Stellungnahme der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden
Deutschland
Entrechtung,
Vertreibung, ethnische Säuberung: NICHT IN UNSEREM NAMEN!
Die Gesellschaft für Christlich-Jüdische
Zusammenarbeit veranstaltet während der diesjährigen "Woche
der Brüderlichkeit" vier Benefizkonzerte zur Unterstützung
der KKL.
„KKL“ steht im Hebräischen für Keren
Kayemet L’Israel, wörtlich übersetzt
„Existierender Fond für Israel“. Tatsächlich handelt es sich
um den 1901 von der zionistischen Bewegung begründeten Fond
zum Erwerb von Ländereien zum Zwecke der jüdischen
Besiedlung Palästinas. Im internationalen Sprachgebrauch
wird die Organisation deshalb richtig „Jewish National
Fund“ (Jüdischer Nationalfond -
fortan JNF) bezeichnet.
Abgesehen von den vielfältigen
Spendensammlungen in allen Jüdischen Gemeinden und den vor
allem in Israel etablierten Formen der Beitragszahlungen an
den JNF, ruft dieser in jedem Jahr den so genannten
grünen Sonntag aus. An diesem werden Menschen dazu
aufgefordert, für "Baumpflanzungen in Israel" zu spenden,
damit das Land begrünt und bewaldet werde. In diesem Jahr
fiel der grüne Sonntag auf den 12. Februar, kurz nach dem
religiösen jüdischen Feiertag Tu B'shvat am 8. Februar, der
in der jüdischen Tradition als „Neujahrstag der Bäume"
begangen wird. Zwar gehört Tu B’shvat nicht zu den jüdischen
Hauptfeiertagen, mit ihm wird aber doch gefeiert, dass Bäume
wichtige Symbole des Lebens sind.
In der Halacha, dem jüdischen Gesetz für
Moral und Ethik, ist folglich die Zerstörung von Bäumen,
besonders von fruchttragenden, streng verboten und selbst in
Kriegszeiten untersagt. Die Huldigung und Lobpreisung
der Pflanzung von fruchttragenden Bäumen kommt in der
jüdischen Liturgie einer lebensbejahenden, heiligen Handlung
gleich, einem wirklichen Fest.
In den vergangenen Jahren brachten wir
wiederholt unsere Empörung über die rechtswidrige und
unmenschliche Praxis von Himanuta zum Ausdruck, die
in den besetzten Gebieten des Westjordanlands und
Ostjerusalems privaten Grund- und Bodenbesitz, Wohnungen,
Häuser und ganze Wohnortschaften der einheimischen
palästinensischen Bevölkerung räumt und zerstört, um sie zu
enteignen und jüdisch zu besiedeln. Himanuta und
maßgeblich der JNF, dem dieses vorgeblich eigenständig
handelnde Unternehmen in Gänze gehört, waren nicht zuletzt
an der Entwurzelung unzähliger fruchttragender Oliven- und
Obstbäume beteiligt. Es kommt daher einem Sakrileg gleich,
wenn sich der Nationalfond nunmehr auch des jüdischen
Feiertags Tu B’shvat bemächtigt.
Die Jüdische Stimme für gerechten
Frieden in Nahost protestiert gegen den zynischen Missbrauch
des Tu B'shvat-Tages, dem Neujahrstag der Bäume, für die
inhumanen Ziele des JNF.
Himanuta wurde 1938 mit dem
politisch motivierten Ziel gegründet, jüdischen Siedlern die
Kolonisierung Palästinas zu erleichtern. Nach der
Staatsgründung Israels im Jahre 1948 wurde dies der
Hauptzweck des Unternehmens. Nach 1967 dehnte Himanuta
ihre Zuständigkeit auf die Kolonisierung der besetzten
Gebiete aus. Alle Aktivitäten zum Kauf und zur Besiedlung
palästinensischen Landes, die dem JNF legal, d.h. ohne gegen
Internationales Recht zu verstoßen, nicht möglich wären,
erfolgen offiziell im Namen des eigenständigen
Tochterunternehmens Himanuta.
So spielt Himanuta z.B. auch eine
Schlüsselrolle bei der Vertreibung von Familien aus ihren
Häusern in der Nachbarschaft Silwan im besetzten
Ostjerusalem. Im vergangenen Jahr wurde etwa das Schicksal
der 12-köpfigen Familie Sumarin international bekannt. Ihr
Haus wurde bereits 1980 in Durchsetzung des israelischen
Gesetzes der Enteignung so genannter „Abwesender Besitzer“ (Absentee
Property Law) konfisziert und Himanuta übereignet.
Diese entschied 2011 im Zuge der Judaisierung Ostjerusalems,
die Familie – 5 Kinder, die schwangere Mutter und einen
Dialyse-abhängigen Großvater – aus dem Haus zu deportieren,
in dem sie vier Jahrzehnte gelebt hatten. Dank des breiten
internationalen Protests konnte die Durchsetzung des
Räumungsurteils bisher aufgehalten werden.
Bei alledem scheut Himanuta nicht
die Kooperation mit ultrarechten Siedlerorganisationen, wie
z.B. ELAD (David-Stadt-Stiftung). Die Kolonisierung durch „Judaisierung
des Bodens“, wird mit den Mitteln des erzwungenen
Landerwerbs und der Landnahme in den besetzen Gebieten, also
etwa in Ost-Jerusalem, im Vorort von Bethlehem Beit Jala
oder im Jordantal, genauso vorangetrieben wie innerhalb
Israels.
