Sicherheit geht vor Menschenrechten
Akiva Eldar, 25.5.06
Michael Cheshin
stellte seinen Kollegen, den Präsidenten des Obersten Gerichthofes
Aharon Barak als jemanden vor, für den die Rechte der Araber über der
Sicherheit der Juden stehen – und hat ihm damit wohl einen Gefallen
getan. Ein kurzer Tagestrip durch Jerusalem an der Betonmauer entlang,
die ein Schandfleck ist gegenüber den Steinmauern der Altstadt., könnten
den in den Ruhestand getretenen Richter einiges über Sicherheit und die
Menschenrechte unter Besatzung lehren.
Er sollte das kleine
Mädchen auf seinem Schulweg beobachten, wie es sich durch einen noch
nicht ganz geschlossenen Spalt der Mauer quetscht. Er sollte sich
fragen, ob so ein Staat aussieht, der die Menschenrechte fördert. Er
sollte auch die Schuljungen beobachten, die ihre Schultaschen über die
Mauer werfen und dann selbst drüberspringen. Er sollte sich dann fragen,
wie viel die Mauer zur Sicherheit von Israels Bürgern beiträgt.
Bleibt die Antwort
auch weiterhin gültig, wenn man an den Punkt kommt, wo es um die
Verweigerung des Rechtes für Tausende von Arabern geht, nicht mir ihren
Kindern zusammen leben zu dürfen, weil es ein Risiko sein könnte, dass
ein paar diese Erlaubnis ausnützen und das Leben von Juden bedrohen.
Vor etwa 39 Jahren
überbrückte wenige Tage nach dem 6-Tage-Krieg Prof. Yeshayahu Leibowitz
die spürbare Kluft zwischen der Sensibilität gegenüber Menschenrechten
im Barak-Stil und der Sorge um die Sicherheit ( israelischer Bürger)
nach Cheshins Gedankenschule. Der wahre Prophet von Jerusalem machte den
Unterschied zwischen „dummer Bosheit und boshafter
Dummheit“. Ermeinte, dass der von der Besatzung verursachte Schaden vom
Besetzer übersehen wird. Die Verletzung der Rechte der Palästinenser
und die persönliche Sicherheit der Israelis sind nicht weniger
vereinbar als der innere Widerspruch bei der lächerlichen Phrase über „
aufgeklärte Besatzung“, die jahrelang in Israel populär war.
Der Trennungszaun
dringt tief in die Westbank ein und trennt Palästinenser von
Palästinensern, und der Rückzug aus dem Gazastreifen ist ein verspäteter
Beweis dafür, dass die Besatzung beides ist, böse und dumm. Seit Jahren
versucht Israel „neue Tatsachen vor Ort“ zu schaffen, verschleudert
enorme Ressourcen und untergräbt die Rechte der Palästinenser.
Als die besetzten
Gebiete dann aber von einem Verhandlungsobjekt zu einer Sicherheitsbürde
wurden, gab man sie auf, ohne etwas dafür zu erhalten.
Seit Jahren hat
Israel die grundlegendsten Menschenrechte der Palästinenser untergraben:
das Recht zu leben, Freiheit, Sicherheit, Gesundheit, Bildung, Achtung,
Bewegung, Arbeit, Wohlstand. Seit Jahren billigten Barak, Cheshin und
ihre Kollegen die Exekutionen und Verhaftungen ohne
Gerichtsverhandlung, die Landenteignungen, die Checkpoints und
Absperrungen und all das im Namen der „Sicherheit“. Und als
Sicherheitsexperten und sogar Siedler erklärten, dass die Siedlung (Elon
Moreh) nichts mit Sicherheit zu tun habe, gewährte das Zivilgericht die
pervertierte Anwendung des Terminus „Staatsland“, wie ihn Meir Shangar,
damaliger Präsident des Obersten Gerichtshofes prägte.
Wie Schlafwandler
gehen sie und erlauben den weiteren Bau israelischer Siedlungen an
Orten, wo jüdische Siedler das Leben der sie bewachenden Soldaten
gefährden. Diese Siedlungen, die im Widerspruch zum Völkerrecht sind,
machen den Palästinensern deutlich, dass sie außerhalb der
(israelischen) Gerichtshöfe Gerechtigkeit suchen sollten. (Das
Völkerrecht verbietet einer Besatzungsmacht, eigene Bürger in das
besetzte Land zu bringen).
Cheshin tat Barak
einen Gefallen, als er den Gerichtspräsidenten als „Ritter der
Menschenrechte“
vorstellte. Verglichen mit einigen seiner anderen Kollegen,
einschließlich
Cheshin, zeigte
Barak ab und zu einen skeptischeren Annäherungsversuch gegenüber
jenen „Sicherheits“-Argumenten und hörte auf Klagen von Opfern der
Besatzung und auf Menschenrechtsgruppen. ....
Die Verantwortung
liegt zunächst vor allem auf den Schultern der Politiker – aber wenn
man im großen und ganzen Bilanz zieht, hat die ( juristische
Barakschule auch nicht mehr für die Menschenrechte in den besetzten
Gebieten oder für die Sicherheit in Israel getan als Cheshin.
(dt. und
geringfügig gekürzt: Ellen Rohlfs)
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