Der
Autor beschreibt und analysiert mit viel
Wissen die Hintergründe der israelischen
Angriffe auf Gaza. Er beschreibt die drei
Massaker, die Israel in den letzten fünf
Jahren verübt hat: Operation „Gegossenes
Blei“ von 2008/2009, Operation „Säule der
Verteidigung“ von 2012 und Operation „Fels
in der Brandung“ von 2014. Er beschreibt
auch, wie Israel 2010 beim Abfangen der
„Mavi Marmara“, eines mit Hilfsgütern für
Gazas Not leidende Bevölkerung beladenen
Schiffes, acht ausländische Staatsbürger
getötet hat.
Was die Operation „Gegossenes Blei“
betrifft, berichtete der
Nahost-Korrespondent der New York Times,
Ethan Bronner, unter Berufung auf
israelische Quellen, das übergeordnete Ziel
sei die Wiederherstellung der israelischen
Abschreckungsfähigkeit gewesen. Der Autor
zitiert israelische Kommentatoren: „Hatte
Israel sich vorgenommen, den Libanon um 20
Jahre zurückzuwerfen, freute es sich
darüber, dass es gelungen sei, Gaza in die
vierziger Jahre zu katapultieren.“
Israel hatte seine Fähigkeit zur
Abschreckung wiedererlangt und den
Palästinensern eine blutige Lektion erteilt:
Wir können euch angreifen und schlagen, wie
wir wollen, ohne Rücksicht auf Völkerrecht
und Genfer Konventionen. Außerdem hat es
seine Blockade von Gaza noch verschärft. Die
UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Mary
Robinson, hat ihr Entsetzen über die
Auswirkungen der Blockade bekundet:„ Gazas
gesamte Zivilisation wurde vernichtet, das
kann ich ohne Übertreibung sagen…“
In dem Kapitel mit dem Titel „Bestrafen,
Erniedrigen und Terrorisieren (2011)“
befasst sich der Autor mit der
Untersuchungskommission des
UN-Menschenrechtsrates zu den Vorwürfen von
Kriegsverbrechen während der Operation
„Gegossenes Blei“. Es ist der
Goldstone-Kommission gewidmet. Richard
Goldstone, der die Kommission leitete, war
u.a. Richter am südafrikanischen
Verfassungsgericht. Zwar hat er später unter
massivem Druck einen Rückzieher gemacht und
sich von dem Bericht distanziert, aber seine
Kollegen in der Untersuchungskommission
bestanden auf der Richtigkeit der
Ergebnisse, die Israel schwer belasteten.
Die israelische Operation „Säule der
Verteidigung“ nahm am 14. November 2012
ihren Anfang. Dieses Mal wurde die Absicht
nicht verschwiegen: Israel wollte offiziell
seine Abschreckungsfähigkeit wieder
herstellen. Weil die Medien stets dabei
waren, wurden die Angriffe beschränkt.
Während des achttägigen Angriffes wurden
rund 70 palästinensische Zivilisten getötet,
so genannte Kollateralschäden. Der
israelische Angriff wurde mit einer
Waffenruhe beendet, die Notwendigkeit einer
Aufhebung der Gaza-Blockade war kein Thema…
Die Operation „Fels in der Brandung“ begann
am 8. Juli 2014. Kurz zuvor hatten sich
Fatah und Hamas in Gaza auf eine
Einheitsregierung geeinigt. Netanjahu hat
das so verstanden, dass er Gaza mit Tod und
Zerstörung gewaltigen Ausmaßes überziehen
konnte. Er hat seine Truppen in Marsch
gesetzt und so hat die Bodenoffensive
begonnen. „Ich habe noch nie so massive
Zerstörungen gesehen“, sagte Peter Maurer,
Präsident des Internationalen Roten Kreuzes.