Im Februar 2011 wurde die
Beduinen-Siedlung Al Arakib zum 18. Mal zerstört: Die
Bulldozer, die das Leid über die Menschen brachten, waren –
weithin sichtbar – als JNF-Besitz kenntlich. Al Arakib und
andere Beduinen-Dörfer in der Negev-Wüste, aber auch in
anderen Teilen Israels, wurden zerstört, um Platz für
Baum-Pflanzungs-Projekte des JNF zu schaffen, der ein
Rahmenprogramm aufgelegt hat, Freizeitparks im Land zu
errichten; Attraktionen nicht nur für Israelis, sondern
insbesondere auch für Touristen Israels. Die Negev-Wüste,
traditionell Heimat und Lebensumwelt der Beduinen, wird
zurzeit vom JNF einem Räumungs- und Säuberungsprozess
unterworfen, dessen unverblümt erklärtes Ziel die jüdische
Besiedlung auch dieses Gebietes ist.
Vor dem Hintergrund der genannten Fakten
und wenigen Beispiele, die für die gesamte Geschichte des
JNF bis zum heutigen Tag bezeichnend sind, klagen wir den
JNF und Himanuta wegen weit reichender Vergehen gegen
geltendes internationales Recht an.
Beide verstoßen unstrittig gegen
-
die universellen
Menschenrechte,
-
die Genfer Konventionen über
den Umgang mit kriegerisch erobertem Gebiet, sowie
-
die international geltenden
Gesetze zum Schutz ethnischer und nationaler
Minderheiten und ihres Landbesitzes.
Viele Menschen spenden hierzulande für
den JNF, der als gemeinnützige Organisation zur Begrünung
Israels durch Baumpflanzungen anerkannt ist, weshalb die
Spenden von der Steuererhebung befreit sind. Die meisten
Spenderinnen und Spender sind sich vermutlich nicht darüber
bewusst, dass der JNF wesentliche und einschlägige
Informationen über die Verwendung der gespendeten Geldmittel
zurückhält.
Spender und Spenderinnen, die sich Sorgen
um die Erhaltung von Mensch und Natur machen, ahnen meistens
nicht, dass ihre Spende indirekt zur Vertreibung der
einheimischen nicht-jüdischen Bevölkerung Israels und der
besetzten Gebiete verwendet wird. Niemand kommt für
gewöhnlich auf die Idee, mit einem Beitrag zur Baumpflanzung
Projekte zu unterstützen, die den Einheimischen ihre
angestammten Ländereien rauben.
Der Jüdische Nationalfonds verwendet
zynisch den Sprachgebrauch von der Solidarität mit dem
Jüdischen Volk gegen Antisemitismus und von dem "sicheren
Hafen", der endlich für Juden gefunden wurde. Doch seine
Satzung legt fest, dass er Land nur an Juden verkaufen,
verpachten oder vermieten darf. Der JNF muss daher als eine
rassistische Organisation missbilligt und angeprangert
werden, die darauf verpflichtet ist, so viel Land wie
möglich zu „judaisieren“, das heißt im Klartext, von
Nicht-Juden "zu säubern".
Solch eine Organisation darf und kann
nicht das ganze "Jüdische Volk" repräsentieren. Wir treten
entschieden gegen die Verletzung der Menschenrechte von
Palästinensern und Beduinen ein, gegen die Entrechtung der
Palästinenser und das gesamte Elend und Leid im Konflikt um
das Land in Israel/Palästina.
Wir stehen an der Seite der
Entrechteten und erklären unmissverständlich:
-
Die Politik des JNF,
palästinensisches Land in den besetzten Gebieten und
ebenso innerhalb der so genannten grünen Grenze zu „judaisieren“,
d.h. zu ausschließlich jüdisch-israelischem
Kolonialgebiet zu erklären und es jüdisch zu besiedeln,
muss als rassistisch und nationalistisch angeprangert
und vereitelt werden.
-
Zugleich treten wir allen
Verleumdungen, die gegen Juden erhoben werden, wenn das
„weltweite Judentum“ mit Kolonisierung und Enteignung
assoziiert wird, entgegen.
Wir sind europäische Juden und
Jüdinnen. Der Staat Israel vertritt uns nicht. Wir fühlen
uns nicht genötigt, uns für seine illegalen und amoralischen
Handlungen zu entschuldigen.
Deshalb können wir die kriminellen
Handlungen des JNF im Namen des Judentums und ebenso die
absichtsvolle Täuschung gutgesinnter Spender und
Spenderinnen nicht mit Schweigen übergehen.
Wir rufen alle politisch verantwortlich
denkenden Menschen auf, dem JNF bzw. der KKL keinen einzigen
Cent zu spenden.
http://www.jnf-kkl.de/d/veranstaltungen-shuly_nathan_konstan.htm
http://www.haaretz.co.il/news/politics/1.1577314
http://www.haaretz.co.il/news/politics/1.15664
http://www.snunit.k12.il/heb_journals/katedra/68080.html
http://news.walla.co.il/?w=/9/6
http://www.badil.org/en/al-majdal/item/1055-land-ownership-in-palestine/israel-1920-200
http://www.jnews.org.uk/commentary/background-paper-the-controversial-land-policies-of-the-jewish-national-fund
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