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Felicia Langers Rede auf der 9. Konferenz der Palästinenser in Europa am 7.5.2011 in Wuppertal

 

 

Sehr geehrte Organisatoren der 9. Konferenz der Palästinenser in Europa,

 

ich begrüße Sie herzlich und danke Ihnen für die Einladung und die Möglichkeit, ein Gastwort sagen zu dürfen und mit Ihnen zusammen sein zu können.

 

Ana saïda dschiddan wa katir mamnuna akun ma’akum.

Uhayyikum dschamie’an tahia qalbiah!

 

Liebe Freunde,

ich war als Kind und Jugendliche ein Flüchtling, und das Schicksal der palästinensischen Flüchtlinge ist mir sehr nah. Israel hat circa 800.000 Palästinenser aus ihrer Heimat vertrieben und circa 530 Dörfer zerstört. Eine echte ethnische Säuberung. Wie das funktionierte, berichtete einer der Offiziere, Yitzhak Pundak (Haaretz 2004, Ilan Pappé, S. 25): „Es gab 200 Dörfer (an der Front) und sie sind verschwunden. Wir mussten sie zerstören, sonst hätten wir hier (im Süden Palästinas) Araber gehabt wie in Galiläa. Wir hätten eine weitere Million Palästinenser gehabt.“ Das ist der genetische Code der Zionismus. Und das ist die NAKBA der Palästinenser, die Israel leugnet. Das Völkerrecht ist in der Sache klar. In einer Resolution der Vollversammlung der UNO (Nr. 194(III) vom 11. Dezember 1948) findet sich der Beschluss, „dass Flüchtlingen, die in ihre Heimat zurückkehren und in Frieden mit ihren Nachbarn leben wollen, die Rückkehr zum frühestmöglichen Zeitpunkt erlaubt werden soll; dass eine Entschädigung gezahlt werden soll für das Eigentum derer, die sich nicht zur Rückkehr entschließen, sowie für den Verlust oder die Beschädigung von Eigentum, für die nach Völkerrecht und Billigkeitsrecht die Regierungen oder zuständigen Behörden Wiedergutmachung leisten sollen“. (Ilan Pappé. S. 306)

 

Diese historische Resolution wurde nur einen Tag nach der berühmten Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UNO verabschiedet. Artikel 13(2) dieser Erklärung besagt, dass jeder das Recht hat, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen und in sein Land zurückzukehren.

 

Israel ignoriert seit Jahren UNO-Resolutionen, auch die eben erwähnte, und man muss die Welt bewegen, sich einzumischen, Druck auf Israel auszuüben. Auch Deutschland ist hier gefordert, den Verstoß Israels gegen die Menschenrechte, die universell sind, anzuprangern.

 

Im Jahre 1950 habe ich nach meiner Einwanderung nach Israel im Rahmen von Familienzusammenführung  das erste Mal die zerstörten Dörfer der Palästinenser gesehen und über das Schicksal der Flüchtlinge erfahren. Das prägt mich bis zum heutigen Tag. Ich habe damals begriffen, dass Frieden nur möglich sein wird, wenn wir unsere Schuld bekennen und das Recht der Flüchtlinge auf Rückkehr als ein elementares Menschenrecht anerkennen.

Aber Israel hat weiter erobert, zerstört - und entrechtet die Palästinenser, auch die in Israel, die israelische Staatsbürger sind, und hat alle Friedensinitiativen und Bemühungen abgelehnt. Israel hat dabei zweifelhafte Rekordzahlen erreicht: 44 Jahre kolonisatorische Besatzung, 20 Jahre leere, trügerische Friedensgespräche,

und die Liste der Rekorde ist noch lang…

 

Auf den Ruinen der drei palästinensischen Dörfer Yalu, Beit Nuba und Amwas, von der israelischen Armee 1967 zerstört, habe ich den Schwur abgelegt, die Rechte der Palästinenser bedingungslos zu verteidigen.

