Kriegstreiber USA terrorisiert die Welt
Howard Zinn*, AlterNet, 9.9.06
Aus den Erfahrungen der USA und
Israel in der letzten Zeit kann eine Menge gelernt werden: dass massive,
willkürliche Angriffe nicht nur moralisch zu tadeln sind, sondern
sinnlos, da sie nicht die gewünschten Ziele erreichen.
Die Vereinigten Staaten erfuhren in
den drei Jahren Krieg, der mit Schock and Schrecken-Bombardements
begann und mit täglicher Gewalt und Chaos weitergeht, einen
entschiedenen Misserfolg und Fehlschlag, was seine festgelegten Ziele
betraf, nämlich dem Irak Demokratie und Stabilität zu bringen. Die
israelische Invasion und die Bombardements des Libanon haben Israel
keine Sicherheit gebracht. Im Gegenteil: dies hat die Zahl der Feinde
nur vergrößert, ob bei der Hisbollah oder bei der Hamas oder unter
Arabern, die weder zu der einen noch zur andern Gruppierung gehören.
Ich erinnere mich an John Herseys
Novelle „Der Kriegsliebhaber“, in der ein amerikanischer Macho-Pilot,
der so gerne Bomben auf Menschen abwarf und sich seiner sexuellen
Eroberungen rühmte, sich schließlich als impotent herausstellte.
Präsident Bush, der großspurig in einem Pilotenanzug auf einem
Flugzeugträger den Sieg über den Irak verkündete, hat sich als einer
herausgestellt, der der Gestalt in Herseys Novelle ziemlich ähnlich
sieht, seine Worte voller Protz und seine Militärmaschine impotent.
Die Geschichte der seit dem 2.
Weltkrieg durchkämpften Kriege macht die Sinnlosigkeit maßloser Gewalt
deutlich. Die USA und die Sowjetunion waren trotz ihrer enormen
militärischen Ausrüstung nicht in der Lage, Widerstandsbewegungen in
kleinen, schwachen Nationen zu besiegen: die USA in Vietnam, die SU in
Afghanistan – und waren gezwungen sich zurückzuziehen.
Selbst die „Siege“ großer
Militärmächte erweisen sich als trügerisch. Nachdem Afghanistan
angegriffen und überfallen worden war, konnte der US-Präsident erklären,
die Taliban seien besiegt worden. Doch vier Jahre später breitet sich
die Gewalt von neuem aus, und die Taliban sind in großen Teilen des
Landes wieder aktiv.
Die zwei nach dem 2. Weltkrieg
mächtigsten Nationen der Welt, die USA und die SU mit all ihrer
Militärmacht sind nicht in der Lage gewesen, das Geschehen in Ländern zu
kontrollieren, von denen sie glaubten, dass sie unter ihrem Einfluss
stehen: die Sowjet Union in Ost-Europa und die USA in Latein-Amerika.
Abgesehen von der Sinnlosigkeit
schwer bewaffneter Kräfte ist letzten Endes die Tatsache wichtiger,
dass Kriege in unserer Zeit unvermeidlich in willkürliches Töten vieler
Menschen ausartet. Um es offen zu sagen: Krieg ist Terrorismus.
Deshalb ist „ein Krieg gegen Terrorismus“ ein Widerspruch in sich
selbst. Kriege, die von Nationen ausgeführt werden, von den USA oder
Israel sind für unschuldige Menschen/ für Zivilisten hundert mal
tödlicher als die Angriffe von Terroristen, so verwerflich sie auch sein
mögen.
Die von Sprechern des Pentagons
oder der israelischen Regierung wiederholte Entschuldigung für dass
Bombardieren von Wohnblocks, ist die, dass sich Terroristen unter
Zivilisten aufhalten würden. Deshalb geschehe das Töten unschuldiger
Leute ( im Irak und im Libanon) versehentlich, wogegen der durch
Terroristen verursachte Tod von Zivilisten (11.9., durch
Hisbollahraketen ..) absichtlich sei.
Dies ist ein irreführender
Unterschied, der durch ein wenig Nachdenken widerlegt werden kann. Wenn
eine Bombe absichtlich auf ein Haus oder ein Fahrzeug abgeworfen wird,
weil sich ein „verdächtiger Terrorist“ darin befinden solle (beachte die
häufige Verwendung des Wortes „verdächtig“ als Beweis für die
Zweifelhaftigkeit, die die Ziele umgeben) wird der dadurch erfolgte Tod
von Frauen und Kindern nicht absichtlich sein. Aber dieser ist auch
nicht zufällig. Die angemessene Beschreibung ist „unvermeidbar“.
Wenn also eine Aktion unvermeidbar
unschuldige Zivilisten tötet, ist sie so unmoralisch wie ein
absichtlicher Angriff auf Zivilisten. Und wenn man bedenkt, dass die
Zahl der unschuldigen Menschen, die unvermeidbar bei „unbeabsichtigten“
Vorfällen sterben, bei weitem größer ist, als die Zahl der Toten, die
absichtlich von Terroristen verursacht werden, dann muss man einen Krieg
als Lösung des Terrorismusproblems zurückweisen.
Zum Beispiel wurden mehr als eine
Million Zivilisten von US-Bomben in Vietnam getötet – wahrscheinlich
„versehentlich“. Zähle alle Opfer der Angriffe von Terroristen in aller
Welt im 20. Jahrhundert zusammen: man wird sie nicht mit dem
schrecklichen Blutzoll der US-Bomben vergleichen können.
Wenn das Reagieren auf Terrorakte
mit Krieg unmoralisch ist, dann müssen wir nach andern Mitteln und
Wegen als Krieg suchen, um den Terrorismus, einschließlich des
Terrorismus des Krieges, zu beenden. Und wenn militärische Vergeltung
für Terrorismus nicht nur unmoralisch, sondern auch sinnlos ist, dann
sollten politische Führer, so kaltblütig auch ihre Kalkulationen sind,
ihre Politik neu bedenken.
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Howard Zinn ist emeritierter Professor an der Boston-Universität.
(dt. Ellen Rohlfs)
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