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Langer, Felicia: Mit Leib
und Seele.
Autobiographische Notizen.
Zambon, Frankfurt/Main, 2012.
Rezension von Prof. Dr. Werner Ruf
Die
unermüdliche Kämpferin für die Rechte der Palästineserinnen und
Palästinenser hat ihren zahlreichen Büchern zu diesem scheinbar
unlösbaren Konflikt ein weiteres hinzugefügt. Langers Stil war es
immer, ihre treffenden und sachbezogenen Analysen auch aus dem
Blickwinkel persönlicher Betroffenheit darzustellen. Diese
Dimension, die sich oft als Empörung artikuliert, tritt in diesem
neuen Buch besonders deutlich zutage, mist sie doch in einer
keineswegs chronologischen Rückschau persönliche und private
Erlebnisse, also autobiografische Elemente mit hoch aktuellen Fragen
der Politik. So erfahren Leserin und Leser vom Glück ihrer
Diamantenen Hochzeit mit Mieciu und von der Verleihung des
Bundesverdienstkreuzes erster Klasse an kompromisslose
Kämpferin für Menschenrechte. Doch auch dort mischt sich das Private
mit dem politischen Anliegen: Eine köstliche Kostbarkeit ist die
Wiedergaben des Briefwechsels zwischen dem Befürworter der
Preisverleihung, dem Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, und
dem wadenbeißerischen Journalisten Henryk M: Broder, der wohl zu
spät von der Auszeichnung erfuhr, um unter Aufbietung seiner
medialen Geschütze die Ehrung, die er „den Fall Langer“ nennt, zu
verhindern.
Schlaglichtartig beleuchtet sie
Stationen ihres Lebens, die sie besonders geprägt – und empört –
haben: Wie sie als junge Anwältin hilflos die Zerstörung dreier
palästinensischer Dörfer mit ansehen musste und sich schwor, sich
mit allen ihr zur Verfügung stehenden Kräften und ihrer juristischen
Kompetenz gegen Unrecht und Willkür einzusetzen. Diese Aufgabe
versteht sie als moralische Verpflichtung, die aus den ihrer Familie
und der ihres Mannes angetanen Morden und Brutalitäten des deutschen
Faschismus resultiert. Empörung durchzieht das Buch, wenn sie über
die mörderische Bombardierung der Bevölkerung des Gaza-Streifens an
der Jahreswende 2008/2009 schreibt, wenn sie voller Empörung - aus
ihrem Brief an den südafrikanischen Richter Goldstone zitiert,
der im Auftrag der Vereinten Nationen einen Bericht über diesen
„Krieg“ erstellte und die horrenden Fakten zusammentrug. Wohl unter
politischem Druck distanzierte sich Goldstone später von seinem
Bericht. Nicht weniger vehement kritisiert sie den Auftritt des
israelischen Ministerpräsidenten und das in ihren Augen
heuchlerische Verhalten der deutschen politischen Klasse.
Felicia Langer ist nicht nur eine
Kämpferin, sie ist ein Stück weit auch eine internationale
Institution. Davon zeugen nicht nur zahlreiche Friedens- und
Menschenrechtpreise, sondern eben auch herausragende Auszeichnungen
wie der alternative Nobelpreis und seit kurzem das
Bundesverdienstkreuz. Diese Position nutzt sie im Einsatz für die
von ihr unermüdlich vertretene Sache, um Briefe zu schreiben an
wichtige politische Persönlichkeiten bis hin zu US-Präsident Obama,
denen sie nicht bittstellerisch, sondern kämpferisch und auf
gleicher Augenhöhe entgegentritt.
Dieses jüngste Buch ist nicht nur wie
alle anderen Bücher von Felicia Langer eine kämpferische Schrift, es
ist auch eine Rückblende auf ein kämpferisches Leben, ein Leben
voller Mut und Kompromisslosigkeit, wenn es um das Engagement für
Menschenrechte und Gerechtigkeit in Palästina geht. Vor allem aber:
dieser autobiografische Rückblick auf ein Leben voller Aktionen,
motiviert durch Empörung gegen Ungerechtigkeit macht Mut, strahlt
ein Stück der Kraft der über 80jährigen Verfasserin auch auf den
Leser/die Leserin aus. Genau dies will sie wohl als Vermächtnis
weitergeben, wenn sie sich auf S. 145, fast am Ende des Buches, an
die Leserinnen und Leser wendet: „Liebe Leser, … Schweigen Sie
nicht, Schweigen ist eine Art Komplizenschaft.“
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