Gastkommentar zum UN-Syrien-Chemiewaffenreport und seiner
Darstellung in
deutschen Medien
Clemens Ronnefeldt
Jede
Person, die einigermaßen der englischen Sprache mächtig ist, hat derzeit die
seltene Möglichkeit, die Berichterstattung der Medien über den
UN-Chemiewaffenbericht bezüglich des Einsatzes von Giftgas in Syrien mit
dem Originalbericht zu überprüfen: Im Wortlaut ist er nachlesbar
unter:
Auf Seite 8
des pdf-Dokumentes findet sich unter den Punkten 27 bis 30 eine
Zusammenfassung, die mit dem Satz endet: "This result leaves us with the
deepest concern." ("Dieses Ergebnis lässt uns mit tiefster Sorge
zurück", Übersetzung: C. R). Auf den Seiten 22 bis 25 des
pdf-Dokumentes finden sich Aufnahmen der Raketen(teile) in
Damaskus.
Während der
UN-Bericht eine Schuldzuschreibung, wer für den Abschuss der Raketen
verantwortlich ist, vermeidet - und dazu auch nicht den Auftrag
hatte -, gehen zahlreiche deutsche Medien über die bloße
Berichterstattung der Fakten des UN-Berichts weit hinaus - und
klagen anhand des
UN-Berichtes Baschar al-Assad an.
SPIEGEL
ONLINE titelte am 16.9.2013: "Es ist ein Report des Grauens: In ihrem
Bericht an den Sicherheitsrat bestätigen die Uno-Inspektoren den
Giftgaseinsatz in Syrien. Die Schuldfrage umgehen sie dezent.
Doch die von
ihnen gesammelten technischen Details lassen kaum Zweifel, dass das
Assad-Regime verantwortlich ist", schreibt Marc Pitzke aus New York
und ergänzt: "Die technischen Einzelheiten des Uno-Berichts machen
deutlich, dass nur das Regime diesen großangelegten
Chemiewaffenangriff unternommen haben kann", sagte Samantha
Power, die
Uno-Botschafterin der USA, nach der Sitzung. Darauf deuten nicht
nur die
aufgefundenen 'professionellen' Waffen hin - Raketen, wie sie
das syrische
Regime nutzt. 'Es gibt nun keinen Zweifel mehr, dass das Regime
Chemiewaffen eingesetzt hat', sekundierte auch der britische
Uno-Botschafter Sir Mark Lyall Grant. Der Bericht habe
bestätigt: 'Das Regime war
verantwortlich.' Ähnlich äußerte sich Frankreichs
stellvertretender Uno-Botschafter Alexis Lamek."
Die
Frankfurter Allgemeine Zeitung titelte bei "FAZ-Net" am
16.9.2013: "Amerika:
Nur Assad ist zu solch einem Angriff fähig" und führte aus: "In Syrien
ist nach Einschätzung der UN-Inspekteure am 21. August Sarin-Gas
eingesetzt worden. Für Amerika und Frankreich steht fest: Machthaber
Assad hat das befohlen".
"Die Welt
brachte als Schlagzeile am 17.9.2013": "Westen macht Assad für
Nervengas verantwortlich" und berichtete: "Der
Chemiewaffen-Bericht nennt nicht den Schuldigen. Aber für die
USA,
Großbritannien und Frankreich gibt es keinen Zweifel, dass das
Assad-Regime Sarin im Bürgerkrieg in Syrien eingesetzt hat".
Auf der
Titelseite der Süddeutschen Zeitung vom 17.9.2013 schrieb Paul-Anton
Krüger unter der Überschrift: "UN: In Syrien wurde Sarin
eingesetzt": (...) "Der Bericht weist keiner der Seiten in dem Bürgerkrieg
die Verantwortung für den Angriff zu, das ließ das Mandat auch nicht
zu. Er liefert aber starke Indizien dafür, dass Truppen des Regimes
von Präsident Baschar al-Assad die Urheber sind".
Auch wenn
die Raketen vermutlich russischer Bauart sind und "aus Nordwesten"
flogen wo "von der Regierung kontrollierte Gebiete" "in dieser
Richtung liegen" (SZ, 17.9.2013): Nach intensiver Lektüre des Dokumentes
- die ich allen Leserinnen und Lesern empfehlen möchte - konnte ich
keinen einzigen Satz oder Abschnitt im UN-Dokument finden, der die
Interpretation rechtfertigt, "dass Truppen des Regimes von Präsident
Baschar al-Assad die Urheber sind".
Dass es
auch noch sauber recherchierenden Journalismus in Deutschland gibt,
zeigte schon am 9.9.2013(!) Andreas Zumach in der "Taz", dessen Artikel die
dem UN-Bericht sachgemäße Überschrift trug:
"UN-Inspektoren bestätigen Sarin-Einsatz. Schuldfrage bleibt ungeklärt.
Der UN-Bericht wird den Einsatz von Sarin oder verwandter Substanz
bestätigen, aber keine Angaben über die Verursacher des Verbrechens
machen".
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon nannte den Einsatz von Sarin "ein
Kriegsverbrechen". Paul-Anton Krüger schrieb dazu in der SZ
(17.9.2013): "Die USA und Frankreichs Außenminister Laurent
Fabius werteten
den Bericht als Bestätigung für die Verantwortung Assads. Er stärke die
Haltung derer, 'die gesagt haben, dass das Regime schuld ist', sagte
Fabius. Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle vermied
hingegen Schuldzuweisungen, er sprach von einem
'zivilisatorischen Verbrechen', die Verantwortlichen müssten vom
Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag ermittelt werden".
Die
Wortwahl des UN-Generalsekretärs Ban Ki Moon
("Kriegsverbrechen") hat auch
völkerrechtliche Bedeutung: Sie rechtfertigt die Einschaltung des
Internationalen Strafgerichtshofes, nicht aber eine Bestrafung durch eine
militärische Intervention. Nur die Wortwahl "Gefahr für den
Weltfrieden" hätte eine solche nach sich ziehen können. Der
UN-Generalsekretär versucht weiterhin mit seiner vermutlich sehr bewussten
Wortwahl eine solche Militärintervention in Syrien zu verhindern.
Sollten die
Regierungen der USA und Frankreichs doch noch Syrien
bombardieren lassen, würden sie nach derzeitiger Faktenlage
einen
Völkerrechtsbruch begehen.
Clemens
Ronnefeldt, Jg. 1960, arbeitet seit 1992 als Referent für
Friedensfragen beim deutschen Zweig des Internationalen
Versöhnungsbundes, dessen rund 100 000 Mitglieder sich in mehr
als 40 Staaten
engagieren. Der Verband hat Beraterstatus bei der UNO. Ronnefeldt
hat seit 1990 Irak, Iran, Syrien, Libanon, Israel, Palästina
und Ägypten bereist und dort Friedens- und
Menschenrechtsgruppen besucht.
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