Buchankündigung:
Antisemitismus und Islamophobie – ein Vergleich
von Sabine Schiffer und Constantin Wagner
im HWK-Verlag in der Reihe Bücher, die
unsere Weltsicht verändern, Sommer 2009. ISBN 978-3-937245-05-8
Erinnern alleine reicht nicht…
Auch
so könnte man die Auseinandersetzung überschreiben, die die Autoren in
ihrem Buch austragen. Denn offensichtlich verhindert die
Erinnerungskultur um den Holocaust nicht, dass der Antisemitismus
weiterlebt und neue Formen von Rassismus am Horizont aufscheinen. Etwa
das Feindbild Islam. Aber gerade das Thema Islamfeindlichkeit scheint
jene aufzuschrecken, die sich eingerichtet haben im Wohnzimmer der
rückwärtsgewandten Betrachtung der Geschichte – ohne etwaige
Erkenntnisse auf die Gegenwart zu beziehen. Dieser Prozess ist mit
diesem Buch nicht mehr aufzuhalten.
In fast regelmäßigen Abständen ergibt sich
die Diskussion, ob die heute feststellbare Islamfeindlichkeit mit dem
Antisemitismus früherer Zeiten vergleichbar sei. Meist aufgeregt und
schnell unsachlich kochen die Polemiken hoch. Unvergleichlichkeitsdogmen
werden formuliert, Tabus beschworen sowie vermeintliche Tabus gebrochen
und mit viel Verve und vergleichsweise wenig Sachverstand an Moral und
Political Correctness appelliert. All dies dient nicht der Klärung.
Auch als sich das renommierte Zentrum für
Antisemitismusforschung in seinem Jahrbuch 2008 und auf Tagungen mit
diesen Fragestellungen befasste, erntete es vorgefasste Ablehnung statt
sachdienlicher Auseinandersetzung. Der Streit deutet auf tiefsitzende
Ängste einerseits, und ebenso tiefsitzendes Unverständnis und Unwissen
andererseits hin. Haben wir die richtigen Lehren aus der deutschen
Geschichte gezogen? Welche genau sind dies? Was wurde nicht erkannt? Und
vor allem, warum gelingt es uns so schlecht, uns antisemitische Muster
außerhalb des Nationalsozialismus zu vergegenwärtigen? Und wie kommen
wir dazu zu glauben, dass wir heute davor gefeit seien, andere zu
diskriminieren – ja gar zu verachten und schließlich zu entmenschlichen?
Dieser Fragenstrang bildet eine Grundlinie
im Buch von Sabine Schiffer und Constantin Wagner „Antisemitismus und
Islamophobie – ein Vergleich“, das im Herbst 2009 im HWK-Verlag
erscheint. Ein zweiter Fragenstrang betrifft die nüchterne Analyse und
den Vergleich des antisemitischen Diskurses – vor allem Ende des 19.
Jahrhunderts – mit dem antiislamischen von heute. In der Zusammenschau
der jeweiligen Argumentationslinien und der Polemiken bzw.
Verbalattacken ergeben sich sowohl Parallelen, etwa die Argumente der
Synagogen- und Moscheebaustreitigkeiten, als auch Unterschiede, etwa in
Bezug auf eine mehr oder weniger eingebildete globale Gefahr durch die
jeweils dämonisierte Gruppe.
Neben diesen historisch ausgerichteten
Diskursanalysen beschäftigen sich die Autoren aber auch mit vielen
aktuellen Diskussionen. Weder wird der Fall Faruk Sen ausgespart, noch
der sich zuspitzende Judenhass unter einigen Muslimen, wie auch der
zunehmende Muslimhass unter einigen Juden. Auch der Nahostkonflikt als
neuralgischer Punkt für Polarisierungen wird in seiner Funktion für die
ein oder andere Argumentation mit einbezogen – denn gegenseitige
Ressentiments speisen sich einerseits immer aus einem wahren Kern und
andererseits aus den darum herum konstruierten Mythen,
Verschwörungstheorien und Dämonisierungen, die teils gewollt sind, teils
auf Missverständnissen beruhen, wie die Autoren aufzeigen.
Der Hauptfokus des Buches liegt aber auf
der aktuellen Situation in Deutschland und auf den Wirkungen, die die
immer aggressiver werdenden Verbalattacken auf einzelne
Gruppenmitglieder haben. Dabei gelingt es nachzuvollziehen, dass
Zuspitzungen und Diskriminierungen sich nicht im luftleeren Raum
entwickeln, sondern das Produkt eines komplexen Wechselspiels im
täglichen Miteinander und den alles überlagernden öffentlichen Diskursen
ist. Ohne die Akteure ihrer Verantwortung für die dann vollzogenen
Handlungen zu entheben, eröffnen die Autoren jedoch eine Perspektive auf
mögliche Ansätze zur Bearbeitung der entstandenen Vorurteile. Dazu
führen sie am Schluss des Buches und sozusagen als Ausblick auf eine
mögliche Zukunft eine Reihe von Beispielen an, die durch ihre Existenz
alleine belegen, dass die künstlich aufgebauten Grenzen überwindbar
sind.
Ohne Schönfärberei, aber auch ohne
Dramatisierung und trotzdem höchst interessant und oft spannend, tragen
die Autoren auf 288 Seiten alles Relevante zum Thema zusammen. Sie
zeichnen ein menschliches Bild von Konflikten und erklären
Zusammenhänge, die eigentlich auf der Hand liegen, aber oft von
kontraproduktiver Aufgeregtheit überdeckt werden. Es gehört zur
Pflichtlektüre derer, die sich ernsthaft mit den Themen Antisemitismus,
Islamfeindlichkeit, Rassismus, Gruppendynamik, diskriminierende Diskurse
und Feindbilder auseinander setzen wollen.
Das Autorenteam
Dr. Sabine Schiffer
Nach dem Studium der Sprachwissenschaft,
Promotion zur Islamdarstellung in den Medien. Vorträge, Seminare und
Publikationen zu gesellschaftsrelevanten Themen wie Medienbildung,
Diskriminierende Diskurse, Kriegspropaganda und Fragen der Vierten und
einer erstarkenden Fünften Gewalt. Gründung und Leitung des Instituts
für Medienverantwortung.
Constantin Wagner
Doppelstudium Soziologie /
Religionswissenschaft in Frankfurt a.M. und Genf mit den Schwerpunkten
soziale Teilhabe und Ausschließungsprozesse sowie Religions- und
Migrationssoziologie. Er arbeitet zum Thema „soziale Funktionen des
Islam-Diskurses in Deutschland“.
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