Aboud – ein zerstörtes Paradies.
V. Timothy Wright, The Tablet, 29.April 2006-05-24
Als Dorf im Heiligen Land hatte es alles – Wasser,
Weiden, Olivenhaine und gute christlich-muslimische Nachbarschaft.
Dann kam der israelische „Trennungszaun-Plan“.
Zerstreut über
die Berge, die die Küstenebene von Israel-Palästina vom Jordangraben
trennen liegen viele kleine Dörfer, die seit Jahrtausenden bestanden
haben: einige als Haltpunkte an den alten Karawanenwegen, andere als
Zentren ländliche Gemeinden , andere markieren das Vorhandensein
von Wasser, was in Gegenden so wichtig ist, in denen es selten
regnet . eines dieser Dörfer ist Aboud, das 12km nordwestlich von
Ramallah liegt. Mit seinen es umgebenden Weilern hat es eine
Bevölkerung von 2500 Bewohnern, die von den 7500 Acres Land leben.
Für einen
Außenstehenden unterscheidet es sich nicht von andern Dörfern auf
den Hügeln rund herum. Aber die malerische Idylle erzählt noch nicht
die ganze bemerkenswerte Geschichte. Aboud liegt auf einer großen
wasserhaltigen Bodenschicht, die ihm nicht nur das ganze Jahr über
genügend Wasser gibt, sondern auch die Möglichkeit,
landwirtschaftlich auch für Handel zu arbeiten. Außerdem liegt
dieser kleine Ort an einem alten Verbindungsweg am westlichen Rand
der Bergkette, der vielleicht schon von Jesus selbst benützt wurde,
um Samaria zu umgehen. Das Land ist voll mit solchen geheiligten
Stätten. Aboud ist auch der Mittelpunkt einer alten christlichen
Gemeinde und heute gibt es dort eine Gemeinde mit lateinischem Ritus
und daneben auch eine kleinere mit Orthodoxen Ritus, beide mit
eifrigen, engagierten und treuen Gottesdienstbesuchern. Vielleicht
aber am bedeutendsten ist in diesem Land voll religiöser
Spannungen, dass die christliche Gemeinde in Harmonie mit den
muslimischen Nachbarn lebt, die etwa die Hälfte der Bevölkerung
ausmachen.
Mit wunderbarem
Ausblick nach Westen bis zum Mittelmeer liegt Aboud über einem
zunehmend entwickelten tiefer liegenden Land mit israelischen
Siedlungen . Aboud war ein Ort des Friedens, der im Oktober 2005
plötzlich zu einem Ende kam – nicht durch Gewehre oder
Selbstmordattentäter, sondern durch eine subtilere Form des Todes:
erzwungene Landenteignung ohne Entschädigung und Kontrolle der
Familie, wenn sie auf ihr Land will.
Das war eine
stabile Gemeinde, die auf immer weniger Land gequetscht wurde und so
Spannung erzeugt, die sich zerstörend auf die gegenseitige Achtung
auswirkt.
Die schlimmste
Folge der israelischen Entscheidung, die Sicherheitsmauer durch
Abouds Land zu bauen, ist der Mord an der friedlichen Harmonie
dieses Ortes. Bruder Firas Aridah, der jordanische Gemeindepriester
der Marienkirche im Dorf beschreibt den schrecklichen Augenblick :
ein israelischer Offizier machte am Sonntag, den 2. Oktober eine
Runde durch Aboud. Er informierte die Landbesitzer, dass die
israelischen Kräfte den Trennungszaun auf dem westlichen und
nördlichen Teil des Landes von Aboud bauen wollen . Er händigte
ihnen auch Militärorder aus, mit denen 3,500 Dunum Land für diesen
Zweck enteignet werden sollen und zeigte ihnen Karten, auf denen der
Mauerverlauf eingezeichnet war.
„Warum wir?“
fragten die Leute, „Hier gab es keine Gewalt, wir liegen meilenweit
entfernt von palästinensischer Gewalt, von Ramallah und vier Meilen
entfernt von der 1967-Grenze. Wir leben in Frieden mit den
benachbarten jüdischen Siedlungen –Beit Arye, das 1980 gegründet
wurde, mit Ofarim, das zwei Jahre später gegründet wurde. Vor 20
Jahren wurden etwa 780 acre landwirtschaftlich genütztes Land, das
Familien aus Aboud gehörte, ohne Vergütung enteignet - für
militärische Zwecke. Das war der Anfang für die erste israelische
Siedlung , Beit Arye auf Abouds Land mit nur einem km Abstand von
Aboud selbst. Die Menschen haben keinen Krach geschlagen, sie
wollten gute Nachbarn sein – so wie es ihre Tradition und ihr Glaube
es verlangt. Die Siedler haben sie respektiert, auch wenn es wenig
Kontakt gab. Tatsächlich sollten die guten Beziehungen der beiden
Gemeinden wie ein Model
für ein
friedliches Zusammenleben in Palästina-Israel betrachtet werden,
jeder bis zur Grenze seines Gebietes.