 

Nach der Besatzung von 1967 habe ich das Leid und auch den Kampf gegen die Entrechtung der Palästinenser als Zeitzeugin und als Augenzeugin kennen gelernt. Die Gefolterten, die Verletzten mit gebrochenen Beinen und Armen, dem Befehl Yitzhak Rabins entsprechend; die toten palästinensischen Jugendlichen, Opfer der ersten Intifada, und die hunderten von Verhafteten sind Teil meines Lebens geworden. So wie die Enteignung des Landes der Palästinenser für die israelischen völkerrechtswidrigen Kolonien, sogenannte „Siedlungen“. Jahrelang habe ich juristisch gegen den Landraub gekämpft, aber vergeblich. Wenigstens konnten wir das verrottete Rechtssystem der Besatzer entlarven.

 

Die Besatzer wollten der Jugend Palästinas die Zukunft stehlen, den Mut und die Hoffnung. Sie sind gescheitert. Man kann diese Jugend heute beobachten, wenn sie für die Einheit der Palästinenser kämpft, für die Einigung zwischen Fatah und Hamas, was ich von Herzen begrüße! Sie kämpft auch gegen die Apartheidsmauer, zusammen mit ausländischen Solidaritätsgruppen und der israelischen Friedensbewegung. Der Kampf dieser Palästinenser ist gewaltfrei, aber nicht so die Reaktion der israelischen Armee, die gewalttätig und aggressiv ist, in Bi’ilin, Ni’ilin, in Ost-Jerusalem und überall. Wir werden auch nie die Menschen in Gaza vergessen, die unter einer unmenschlichen Blockade leiden. 1 ½ Millionen Menschen im größten Freiluftgefängnis der Welt, noch in Trümmern nach dem letzten israelischen Massaker (vom 27. Dezember 2008 bis zum 18. Januar 2009), der sogenannten Operation „Gegossenes Blei“, mit 1.444 palästinensischen Todesopfern, Tausenden Verwundeten,

Hunderte von ihnen Kinder und Jugendliche, die meisten Opfer Zivilisten. Dazu eine gezielte Zerstörung der Infrastruktur.

 

Liebe Freunde, wir haben das Glück, uns heute hier zu treffen, während im Nahen Osten sich der arabische Frühling ausbreitet. Ein epochales Ereignis, das uns alle betrifft, das uns erfreut und ermutigt.

 

Mein palästinensischer Adoptivsohn Sami, der in den USA lebt, schrieb mir am 2. Februar 2011 die folgenden Zeilen unter dem Titel „Born again!“:

Our mother, the feelings amongst Arab-Americans, whether from Palestine, Syria, Tunisia, Lebanon, Iraq is one of “Born Again!” It is just amazing to see these people a few weeks ago and today! People feel like they were in a deep sleep. Your dedicated and hard work and standing steadfast to principles of justice and equality and freedom through all these decades were not in vain! Let us hope that Egypt and Tunisia lead the way for the people of the region to live in democracy and freedom. I wrote to an Egyptian friend in Cairo telling her that “I feel like an Egyptian!” Her response was: “Yesterday we were all Tunisians; today we are all Egyptians, but WE ARE ALWAYS PALESTINIANS!”

 

Die Demonstranten in Kairo haben keine palästinensischen Fahnen getragen, aber in ihren Herzen hatten und haben sie Palästina! Israel muss sich damit abfinden, dass seine freundlichen bezahlten Tyrannen nunmehr der Vergangenheit angehören. Die arabischen Völker werden die Entrechtung der Palästinenser durch Israel, mit Hilfe der USA und Europa, nicht dulden!

 

Die Alternative zu Frieden mit Gerechtigkeit, was auch für das israelische Volk ein Segen wäre, ist eine Existenz als israelische Insel der Apartheid in der Region Nahost. Das sagt auch unsere Friedensbewegung und Menschen mit Gewissen überall auf der Welt.

 

Liebe Freunde, der Kampf geht weiter, und ich bin immer mit Ihnen!

 

Elkifah mustamer, wa ana daïman maakum!

Schukran dschasilan!

 

Danke!

 

Felicia Langer

 

organisiert von der Palästinensischen Gemeinschaft in Deutschland (PGD) unter dem Motto „Die Generation der Rückkehr kennt ihren Weg“.

          

 

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