haben, der von den USA
oder einem europäischen Land ausgestellt ist. Wie der Haaretz-Reporter
Gideon Levy es ausdrückt: wenn unsere Vorfahren von einem israelischen
Pass geträumt haben, so gibt es Leute unter uns, die jetzt von einem
ausländischen Pass träumen. Gegenwärtig haben die USA mehr als eine
halbe Million Pässe an Israelis ausgegeben und zusätzlich laufen eine
viertel Million Anträge. Deutschland ist das 2. Land mit 100 000 Pässen,
die an israelische Juden ausgegeben wurden und jährlich werden 7000 neue
beantragt. Warum das Gerangel um ausländische Pässe? Nach Levy „sind die
Ausreden seltsam und verschieden, aber im Grunde fühlen sie sich nicht
wohl und haben Angst, persönlich und national. Der ausländische Pass ist
eine Art Versicherungspolice für schlechte Zeiten. Es stellt sich
heraus, dass mehr und mehr Israelis daran denken, dass solche Zeiten auf
lange Sicht kommen könnten.“
Da gibt es zwei vorherrschende Erklärungen für diese
Phänomen. Die erste ist, dass sie die Überzeugung wiedergibt, dass der
sichere Hafen, den der Zionismus zu schaffen glaubte, gar nicht sicher
ist. Dies ist die Position, die von dem Politikwissenschaftler Jan
Lustick eingenommen wird (Universität Pennsylvania). „Die Gefahr für den
jüdischen Staat ist die, hätte man die Wahl zwischen dem Überzeugen der
„Nahöstlichen“ (Länder), dass Israel ein guter Nachbar ist – und dem
Verlassen dieser Gegend, entscheiden sich immer mehr Israelis für
letzteres ….Der logische extreme Ausdruck des Entfliehens ist natürlich
Auswanderung.“ Lustick wird von Stephen Walt (Professor für
internationale Beziehungen an der Harvard Universität) unterstützt, der
andeutet, dass „das zionistische Ideal innerhalb Israels an Einfluss
verliert“, weil die israelische Regierung „endlos den Friedensprozess
verzögert“ Die zweite Erklärung ist die, die von den Herausgebern der
Jerusalem Post angedeutet wird, die Interviews mit Hunderten von
Israelis, die in Nordamerika leben, zitieren. Ihre Schlussfolgerung ist,
dass wenn Israelis ins Ausland gehen und bleiben, geschieht es auf Grund
von wirtschaftlichen und nicht aus politischen oder Sicherheitsgründen.
Tatsächlich ist die von der Jerusalem Post gegebene
Erklärung verdächtig. Wenn der Wunsch zu emigrieren hauptsächlich
wirtschaftlich motiviert wird, dann wäre de Wunsch nach einem zweiten
Pass nicht nötig. Die Israelis reisen frei in die USA und die
wirtschaftlichen Verbindungen zwischen den beiden Ländern macht es für
israelische Juden relativ leicht „grüne Karten“ zum Bleiben und
Arbeiten zu bekommen. Dies gilt wahrscheinlich auch für einige andere
Teile des Westens – solange man nicht als Kriegsverbrecher bezeichnet
wurde. Doch wenn man die Menge der Auswanderung mit dem Wunsch nach
ausländischen Pässen verbindet, erhält man eine andere Botschaft. Wenn
man möglicherweise mit einem ausländischen Pass emigrieren will, lässt
das darauf schließen, dass es eine Anzahl Israelis gibt, die das ende
des Staates voraussehen. Mit andern Worten: sie sehen einen Tag voraus,
dass der israelische Pass wertlos werden wird. Angesichte der Tatsache,
dass Auswanderung für Zionisten eine ideologische Sünde ist, ist es
keine Überraschung, dass einige der Auswanderer den Meinungsforschern
sagen, ihre Motivation hätte wirtschaftliche Gründe. Das klingt besser.
Aber am Ende macht es kaum etwas aus, aus welchem Grund man geht, es ist
so viel, als würde man mit den Füßen abstimmen.
2. und 3. Teil folgt
(dt. Ellen Rohlfs )
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