Was wäre wohl gewesen, wenn wir das
Apartheid-System in Südafrika gegen die schwarze Mehrheitsbevölkerung
unterstützt hätten? Was, wenn wir die weiße südafrikanische Führung als "hard-line-Krieger"
anstatt als Rassisten bezeichnet hätten? Was, wenn wir die Erschießung von
56 schwarzen Demonstranten in Sharpeville als einen zu "verstehenden Ausfall
der südafrikanischen Sicherheitskräfte" erklärt hätten? Was, wenn wir
geschrieben hätten, daß die schwarzen Kinder, die von der Polizei erschossen
wurden, in Wirklichkeit von ihren Eltern für die Sache geopfert worden
waren? Was, wenn wir die "terroristische ANC Führung" dazu aufgerufen
hätten, ihre "Leute zu kontrollieren"?
Fast jeden Tag aber stellen wir genau so den
israelisch-palästinensischen Konflikt dar. Ganz egal, wie viele Jugendliche
auch von den Israelis erschossen werden, ganz egal wie viele Morde - auf
beiden Seiten - begangen werden, und ganz egal, wie blutig die Reputation
des israelischen Premiers auch ist, wir berichten über diesen fürchterlichen
Konflikt, als ob wir die weißen Südafrikaner gegen die Schwarzen
unterstützen würden. Nein, Israel ist nicht Südafrika (obwohl es das
Apartheidregime unterstützt hat) und die Palästinenser sind auch nicht die
Schwarzen von den Armenvierteln. Aber es gibt keinen wirklichen Unterschied
zwischen Gaza und den Slums der Schwarzen von Johannesburg; und es gibt
keinen wirklichen Unterschied zwischen der Taktik der israelischen Armee in
den besetzten Gebieten und der südafrikanischen Polizei. Das Apartheidregime
hatte Todesschwadronen, genau so wie Israel heute auch. Doch benutzen diese
zumindest nicht Helikopter und Raketen.
Seit dem Zweiten Weltkrieg ist kein Volk so zum
Bösen gemacht worden wie die Palästinenser. Und kaum ein Volk wurde so
permanent entschuldigt wie die Israelis. Israelische Botschaften schreiben
jetzt überall auf der Welt Journalisten an und sagen ihnen, "daß es nicht
fair ist, den israelischen Premier einen "hardliner" zu nennen. Und die
Reporter parieren.
Sharon, so wird uns gesagt, wandelt sich vielleicht
zum Pragmatiker, ein anderer de Gaulle gewissermaßen; in Wirklichkeit ist er
wie die französischen Putschistengeneräle in Algerien. Die benutzten auch
Folter und ermordeten ihre arabischen Opponenten. Es bedurfte eines
israelischen Autors - Nehemia Strasler, in Ha´aretz - der sagte, daß Sharons
Karriere von allem anderen als vom Frieden durchhaucht sei. Er stimmte gegen
das Friedensabkommen mit Ägypten 1979. Er stimmete gegen den Truppenabzug
aus dem Südlibanon 1985. Er war gegen die Teilnahme Israels bei der
Friedenskonferenz in Madrid 1991. Er war gegen das Knessetvotum zum
Osloabkommen 1993. Er war gegen einen Frieden mit Jordanien 1994. Er stimmte
gegen das Hebronabkommen 1997. Er verurteilte den Rückzug Israels aus dem
Libanon 2000. Er baut nun jüdische Siedlungen in den besetzten Gebieten, und
verstößt damit vollkommen gegen internationales Recht.
Wir jedoch sollen glauben, daß der korrupte, von
Parkinson geplagte Arafat schuld ist am Krieg. Er kann seine Leute "nicht
kontrollieren". Er wird von George W.Bush verdammt und sein Volk von der
israelischen Führung regelrecht bestialisiert. Rafael Eytan, ehemliger
leitender Beamter, bezeichnete gewöhnlich die Palästinenser als "Kakerlaken
in einem Glastopf." Menachem Begin nannte sie "zweibeinige Tiere". Rabbi
Ovdia Yousef, der geistige Führer der Shaspartei, nannte sie "Schlangen". Im
August letzten Jahres, bezeichnete Barak sie als "Krokodile". Letzten Monat,
nannte Rehavem Zeevi, der israelische Tourimusminister, Arafat, einen
"Skorpion." Selbst das südafrikanische Regime gab den Schwarzen nicht so
böse Namen.
Und wehe dem Journalisten oder Diplomaten, der sich
dazu äußert. Zu Anfang des Jahres klagte das Simon-Wiesenthal-Center in
Paris die Schwedische Präsidentin der Europäischen Union an, "anti-jüdische
Gewalt zu schüren." In einem Brief an den schwedischen Premier Minister
schrieb das Center,"Israel zu verurteilen, Terroristen zu eliminieren" käme
dem Argument der Alliierten gleich, die während des Zweiten Weltkrieges
gesagt haben, daß es den Antisemitismus in Deutschland fördern würde, wenn
man die Gleise, die zu Auschwitz führen, bombadieren würde." Schweden greife
hiermit "in einzigartiger Weise den Staat der Überlebenden des Holocausts
an". Und was war jetzt genau das schwedische Verbrechen? Die Präsidentin
hatte gewagt zu sagen, "daß die Praxis der Eliminierung (von Gegnern) ein
Hindernis bei dem Friedensprozess darstelle und neue Geswalt provoziere."
Sie bezog sich noch nicht einmal auf die Todesschwadronen.
In ihrer Februarausgabe beging die Newsweek ein
wirkliches virtuelles Vergehen, als sie auf dem Titelbild unter der
Überschrift "Terror goes global - exclusive: Bin Ladens international
Network" ein angsterregendes Foto von einem Mann zeigte, dessen Gesicht mit
einem arabischen Tuch verdeckt war, und der eine Pistole in der Hand hielt.
Der Leser denkt natürlich, daß dies ein Mitglied von Osama bin Ladens
Netzwerk des "globalen Terrors" sei. Aber ich habe den finnischen
Photografen ausfindig gemacht, der dieses Foto geschossen hat. Er nahm es
auf bei einem Begräbnis in der Westbank. Dieser Mann war ein bewaffnetes
Mitglied der palästinensischen Tanzimmiliz - und hatte nichts mit Bin Laden
zu tun. Die Tanzim sind zwar auch gewalttätig genug, aber dieses Titelbild
diffamierte das gesamte palästinensische Volk, in dem man es in Verbindung
brachte mit dem Mann, der verantwortlich ist für die Bombardierung von
US-Botschaften in Afrika.
Wie dieser tapfere amerikanische Autor Charley
Reese in seiner regelmäßigen Kolumne schrieb, "haben die Israelis sich ihren
eigenen unbesiegbaren Feind geschaffen." Sie haben den Palästinensern so
viel Leid und Verzweiflung und Demütigungen zugefügt, daß diese nichts mehr
zu verlieren haben. Wir haben dies auch getan. Unser Schweigen, unsere
Weigerung, die Wahrheit zu sagen, unsere Angst als "Antisemiten" beschimpft
zu werden, der schwerwiegendste Vorwurf gegen Journalisten - bedeutet
gleichzeitig, daß wir die schlimmsten Verbrechen im Nahen Osten mit
unterstützen und zulassen. Vielleicht sollten wir uns noch einmal Berichte
über das Apartheidregime anschauen und uns daran erinnern, daß es einmal
Männer gab, die Ehre hatten.