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Warum
wollten Eiferer eine jüdisch-arabische Schule in Israel angreifen,
die Toleranz und gegenseitigen Respekt lehrt
Neve Gordon und Catherine Rottenberg - 7.6. 14
Dieser letzte Beweis
von Hass ist eine alarmierende Mahnung, wie ein wundervolles
pädagogisches Projekt auf unsicherem Boden steht.
Sie waren in der
Nacht gekommen. Als der Schulleiter morgens kam, um die Schule zu
öffnen, sah er eine Menge Aufkleber, die die Außenwände, den
Eingang und den umgebenden Zaun bedeckten. Die Aufkleber waren wie
das Motto der Schule zweisprachig, auf Hebräisch und Arabisch. Auf
Hebräisch stand: Wage nicht über eine Jüdin nachzudenken“, während
auf Arabisch die Warnung leicht verändert war:“ Wage nicht, eine
Jüdin anzufassen!“ Zwischen den Drohungen stand auch eine
Telefon-Nummer für Leute, die über „Vorfälle der Assimilation
berichten wollen“.
Die Schule, an der
die Warnungen angebracht waren, wird HAGAR oder Hajjar (arab.)
genannt und ist eine von nur fünf jüdisch-arabischen Schulen in
Israel. Bei einer totalen Bevölkerung von 2 Millionen lernen
annähernd 1300-Schulkinder in solchen nicht getrennten Schulen.
Außerdem ist Hagar
die einzige gemeinsame Schule in der Negev, wo die Kinder auch
tagsüber versorgt werden. Im Süden Israels leben mehr als 600 000
Menschen, ein Drittel von ihnen sind palästinensische Bürger
Israels. Hagars Einzigartigkeit hängt mit der Tatsache zusammen,
dass sie einen Raum geschaffen hat, in dem jüdische und
palästinensische Kinder einander nicht nur täglich begegnen,
sondern zusammen in einer zweisprachigen Atmosphäre gegenseitigen
Respekt lernen. Um sicher zu gehen, dass Hebräisch und Arabisch den
gleichen Status haben: sind z.Zt. zwei Lehrer, einer jüdisch und
der andere palästinensisch, in jeder Klasse. Der jüdische Lehrer
spricht hebräisch und der palästinensische Lehrer spricht arabisch.
Aber die Sprache ist
nur ein Aspekt unserer pädagogischen Bemühungen. Innerhalb dieses
zweisprachigen Raums, ermutigt Hagar zum Kontakt mit dem Erbe, den
Sitten und dem historischen Narrativ beider ethnischer Gruppen. Die
Lehrer leben Toleranz vor, während sie die persönliche Identität
eines jeden Kindes und jede Tradition entwickeln. Im Alter von zwei
feiern die Kinder in der Tagespflege schon die Feiertage der drei
monotheistischen Religionen, ja auch die nationalen Gedenktage
beider Kulturen.
Am israelischen
Unabhängigkeitstag z.B. betont Hagar die Vorstellung der
Unabhängigkeit und seine Beziehung zur Verantwortung. Wir erinnern
uns noch, als unser 3jähriger Sohn am Unabhängigkeitstag stolz nach
Hause kam und uns gegenüber bemerkte, dass er sich jetzt alleine
anziehen könne. Er sei unabhängig, sagte er.
Am Nakbatag und am
Holocausttag betonte der Kindergarten die Idee des Verlustes und des
Leidens und betonte die Bedeutung der Empathie und dass jeder
einzelne von uns schon Erfahrungen durch Verletzungen und Trauer
gemacht hat. Und an religiösen Feiertagen versuchen wir, die
universale Botschaft heraus zu finden: die Befreiung aus der
Sklaverei während Pessach/Passah. Die Idee ist, dass die Kinder
allmählich alt genug sind, um zu lernen, dass es zwei nationale
Narrative gibt, die in den oberen Klassen gelehrt werden. Sie sind
dann schon so weit, dass sie emotional und intellektuell das Zeug
haben, um sich mit dem Konflikt im Dialog auseinander zu setzen.
