Rede auf dem Marienplatz
München anlässlich des Kriegs Israels gegen Gaza
Magdi Gohary -
Samstag, den 10.01.2009 um15:00 Uhr
(Aus dem Gedächtnis / Stehgreif als Einleitung:
liebe….
Heute stehen wir hier auf dem Marienplatz. Für
morgen hat Frau Knobloch zu einer Kundgebung
hier zur „Solidarität mit Israel“ aufgerufen.
Was unterscheidet die zwei Kundgebungen
voneinander?
Heute versammeln sich diejenigen Menschen, die
gegen immer gegen Krieg und Unrecht waren.
Wir sind auf der Seite der Schwachen und der
entrechteten.
Wir waren gegen den Krieg in Algerien in
Vietnam, gegen Apartheid in Südafrika. Morgen
kommen die Privilegierten, die immer auf der
Seite der Stärkeren gestanden haben: Für den
Krieg in Algerien in Vietnam in Südafrika.
Ich bin stolz darauf heute mit Euch hier zu
sein.)
Der Krieg, den Israel heute gegen die
Bevölkerung im Gaza führt, ist fast eine
Wiederholung dessen, was 2006 gegen den Libanon
geschehen ist.
Die Parallelen sind verblüffend:
- damals wie heute sagten sie, sie nehmen ihren
Selbstverteidigungsrecht in Anspruch
- damals wie heute verlautbarten sie, dass sie
ein Krieg gegen Terror führen
- damals war die Vernichtung von Hisbollah das
Kriegsziel, heute ist es die Hamas
- Sie drohten, so Generalstabschef Dan Halutz,
den Libanon um 20 Jahre zurück zu werfen. Heute
haben sie Großteile von Gaza zerstört, 800
Palästinenser getötet und über 3000 Menschen
schwere Verletzungen zugefügt. Von der
humanitäre Katastrophe ganz zu schweigen
- Noch eine weitere traurige Parallele, die sich
evtl. in den nächsten Stunden bewahrheiten
könnte:
Wir wissen heute, dass die israelische Luftwaffe
die letzten 72 Stunden vor dem Beginn des
faktischen Waffenstillstands ausgenutzt hat, um
in diesem Zeitraum fast 70% der Gesamtmenge an
international geächteten Streubomben auf den
Südlibanon abzuwerfen.
D. h. für uns heute, dass wir es mit der
schlimmsten Phase des heutigen verbrecherischen
Kriegs in den nächsten 24-72 Sunden zu tun
haben werden.
Machen wir uns auf etwas ganz Schreckliches
gefasst.
Zurück zum Vergleich Libanon 2006 und Gaza
heute.
Das Ergebnis damals:
- Israel erlebte ein Desaster in politischer
Hinsicht - Olmert ist beinahe gestürzt und sitzt
seitdem mit einen Bein wegen Korruption im
Gefängnis! - und in militärischer Hinsicht -
die Legende von der unbesiegbaren israelischen
Armee!)
- Hisbollah ist stärker und besser bewaffnet
denn je
- Syrien ist aus der Isolierung heraus. Die
„Achse des Bösen“ brach zusammen
Über die Resultate des heutigen Verbrechens kann
man nur spekulieren.
Trotzdem werde ich folgende Voraussage wagen:
- Hamas wird politisch gestärkt daraus
hervorgehen
- Die sog. gemäßigten arabischen Staaten werden
bedrohlich schwächer
- Die Kluft zwischen dem Westen und der
islamischen Welt wird so tief sein wie nie zuvor
Seit dem Juli 2006 bis heute hat sich die Welt
verändert:
- Das amerikanische
Jahrhundert war
trotz Bemühung der Neukonservativen nur von
kurzer Dauer.
- Neue Weltmächte treten
verstärkt auf.
- Die Ära
Bush ist
zu Ende und der Hoffnungsträger Barak Obama wird
in genau 10 Tage als Präsident der Vereinigten
Staaten von Amerika amtieren.
- Die schlimmste Wirtschaftskrise in
der modernen Geschichte greift um sich.
Die größte Gefahr für Israel als Staat stellt
nicht Hamas, nicht Hisbollah, nicht die
arabischen Staaten zusammen und nicht Iran dar,
sondern, und das ist die Tragödie, die
herrschende Machtelite Israels und ihre
Ideologie.
Die ewiggestrige Militärkaste Israels und hinter
ihr die schwache politische Führung haben die
Zeichen der Zeit nicht verstanden. Sie hängen
fest an ihre alten Dogmen. Das
gefährlichste dieser Dogmen ist der Glaube, dass die
Zeit für Israel arbeitet.
Irgendein kluger Kopf hat einmal gesagt: „wer
auf eine Insel wohnt, soll sich mit dem Meer
befreunden“
Wer gegen diese goldene Regel verstößt,
verspielt seine Chance.
Jürgen Jung hat in seiner Rede auf der Demo vor
eine Woche aus dem Gedicht „Höre Israel“ von der
verstorbenen österreichischen jüdischen Dichter Erich
Fried ,
verfasst anlässlich der Krieg, den Israel 1967
gegen seiner arabischen Nachbarn erfolgreich
geführt hatte, zitiert. :
Kehrt um! Kehrt um!
