european jews for a just peace
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texte und berichte -
übermittelt von: "european jews for a
just peace in palestine"
Palästina, ein Gefängnis ohne Dach
Brief vom März 2004,
Die Lebenssituation der
Palästinenser hat sich seit meinem letzten Besuch im Dezember 2003
dramatisch verschlechtert.
Kinder sind mangel/oder
unterernährt, viele Erwachsene hungern. Die Mauer umschließt immer
weitere Gebiete, Dörfer und Städte - wie z.B. Qalqilia, eine Stadt mit
43.000 Einwohnern. Diese Stadt ist rundherum mit der 8 Meter hohen Mauer
umgeben, also total eingemauert und mit Wachtürmen und Kameras versehen,
die Tore elektrisch gesichert. Das ist ein Ghetto. Richtung Osten gibt
es einen Zugang der von israelischen Soldaten bewacht und am Abend
geschlossen wird. Im Norden und Süden der Stadt gibt es jeweils ein Tor,
diese sind für die Bauern vorgesehen damit sie zu ihren Feldern können.
Diese beiden Tore werden für 50 Minuten pro Tag geöffnet und zwar von
07:40-08:00 Uhr, mittags von 12.00-12:15 und abends von 18:45-19:00 Uhr.
Somit werden die Bauern gehindert ihre Felder zu bestellen. Die Israelis
haben ein altes osmanisches Gesetz ausgegraben das besagt, wenn Bauern
ihre Felder drei Jahre nicht bearbeiten fällt es an den Grundherrn
zurück, das sind gegenwärtig die israelischen Besatzer.
Es gibt massiven, gewaltlosen
Widerstand der lokalen Bevölkerung gegen den Bau der Mauer und gegen die
Besatzung, vor allem Frauen demonstrieren, weil sie sich erhoffen, dass
die israelischen Soldaten mehr Hemmungen haben auf sie zu schiessen. Das
ist leider ein Irrtum. Ich war mit einer Gruppe von Internationalen die
meisten davon Italiener und beteiligten uns bei einer friedlichen
Demonstration mit den Bewohnern im Dorf Bedia, wo der Bau der Mauer
vorbereitet wird, Olivenbäume gerodet und die Bulldozer das Gelände
bearbeiten. Wir versuchten mit den Soldaten ins Gespräch zu kommen. Zum
ersten Mal musste ich erleben wie ein Soldat gezielt das Gewehr auf mich
ansetzte , ich war so erstarrt und konnte mich nicht bewegen, er schoss
dann mit einer "sound bomb" und einer Tränengasbombe auf mich, die einen
halben Meter neben mir explodierten. Es wurde viel herumgeschossen. Ein
Mensch wurde von einem "rubber bullet" am Kopf verletzt und mit der
Ambulanz weggebracht. Die Palästinenser sagten, wären wir Internationale
nicht dabei gewesen hätten sie auf alles scharf geschossen das sich
bewegt , jeden Tag werden Menschen, auch Frauen und Kinder erschossen.
Ein Palästinenserleben scheint nicht viel Wert zu haben, jedenfalls
werden diese Toten in den Medien kaum erwähnt. Alle mit denen ich
gesprochen habe, sehnen sich nach Frieden mit Israel und einem normalen
Leben. Sie sind erschöpft, müde, ausgelaugt.
In Abu Deis, ein Ort 5 Autominuten
von der Altstádt Jerusalems entfernt ist der Bau der Mauer fast
abgeschlossen und geht mitten durch die Stadt, die Kinder können nicht
in die Schule, nicht die Universität besuchen, das Krankenhaus in
Jerusalem unerreichbar.. Ein normales Alltagsleben ist unmöglich
geworden. Wir besuchten zwei Familien, deren Häuser wahrscheinlich schon
gesprengt sind wenn ich diesen Bericht schreibe, weil ihre Häuser nicht
70Meter von der Mauer entfernt sind. Sie zeigten uns den Bescheid,
Ersatz gibt es nicht.
Am Checkpoint nach Bethlehem (auch
hier rückt die Mauer unaufhaltsam näher, die Bäume abrasiert, das
Gelände von den Bulldozern geebnet) hatte ich eine unfreundliche
Begegnung mit einer Gruppe israelischer Frauen, die die Soldaten
unterstützen, sie riefen mir nach, " geh nur hinein und komme nicht mehr
zurück, bleibe bei den Terroristen". Mein Besuch galt einer arabischen
christlichen Familie, die ich zu Weihnachten kennengelernt hatte. Sie
wissen nicht wie sie ihre 4 Kinder ernähren sollen. Die christlichen
Araber haben es besonders schwer, für die Israelis sind sie
Palästinenser wie alle anderen , für die Palästinenser keine Muslime.
