Ein Appell aus Jerusalem an
die Welt, Ostern 2005
Palästinensische Christen sterben aus, um (wo anders) in Würde und
Freiheit zu leben
Verehrte Bischöfe und
Kirchenführer,
Frieden und Gnade aus
der Stadt unseres Glaubens, im Namen unseres Herrn Jesus Christus.
Wir schreiben Ihnen
als Bischöfe palästinensischer Christen, weil wir von der dramatischen
Situation der Christen im Land des Heiligen Einzigen sehr betroffen
sind. Im Vergleich zu vor 10 Jahren stellt unsere Gemeinschaft nur
noch weniger als 2% der Bevölkerung dar und nimmt in alarmierendem
Ausmaß weiter ab. Dies geschieht vor allem auf Grund der Auswanderung.
Viele palästinensische Christen verlassen das Land infolge des
andauernden Konfliktes.
Wir sind eine
christliche Gemeinschaft aus Katholiken, Griechisch-Orthodoxen,
Orientalisch-Orthodoxen, Anglikanern und Lutheranern, durch eine
gemeinsame Identität (Christen und Palästinenser) unter einander
verbunden. Wir waren zusammen Zeugen des auferstandenen Herrn seit dem
1. Pfingstfest. Trotz Spannungen und historischer Verschiedenheiten
ist unsere Gemeinschaft in seiner Identität vereinigt, und wir
erfreuen uns geschwisterlicher und ökumenischer Beziehungen.
Die illegale
israelische Besatzung hat es für Christen, ja, für das ganze
palästinensische Volk, von dem wir ein integraler Teil sind, unmöglich
gemacht, in Würde, Freiheit und Sicherheit zu leben. Die
palästinensischen Christen wollen, wie alle Palästinenser, in Frieden
und Gerechtigkeit leben. Wir sehnen uns nach Freiheit und einem
normalen Leben.
Abgesehen von den
Ungerechtigkeiten der Besatzung müssen wir uns nun noch mit der
Trennungsmauer abfinden. Die Mauer zerteilt unsere Gemeinschaft in
viele Teile und macht es unmöglich, ein normales Familienleben,
wirtschaftliche und menschliche Beziehungen aufrecht zu erhalten.
Familien werden
getrennt und für viele gibt es rechtlich keine Hoffnung auf eine
Familienzusammenführung. Menschenrechtsverletzungen und die fehlende
Freiheit an Bewegung, Versammlung und Meinungsäußerung ist das
tägliche Los der palästinensischen Christen, ja, aller Palästinenser.
Es gibt zwar positive
Ansätze, aber es steht uns noch ein sehr langer Weg bevor und viel
wird verloren gehen, wenn sich der Frieden weiter hinauszögert. Die
Internationale Gemeinschaft und die Weltkirche muss darauf bestehen,
dass beide Parteien, Palästinenser sowie Israelis, ihre
Verpflichtungen dem internationalen Recht entsprechend erfüllen.
Als christliche
Kirchen haben wir immer auf die Anwendung von Gewalt verzichtet. Wir
fühlen uns einem gewaltfreien Kampf für Frieden, Gerechtigkeit und
Versöhnung verpflichtet. Wir verkünden eine Vision, die erlauben wird,
dass sich Frieden und Gerechtigkeit in einem Geist der Versöhnung
treffen, die Gewalt, Besatzung, Beherrschung und Extremismus ablehnt
zu Gunsten des Wiederaufbaus von Gemeinschaften der Koexistenz und des
gegenseitigen Wohls.
Für Israel wünschen
wir Sicherheit und für die Palästinenser Freiheit und Gerechtigkeit.
Deshalb plädieren wir für eine „Zwei-Staatenlösung“, bei der Israel
und Palästina Seite an Seite als Gleichberechtigte, in Gerechtigkeit
und in Frieden leben. Wir glauben daran, dass Jerusalem für Muslime,
Juden und Christen eine Stadt des Friedens ist. Wir sind auch davon
überzeugt, dass Jerusalem als Hauptstadt für Palästina und Israel
dienen sollte.
Wir rufen beide, die
Israelis und die Palästinenser auf, Gottes Angesicht im Anderen zu
erkennen und die Menschlichkeit des Anderen zu akzeptieren und
einander die Menschen-, Bürger-, Religions- und politischen Rechte
anzuerkennen. Haben wir erst die uns gemeinsame Menschenwürde und die
für uns alle gleichen Rechte anerkannt, werden Frieden und
Gerechtigkeit Wirklichkeit
Wir rufen Sie auf:
- Unterstützen Sie die
in der Gemeinde gründende Erziehung durch christliche Schulen und
Bildungsinstitutionen.
- Helfen Sie mit, die
Auswanderung der Christen durch Arbeitsbeschaffung, zu stoppen.
- Helfen Sie mit,
preiswerte Wohnungen zu schaffen. Eine Wohnung ist ein soziales Recht
und kein Luxus.
- Stärken Sie
christliche soziale Institutionen. Diese Organisationen kümmern sich
um Nöte in der palästinensischen Gesellschaft, unabhängig von
Religions-, Geschlechts- oder politischer Zugehörigkeit .
Wir vertrauen darauf,
dass Sie uns die Hände reichen, damit wir zusammen den Traum eines
gerechten Friedens und der Versöhnung realisieren können. Ein
gerechter Frieden wird die Präsenz und das Zeugnis der
palästinensischen Christen garantieren, die die lebendigen Steine in
Seinem Lande sind.
Wir sind davon
überzeugt, dass die Kirchen mehr tun können und mehr tun müssen, um
ihre Aufgabe gegenüber dem Heiligen Land zu erkennen und zusammen ihre
Regierung, ihr Volk und die internationale Gemeinschaft
sensibilisieren. Unsere Gemeinschaften bitten sehr um Ihre Hilfe,
damit Gerechtigkeit siegt, damit die palästinensische christliche
Gemeinde im Heiligen Land wieder blüht und gestärkt wird und sie ihre
Mission in der Kraft der Auferstehung erfüllen kann.
Mit dem Apostel
Paulus sprechen wir: „Wenn darum ein Glied leidet, dann leiden alle
Glieder mit; wenn ein Glied geehrt wird, freuen sich alle anderen
mit.“ (1 Kor 12,26)
In dieser Osterzeit
beten wir darum, dass der Frieden, die Kraft und die Freude unseres
auferstandenen Herrn immer mit uns bleiben möge.
Beten Sie für uns
und beten und arbeiten Sie für den Frieden in Jerusalem!
Christ ist
erstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden!
Unterzeichnet
von: Michel Sabbah, Lateinischer Patriarch von Jerusalem
Riah Abu El-Assal,
Diözese Jerusalem
Anglikanische Kirche von
Jerusalem und dem Nahen Osten
Munib Younan,
Ev.-Luth. Kirche in
Jordanien und im Heiligen Land
(dt. Ellen Rohlfs)
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