Der Generalsekretär der UNO, Ban Ki Moon,
erklärte: „Das gewaltige Ausmaß von Tod und
Zerstörung in Gaza hat die Welt schockiert
und beschämt.“ Und was Netanjahu betrifft,
das Weiße Haus hat ihm freie Hand gegeben,
so dass er Gaza noch einmal in Schutt und
Asche legen konnte.
Der Autor schreibt, die Operation Fels in
der Brandung zog sich noch drei Wochen hin,
nachdem Benjamin Netanjahu das Ende der
Bodenoffensive verkündet hatte. Er hatte die
Hoffnung noch nicht aufgegeben, der Hamas
eine Niederlage beizubringen, indem er sie
zermürbte – mit gewaltigem Luftbombardement,
einer Unzahl ziviler Opfer und Mordanschläge
auf hohe Hamas-Militärs. Weil die westlichen
Medien ihre Aufmerksamkeit nach der
Enthauptung eines US-amerikanischen
Journalisten dem „Islamischen Staat“
zuwandten und das Gaza-Massaker im
Nachrichtenbetrieb so behandelt wurde, als
gäbe es darüber wenig Spannendes oder Neues
zu berichten, war Israel imstande, sich
wieder seinen terroristischen
Präzisionsschlägen zu widmen, und zwar mit
größerer Unbekümmertheit denn je:
Mehrstöckige Wohnhäuser wurden, als wär’s
ein Videospiel, dem Erdboden gleichgemacht,
wobei man sich nicht einmal sonderlich Mühe
gab, sie als legitime militärische Ziele
darzustellen.363 Dessen
ungeachtet setzte die Hamas ihren Beschuss
Israels fort, wodurch weitere israelische
Zivilisten ums Leben kamen. Am 26. August
2014 trat eine Waffenruhe in Kraft.
Als das Massaker vorüber war, hatte Israel
2.200 Palästinenser getötet, zu 70 bis 75
Prozent Zivilisten. Unter den Todesopfern
befanden sich 500 palästinensische Kinder.
Außerdem waren 11.000 Palästinenser
verwundet worden (darunter 3.300 Kinder, von
denen 1.000 dauerhafte Behinderung
davontrugen); 11.000 Wohnhäuser, 360
Fabriken und Werkstätten, 160 Moscheen, 100
Schulen und zehn Krankenhäuser waren
entweder zerstört oder schwer beschädigt
worden; 100.000 Palästinenser waren
obdachlos geworden. 364 Auf
israelischer Seite hatten mindestens 66
Kombattanten und fünf Zivilisten ihr Leben
verloren (ein ausländischer Gastarbeiter war
ebenfalls getötet worden). Unter den
Todesopfern befand sich ein israelisches
Kind. Außerdem waren 120 Israelis verwundet
worden (eine Person war schwer verletzt
worden).
Somit hat es der Autor geschafft, noch
einmal die mörderische Seite der
israelischen Angriffe auf Gaza zu
beschreiben.
Der Gaza-Streifen ist mittlerweile ein
Trümmerfeld und eine ökologische
Problemzone, und die UNO erklärte,
spätestens 2020 werde Gaza unbewohnbar sein.
Auf der anderen Seite wurde Netanjahu 2015
mit einer Verdopplung der Militärhilfe der
USA für Israel belohnt. Sein Wahnsinn hat
demnach Methode…
Der Autor schwärmt mit viel Gefühl und
Empathie bezüglich der Solidaritätsbewegung
mit Palästinensern, „wenn eine Million
Gaza-Kinder einen Demonstrationszug
anführten…“ „Was, wenn die unzähligen
Palästina-Unterstützer zu Hunderttausenden
aus aller Welt kämen, um gleichzeitig die
Hauptquartiere der Vereinten Nationen in New
York und Genf zu umzingeln und lahmzulegen?
Gegen breit angelegten gewaltfreien
Widerstand spricht höchstens, dass man ihn
noch nicht versucht hat. Hat er wenigstens
eine Chance verdient?“, fragt der Autor am
Ende des fesselnden Buches.
Dem Autor, Norman Finkelstein, gebührt
herzlicher Dank.