Auf einmal
braucht Israel einen Trennungszaun. Doch dies ist nur ein Vorwand,
um an den Aquifer ( die unterirdische wasserführende Erdschicht) zu
kommen. Das ist Betrug und einer anständigen Regierung unwürdig.
Und dies ohne vorherige Gespräche und ohne finanzielle Entschädigung
zu tun, heißt den Frieden zerstören und entspricht nicht normalen
Prozeduren einer demokratischen Regierung.
Die Folge dieses
Landraubes und des Mauerbaues ist, dass eine friedliche, sich an
Gesetze haltende und hart arbeitende Gemeinde an Israel fast ein
Drittel ihres ganzen Landes verliert.
Aber das ist
nicht alles.
Die Bauern von
Aboud verlieren auch ihr Weideland, das von Hirten für ihre Schafe
und Ziegen benützt wird, und die Olivenhaine, die die natürliche
Grundlage für die wichtige Produktion des Qualitätsolivenöl der
Gemeinde darstellt. Beides ist so wichtig für das Wohlergehen dieser
ländlichen Gemeinde - so war es Jahrhunderte lang. Ein Drittel
ihres landwirtschaftlich genützten Landes zu verlieren, kann nur den
Verlust von Arbeit bedeuten. Was können die Menschen sonst tun?
Außerdem wird die Mauer den Zugang zu Heiligen Stätten
beeinträchtigen. Sie gehören nicht zu den wichtigsten Heiligen
Stätten des Heiligen Landes, aber sie sind wichtig für den Glauben
der ortsansässigen Gemeinde. Ihre örtliche Heilige, die Heilige
Barbara wird hier in der Gemeinde an einer der ältesten religiösen
Orte verehrt, die bis ins 6. Jahrhundert zurückdatiert werden kann.
Die Ausübung der Frömmigkeit zu verhindern, verursacht Groll, denn
der Glauben ist ein Teil des täglichen Lebens von Muslimen wie von
Christen in dieser Gemeinde.
Und als ob das
noch nicht genug wäre, der geplante Mauerverlauf trennt aboud auch
von einigen seiner Weiler in der Umgebung. Das zerstört eine
blühende Gemeinde und macht die Versorgung auf religiösen, sozialen
Gebiet und mit Schulbildung sehr schwierig. Zusätzlich kommt noch
dazu, das das für Wohnungsbau reduzierte Land, die
Wahrscheinlichkeit einer Überbevölkerung wahrscheinlich macht.
Und wenn
schließlich der Aquifer weggenommen wird und das Wasser rationiert
wird wie schon in andern Westbankorten und eine Wir-und
–Sie-Situation entsteht, wo die benachbarten Siedler unbegrenzt
Wasser haben um ihren Rasen zu sprengen und ihre privaten
Swimmingpools auffüllen können – so wird dies als Provokation
gesehen und wird wahrscheinlich zu Gewalt führen, die bisher in
Aboud unbekannt war.
Der Welt draußen
wurde der Sicherheitszaun als der einzige Weg hingestellt, um die
Gewalt zu zügeln. Es soll ein „Frieden“ durch Trennung sein.. Aber
nach einiger Zeit wird klar werden, dass dieses Land entweder zu
klein ist für seine gegenwärtige Bevölkerung, deren Lebensstandard
auch sehr unterschiedlich ist oder Israel hat einseitig entschieden,
die Palästinenser in Enklaven zu zwingen, was jede Lebensqualität
zerstören wird. Das ist kein Weg zu einem wahren Frieden.
Hinter der
Gewalt der Palästinenser liegt die Ungerechtigkeit, die man ihnen
angetan hat. das ist die Ursache des Zorns, der nun die Herzen auch
der Leute von Aboud füllt. Es wurde ihnen kein Forum für Gespräche
und Appelle angeboten. Drum sind sie nun gezwungen, die
Schlussfolgerungen zu ziehen, dass man sie bestraft für den Erfolg
ihrer Wirtschaft und den Eerfolg ihre Gemeinde.
Vielleicht
dachten die israelischen Behörden, Aboud sei so klein und
unbedeutend, dass der israelische Trennungszaun in diesem kleinen
Dorf nicht bedeutend genug sein wird, um in die westliche Presse zu
kommen. Hier wird die Führung von Bruder Aridah unterschätzt. Er hat
Einfluss auf Kirchenoffizielle genommen, eine Website
eingerichtet
www.hcsn.org/aboudyouth) und
ermutigt zu einem Protest mit einem gewaltfreien, friedlichen
Widerstand. Auch hier sollte Aboud ein Vorbild sein. Vielleicht wird
es Israel dazu ermuntern menschlichere Methoden anzuwenden, um sein
Empire zu vergrößern. Denn je mehr Orte des Friedens mit Gewalt
behandelt werden, um so gewalttätiger wird das Land.
Gewalt wird zu
Trennung führen – aber Trennung ist niemals der Weg zum Frieden.
Damit Frieden zurückkehrt muss man zu dem Weg des Dialogs
zurückkehren.
(dt. Ellen
Rohls)
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