Wie ich Gilad Shalit kennen lernte
Simon Black
, 9.7.06, The Star
Ich kenne Gilat Shalit. Nicht persönlich. Aber ich kann euch
erzählen, wie er aussieht, wie alt er ist, wo er zur
Schule ging, über seine Heimatstadt; ich kenne den
Namen seines Vaters und wie er aussieht und wie er über
seinen Sohn weint.
Ich weiß, dass es nicht das erste Mal ist, dass die
Shalit-Familie von dem Konflikt betroffen ist. Ich weiß,
dass Gilads Onkel Yoel getötet wurde.
Ich weiß, dass Gilads Bruder nach diesem Onkel genant wurde.
Ich weiß, das sein Bruder die Universität in Haifa
besucht und sich Sorgen um ihn macht. Ich weiß, dass
Gilad von Palästinensern gefangen gehalten wird,
nachdem sein Militärposten überfallen worden war.
Ich weiß, dass Gilad seit 1994 der erste von Palästinensern
gefangen genommene israelische Soldat ist. Ich weiß,
dass Gilads Freunde ihn als einen friedlichen , ruhigen
jungen Mann beschreiben.
Ich weiß, dass der israelische Ministerpräsident mit Gilads
Vater gesprochen hat. Ich weiß, dass Olmert Gilads
Vater versichert hat, alles in seiner Macht liegende zu
tun, um seinen Sohn wieder sicher und gesund frei zu
bekommen.
Ich weiß auch, dass dies „alles“, von dem der
Ministerpräsident sprach, die kollektive Strafe des
palästinensischen Volkes durch weitere militärische
Überfälle auf ihr Land mit einschließt, dazu auch die
Zerstörung der palästinensischen Infrastruktur, wie die
Zerstörung des Elektrizitätswerkes – die Familien sitzen
also im Dunkeln ( und Gefrierschränke und Wasserpumpen
sind außer Betrieb ....ER)
Ich weiß dies alles, weil ich jeden Abend die Nachrichten im
Fernsehen verfolge und die Tageszeitungen lese. Seit
seiner Gefangennahme ist es mir nicht möglich, dem Foto
von Gilad Shalit und dem Leben und der Geschichte
dieses Lebens auszuweichen.
Was ich allerdings nicht weiß, sind die Namen und Geschichten
der Hunderte von palästinensischen Kindern, die in
israelischen Gefängnissen sitzen.
Ich kann euch nichts über ihre Brüder und Schwestern
erzählen, ob sie gerne zur Universität gehen würden, ob
sie tote Verwandte haben oder ob einer von ihnen nach
diesen benannt wurden.
Ich kann euch auch nichts über die Tausenden von
palästinensischen Männern und Frauen erzählen, die in
israelischen Gefängnissen sitzen, ohne
Gerichtsverhandlung und Verurteilung. Ich kann euch auch
nichts davon erzählen, ob ihre Freunde oder Familien
sie als friedlich und ruhig beschreiben.
Diese Menschen haben keinen Namen und kein Gesicht – sie
sind auf das reine Leben reduziert – menschliche Wesen
ohne Rechte, Würde und Achtung.
Sie verdienen auch nicht, in der BBC, in The Globe, Mail,
Haaretz oder der New York Times erwähnt zu werden.
Es sei denn, dass sie in einen schrecklichen, scheinbar
unerklärlichen , unbegreiflichen Akt der Gewalt
verstrickt sind, dass sie zum Thema einer Biographie,
eines psychologischen Profils im Sinne eines Doku-Dramas
:“Wo ging denn da etwas schief im Leben eines den Spaß
liebenden Universitätsstudenten“.
Scheinbar verdient dieses Leiden keine Aufmerksamkeit der
Medien.
Ihre Einkerkerung ist nicht aus dem Stoff, der die
Schlagzeilen in den Medien macht. Ihre Verhaftung
geschieht ohne Erklärung und Rechtfertigung in den
meinungsbildenden Tageszeitungen und sie sind kein
Thema für Analysen, worüber namhafte Leute in den
Abendnachrichten reden.
Für ihre Lebensgeschichte wird keine Tinte verschwendet.
Und hier liegt die Tragödie des palästinensischen Volkes.
Hier liegt die Tragödie von vielen von uns.
Wir kennen nur Gilad Shalit. (dt. ellen rohlfs und die
Bemerkung in Klammern mit ER)
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