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Und der Staat, ist der loyal?
Die Forderung nach einem Treueschwur
in Israel weist bedenkliche Ähnlichkeiten mit den Forderungen auf,
die in Mussolinis Italien erhoben wurden
Neve Gordon
Vor einigen Wochen demonstrierten hunderte
Studenten vor dem Verwaltungsgebäude der Ben-Gurion-Universität.
Etwa ein Drittel protestierten gegen die Entscheidung der Regierung,
die Hilfsflotte anzugreifen, zum Ausdruck, während die anderen zwei
Drittel die Regierung unterstützten. Irgendwann begannen die
pro-Regierungs-Demonstranten zu skandieren: „Keine
Staatsbürgerschaft ohne Loyalität!“
Loyalität ist zweifelsohne eine wichtige
Beziehungsform sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich,
betrachtet man aber ihre genaue Bedeutung im israelischen Kontext,
kommt ein beunruhigender Prozess zu Tage, in dem das demokratische
Verständnis von Politik auf den Kopf gestellt wird.
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und
Außenminister Avigdor Lieberman wollen, dass wir als israelische
Staatsbürger unsere Loyalität zu der Fahne dadurch unter Beweis
stellen, dass wir eine Politik der Unterdrückung und Demütigung
unterstützen. Wir müssen uns für die Trennungsmauer in Bi´lin und
anderen Orten in der gesamten West Bank einsetzen. Wir müssen die
brutale Zerstörung von nicht anerkannten Beduinendörfern
verteidigen, und den fortgesetzten Landraub in Israel und in den
okkupierten palästinensischen Territorien. Wir müssen die
Kontrollstellen und die stillschweigende Verlagerung in Ostjerusalem
unterstützen. Es wird auch von uns erwartet, unsere Häupter zu
beugen und zu schweigen, wann immer Minister, Knessetabgeordnete und
öffentliche Funktionäre rassistische Stellungnahmen gegen arabische
Bürger von sich geben. Wir sind verpflichtet, die Gefangenhaltung
der 1,5 Millionen Bewohner des Gazastreifens abzusegnen.
Durch das Gebrüll auf der letzten
Demonstration wurde mir klar, dass ich niemals in der Lage sein
werde, diese verheerend kurzsichtige Form von Loyalität zu
akzeptieren. Ich weigere mich, einer Politik der Demütigung, des
Rassismus und der Diskriminierung gegenüber loyal zu sein. Dennoch
ist Loyalität eine wichtige Angelegenheit, die dringend diskutiert
werden muss, da auf jeden Fall eine starke Beziehung zwischen Staat
und Loyalität besteht. Die drängenden Fragen, die behandelt werden
müssen sind: Was ist die Bedeutung von Loyalität? Und wer soll wem
gegenüber loyal sein?
Überraschenderweise ist die Antwort auf diese
Fragen nicht besonders schwierig. Gemäß der republikanischen
Tradition ist an erster Stelle der Staat verpflichtet, loyal seinen
Bürgern gegenüber zu sein und wird verantwortlich gemacht für
Ungerechtigkeiten und Unrecht. Wir hingegen beobachten zur Zeit eine
völlige Verdrehung der republikanischen Beziehung zwischen Staat und
Loyalität und an deren Stelle die Übernahme eines
proto-faschistischen Zugangs.
Die vielleicht beunruhigendste Eigenschaft
dieses Trends ist, dass dieser auf allen Ebenen der israelischen
Gesellschaft um sich greift. Von den laufenden Attacken gegen
israelische Menschenrechtsorganisationen, angeführt von NGO Monitor
und Im Tirzu, über die Reaktion der Polizei auf die friedlichen
Proteste in Sheik Jarrah bis zu der McCarthyistischen Atmosphäre im
Bildungsausschuss der Knesset erlebt man, wie Elemente in der
Zivilgesellschaft, in der Exekutive und in der Legislative allesamt
nach einer Logik ähnlich derjenigen arbeiten, die Mussolinis Italien
geprägt hat. Alle diese Elemente erwarten, dass Bürger dem Staat die
Treue schwören, ungeachtet der Politik der Regierung.
Da die Loyalität ein wesentlicher Bestandteil
der Politik ist, müssen wir uns anstrengen, um zu erreichen, dass
der Ruf nach Loyalität den Anforderungen an eine demokratische Logik
entspricht und nicht einer faschistischen. Wir müssen fordern, dass
der Staat allen seinen Bürgern gegenüber loyal ist, ohne Ansehen von
Rasse, Farbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer
Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, Besitz oder Geburt.
Ein Staat, der loyal zu seinen Bürgern steht,
behandelt nicht Juden und Araber unterschiedlich, enteignet nicht
das Land von Moslems und Christen, demütigt und trampelt nicht auf
den niederen Klassen herum und unterdrückt nicht brutal die
Palästinenser in den okkupierten Territorien. Ein Staat dieser Art
schützt das Recht eines jeden und aller Bürger und wird auch keine
Loyalität einzufordern brauchen, weil er diese auf dem Silbertablett
bekommen wird.
Ja, auch ich verstehe, wie wichtig Loyalität
ist. Die angebrachte Losung ist allerdings nicht „Keine
Staatsbürgerschaft ohne Loyalität!“ sondern „Loyalität jedem Bürger
gegenüber!“
Erschienen am 19. August 2010 auf >
http://www.antiwar.com >
http://original.antiwar.com/neve-gordon/2010/08/18/and-the-state-is-it-loyal/
Neve Gordon lehrt Politikwissenschaft an
der Ben-Gurion Universität und ist der Verfasser von
Israel's Occupation.
> Neve Gordons
Website.
Quelle www.antikrieg.com
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