Obgleich in den US
diese Art von multikulturellem und pädagogischem Projekt oft
angenommen und sogar gefeiert wird, wird dies in Israel gewöhnlich
aktiv entmutigt. Wenn man den Anti-Rassenvermischungs-Diskurs heute
in Israel betrachtet. …. Es ist wirklich nicht überraschend, dass
ein pädagogisches Projekt, das zu Toleranz und Empathie ermutigt,
ein Ort von solchen Hassverbrechen geworden ist. In einem Echo
weißer Opposition gegenüber Integrationsschulen im amerikanischen
Süden in den 50 er und 60er Jahren, betrachten die meisten Juden in
Israel, unser pädagogisches Projekt als extrem bedrohlich, weil es
der ethnischen Teilung widersteht, die das zionistische Projekt
untermauert.
Tatsächlich sind die
Anti-Rassenvermischungs-Stickers einfach ein anderer Ausdruck für
die unaufhörliche staatliche Politik der Grenzen der
vorherrschenden ethnischen Gruppe, als ob das eine Garantie für
ihre Reinheit wäre. Im Augenblick sind unsere ältesten Kinder erst
11 Jahre; aber ihr Zusammensein mit israelischen Kindern wird von
vielen Israelis als Bedrohung angesehen. Man muss dies ernst nehmen:
im Mai wurden vier Juden angeklagt, Palästinenser brutal geschlagen
zu haben, von denen sie dachten, sie wären daran interessiert sich
mit jüdischen Frauen zutreffen.
In einem total
anderen Kontext hat die jüdische Reformbewegung in den USA sich mit
ähnlichen Problemen befassen müssen. Wenn man auf den Grad jüdischer
Assimilation schaut, hat der Führer der Union des reformierten
Judentums Rabbi Rick Jacobs auf kühne Art und Weise reagiert. Er
rief zu einer „kühnen Gastfreundlichkeit auf, um gemischte Paare
und andere in die jüdische Gemeinde einzuladen.“ Ich höre von
jüdischen Führern noch immer, dass sie über gemischte Ehen sprechen,
als ob es eine Krankheit wäre,“ sagte Jakobs und fügte hinzu „Das
ist es nicht,“ und bittet die Juden in den US, in die Zukunft zu
sehen und den weit verbreiteten atavistischen Schwächen zu kontern,
indem sie die Frage stellen, wie man sich anders engagiert/ head-on
.(??)
In Israel werden die
Gewinne/ stakes ?? sogar noch höher angesehen und drum ist die
Opposition noch gefährlicher. Eine Verbindung zwischen einem Juden
und einem Palästinenser (der als Feind angesehen wird), wird als
eine Bedrohung nicht nur für die Gemeinde, sondern auch für den
Staat selbst angesehen. Für uns als Eltern und als Teil der Gruppe,
die Hagar vor sieben Jahren gründete, ist dieser letzte Hassbeweis
eine alarmierende Erinnerung daran, wie wunderbar dieses
pädagogische Projekt weiter auf einer unsicheren Grundlage steht.
Als wir mit unserm
jetzt 9jährigen Sohn über das sprachen, was geschehen ist,
antwortete er, indem er um den Tisch ging und uns sagte, wir sollen
uns keine Sorge machen. Die Gemeinschaft wird nur stärker, wenn sie
sich mit so etwas aus einander setzen muss. Obwohl wir weniger
sicher sind als er über die Zukunftsaussichten, entschieden wir uns,
seinen Optimismus anzunehmen, weil auch er ein Teil der unbekannten
Zukunft ist. http://www.thenation.com/article/180138/why-would-bigots-att-jewish-arab-school-in-Israel
(dt. Ellen Rohlfs)
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