Sie bekommen von nirgends Unterstützung. Die Mutter, eine zarte,
ausgesprochenen Schönheit, sagte mir sie möchte jeden Tag nur sterben.
Der Mann ist seit 3 Jahren ohne Arbeit, früher arbeitete er in Israel.
Er darf wie alle anderen Betlehem nicht verlassen und in der Stadt gibt
es keine Arbeit. Touristen kommen nicht, diese Stadt lebte von den
Touristen, an diesem Sonntag war ich die einzige in der Stadt. Es ist
ein unendlich trauriger Ort, die Verzweiflung auch hier wie überall in
Palästina an jeder Ecke spürbar. Ich habe Betlehem noch voll pulsierend
in Erinnerung.
Wir hatten auch ein "meeting" mit
einem israelischen und palästinensischen Delegierten der "Genfer
Initiative" eine sehr ehrliche, aufschlußreiche Begegnung. Der
Palästinenser braucht täglich 4 Stunden (unter normalen Umständen eine
20minütige Autofahrt) um durch den Checkpoint zu seinem Büro in
Jerusalem zu kommen, in Genf von internationalen Politikern hofiert, in
Israel täglich gedemütigt.
Der israelische Vertreter Arie
Arnun, schilderte uns die Stimmung in der israelischen Gesellschaft,
ernüchternd. Wie Barak den Israelis einredete, er hätte ein so
großzügiges Angebot an die Palästinenser gemacht und die hätten es
ausgeschlagen. In Wahrheit war es alles andere als großzügig sondern
unannehmbar. Sie wollen uns vernichten und wir müssen kämpfen, sie
wollen keinen Frieden, Arafat ist ein Dämon etc. und die Israelis
glauben das bis heute. Die gegenwärtige Regierung in Israel ist
überzeugt ,sie kann die Palästinenser dazu bringen alles zu
unterschreiben, wenn sie sie nur lange genug unterdrückt und massive
militärische Gewalt ausübt. Auf beiden Seiten gibt es Politiker, die
meinen sie könnten eine Lösung mit militärischen Mittel herbeiführen.
Sharon will keine Verhandlungen, denn er will die Siedlungen nicht
aufgeben. 430.000 Siedler leben in den besetzten Gebieten. Die
israelische Gesellschaft ist nicht sensibel gegenüber dem Leid und Elend
der Palästinenser, alle Gewalt wird als Selbstverteidigung toleriert.
Der "Dehumanisierungs Prozess " hat noch nicht den Höhepunkt erreicht.
Die Mehrheit in Israel will den Krieg gegen die Palästinenser
fortsetzen, weil sie glauben, dass sie gewinnen werden. Erst wenn die
Menschen gewahr werden, dass die Illusionen nicht erfüllt werden können,
werden sie zu einem Kompromiß bereit sein und die Regierung wird ihnen
folgen.
Der palästinensische Vertreter
sagte, wie kann er den Menschen in besetzten Gebieten die Genfer
Initiative schmackhaft machen, nachdem alle Friedenspläne bis jetzt im
Sande verlaufen sind und die Siedlungen ständig weitergebaut werden, das
tägliche Leben immer schlechter wird und er nicht einmal mit anderen
Leuten zusammenkommen kann, weil er nicht durch die Checkpoints kommt.
Die Genfer Initiative ist eine
Alternative zum Krieg wird aber auch von der Mehrheit der Labourpartei
abgelehnt, weil zu großzügig den Palästinensern gegenüber. Die
Friedensbewegung in Israel ist kollabiert, nur ein paar Wagemutige
stemmen sich gegen den Mainstream.
Wir verbrachten einen Nachmittag
mit verschiedenen Gruppen des Widerstandes, auch sogenannte Refusniks,
junge Menschen , die sich weigern in der Armee zu dienen. Zivildienst
gibt es nicht in Israel. Das Militär hat den gleichen Stellenwert in der
israelischen Gesellschaft wie die Schule, deshalb ist der Mut dieser
Leute hoch einzuschätzen. Es ist zu hoffen, dass diese zarten Pflänzchen
kräftig wachsen.
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Seiten zum Thema:
Leiden und Leben in Palästina
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Die Israelische Mauer
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Zeugen
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