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Es gibt kein anderes Wort als „Pogrom“ für die Taten der Siedler – eine Analyse

 

Avi Issacharoff, Haaretz, 5.Dezember 2008

 

 

Eine unschuldige palästinensische Familie, die fast aus 20 Personen besteht; außer drei Männern sind es  Frauen und Kinder. Sie sind umgeben von ein paar Dutzend maskierten Juden, die sie zu lynchen versuchen. Ein Pogrom. Dies ist kein Wortspiel oder hat auch keine andere Bedeutung. Es ist ein Pogrom – im schlimmsten Sinne des Wortes. Zuerst haben die maskierten Männer im Hof die trocknende Wäsche an der Leine angezündet. Dann versuchten sie, einen der Räume anzuzünden. Die Frauen schrieen um Hilfe: „Allahu Akhbar!“ Aber die Nachbarn wagten nicht, sich dem Hause zu nähern, weil sie sich vor den Sicherheitsleuten von Kiryat Arba fürchteten , die das Haus versiegelt haben und die die Journalisten verfluchten, die die Ereignisse hier dokumentieren wollen.

 

Die Schreie kamen wie die Steine, die die maskierten Männer auf die Abu Sa’afan Familie im Haus warfen. Ein paar Sekunden vergingen, bis eine Gruppe Journalisten, die  schon seit langem Zeugen solch schwieriger Momente sind, sich entscheiden, nicht mehr vom Straßenrand aus zuzusehen. Sie  dringen ins Haus ein und retten so das Leben der Leute drinnen. Man braucht ein paar Minuten, um zu begreifen, was hier eigentlich los ist. Die Frauen und Kinder weinen bitterlich, ihr Gesichtsausdruck spiegelt den Schrecken wieder, als ob sie kurz vor dem Tode stünden. Sie bitten die Journalisten, ihr Leben zu retten. Steine landen auf dem Dach des Hauses, fliegen durch  Fenster und Türen. Der südliche Eingang des Hauses steht in Flammen. Der vordere Hof ist mit Steinen übersät, die die maskierten Männer warfen. Die Fenster sind zerbrochen und die Kinder voller Angst. Rund herum stehen Hunderte von jüdischen Zeugen, als ob sie ein Rockkonzert beobachten und schauen mit großem Interesse zu und machen Vorschläge, wie die ungezogenen jüdischen Jugendlichen am wirksamsten die Familie schädigen können. Von der Polizei ist niemand zu sehen – auch nicht von der Armee.

 

Zehn Minuten vorher, während die Sicherheitskräfte damit beschäftigt waren, die Aufständischen in der Nähe des „House of Contention“ zu vertreiben, kamen Rauch- schwaden aus dem Wadi, der Kiryat Arba von Hebron trennt . Aus irgendeinem Grund war keiner der ranghohen Offiziere der Polizei oder Armee besonders beunruhigt, was am Fuße von Kiryat Arba passiert. Jeder, der ein paar hundert Meter entfernt stand, musste die Dutzenden von Aufständischen bemerkt haben, die auf das Dach der Abu Sa’afan-Familie kletterten und Steine warfen. Nur Momente später wurde deutlich, dass da auch Leute im Haus sind.

Ich lief schnell ins Wadi hinunter und sprach drei Soldaten an. „Was willst du von mir? Wir drei sind für das ganze Gebiet hier verantwortlich“, sagte einer und machte mit der Hand eine ausholende Bewegung,

„Benütze dein Funkgerät und fordere Hilfe an“, sagte ich. Er antwortete, er habe kein Funkgerät. Eine Gruppe Journalisten nähert sich dem Haus. Ein Dilemma. Was soll man tun?  Es sind keine Sicherheitsleute in der Nähe. Nun entscheiden die jüdischen Unruhestifter, die Journalisten in ihr Fadenkreuz zu nehmen. Wir rufen die Sicherheitsleute von Kiryat Arba, damit sie hier dazwischen gehen und das Lynchen stoppen. Aber sie stellen sich rund ums Haus, um palästinensische Hilfe zu verhindern.

 

Das Haus ist zerstört und  den Kinder sieht man die große Angst an. Eine der Frauen, Jihad liegt halb bewusstlos auf dem Boden. Der Sohn greift nach einem langen Stock und bereitet sich auf den Moment der direkten Konfrontation mit den Siedlern vor; Tahana, eine der Töchter, weigert sich, sich zu beruhigen: „Seht, was sie hier im Haus angerichtet haben!“

 

Tess, die israelische  Fotografin, bricht in Tränen aus, als sie sieht, was hier alles geschieht. Die Tränen haben nichts mit Angst zu tun. Es ist die Scham beim Anblick dieses Geschehens, den Taten der Jugendlichen, die sich selbst Juden nennen. Scham darüber, dass wir dieselbe Religion teilen . 5Uhr 5 – etwa eine Stunde, nachdem dies hier alles angefangen hat, kommt eine  Einheit der Yassam-Polizei-Sondertruppe, um die Menge der maskierten Männer zu vertreiben. Die Familie weigert sich, sich zu beruhigen. Während die Siedler das Haus verlassen, hört man einen von ihnen zu einem Polizeioffizier rufen: „Nazi,  du solltest dich schämen.“

Ja, er sollte sich tatsächlich schämen.

 http://haaretz.com/hasen/spages/1043795.html

(dt. Ellen Rohlfs)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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