Die Euch Geld oder Waffen gaben
Werden nicht immer da sein
Um euch zu schützen
Wiederholung
Wie wahr,
die US-Amerikaner kommen und gehen (Auch aus den
Irak werden sie abziehen!) auch die Merkels
kommen und gehen.
Aber Ihr Bewohner Israels bleibt auf der Insel
umgeben von dem Meer.
Macht Euch das Meer zum Freund
Macht Euch das Meer zum Freund.
Ich komme gerade von einer Reise nach Kairo,
Alexandria, zum Suezkanal und Sinai zurück. Von
Casablanca bis Oman gehen die arabischen
Menschen auf die Straße und äußern ihre Wut über
das verbrecherische Vorgehen der israelischen
Armee.
Sie sind ebenfalls verzweifelt über die Untätigkeit ihrer
Regierungen, ja oft über die Kumpanei mancher
arabischen Führer
und sie registrieren ganz genau wie die
Entwicklung mit unterschiedlichen
Ellen in Europa
und in den USA gemessen wird.
Die arabischen Regierungen sind in zwei Lager
gespalten, die sog. Gemäßigten und
die sog. Radikalen.
Ich habe drei Reden von Mubarak und Abbas live
gehört. Es war entsetzlich wie schwach,
unkonzentriert und unsicher diese Führer
wirkten. Es kam nichts rüber. Man sah tragische
Figuren, die am Ende sind. Sie haben
Jahrzehnte lang verhandelt. Sie haben den
unterschiedlichsten Pläne und Entwürfe
zugestimmt. Aber nichts ist
konkret rausgekommen.
Heute stehen sie, diese gemäßigten arabischen
Führer, mit leeren Händen vor ihren Völkern.
Weder der versprochenen Frieden noch irgendein
wirtschaftlicher Aufschwungs ist eintreten.
Stattdessen herrscht
Korruption, Elend und Radikalisierung der
Strasse
In Palästina haben wir es mit einem einmaligen,
eigenartigen, ja absurden Konstrukt namens
„Autonomiebehörde“ unter
Präsident Abbas zu tun. Dieses „Ding“ erlaubt
es, dass die israelische Besatzungsmacht sich
der meisten Verpflichtungen, die sie gemäß dem
gültigen Völkerrecht gegenüber den besetzten
Menschen haben, elegant entledigt.
Einerseits behält Israel die gesamte Kontrolle
über Grenzen, die Sicherheit, Einfuhr und
Ausfuhr. Sie dürfen Razzien machen, dürfen jeden
verhaften, dürfen nach Lust und Laune
Checkpoints errichten um Menschen zu
schikanieren und bestimmen wo sie ihren unselige
Grenzmauer errichten. Anderseits sind die
Palästinenser für unbedeutende
Verwaltungsaufgaben zuständig.
So etwas hat es in der Geschichte von
Besatzungsregimes auf der ganzen Welt nicht
gegeben.
Die westlichen Diplomaten und manchmal auch
Staatschefs spielen dieses Theater bewusst mit
und fahren in ihren gepanzerten Limousinen von
Jerusalem nach Ramallah hin und her. Das gibt
schöne TV-Bilder in der Heimat für ihre
angeblichen Bemühungen um den sog. Friedensprozess
im Nahen Osten.
Ich kann diese Floskel von Friedensprozess nicht
mehr hören.
Wenn keine grundsätzliche Veränderungen
entstehen, prophezeie Ich von dieser Stelle aus:
die dritte
Intifada in
der Westbank ist vorprogrammiert
Ich habe mich gut informiert über die Stimmungen
gerade in den Ländern, wo hauptsächlich Muslime
leben, in Afrika und in Asien. Millionen von
Menschen sind auf die Straße gegangen in Ankara
in Istanbul in Teheran in Kabul in New Delhi, in
Singapur in Bombay und in Jakarta.
Das Gefühl der Demütigung schlägt um in Wut und
Hass.
- Werden diese Stimmungen in den westlichen
Hauptstädten eigentlich registriert?
- Versteht man dort was da gerade abläuft?
- Wird das eigentlich analysiert?
- Oder wird man später sagen, man habe nichts
gewusst.
Warum versündigt man sich an der Zukunft der
heutigen und erst recht der kommenden
Generationen. Wir werden ganze Generationen
brauchen um dieses zerschlagene Porzellan zu
kitten. Wenn es sich überhaupt noch zusammen
kitten lässt.
- Wir stehen mitten in einen großen
Wirtschaftsschlammassel, den die Neoliberalen
verbrockt haben.
- Wir sind mitten drinnen in einen
Umweltdesaster.
- Unsere Ressourcen werden immer knapper.
Können wir uns einen Kulturkampf leisten weil
das verwöhnte Kind im Nahen Osten zum
wiederholten Mal randaliert?
Was die Beziehungen
zwischen Deutschland und Israel betrifft,
möchte Ich gar nicht in die Details gehen.
Aber hier sind manche Fragen offen, die eine
ehrliche Antwort von uns verlangen. „Besondere“
Beziehung zwischen den beiden Staaten als Folge
der deutschen Geschichte ist sicher
nachvollziehbar.
Ich frage aber, was haben „besondere
Beziehungen“ mit Lieferungen von Waffen an
Israel zu tun?
Oder gilt Israel nicht mehr als Spannungsgebiet,
in das laut deutschem Recht nämlich
Waffenlieferungen verboten sind.
Was hat die Fastschenkung von 4 U-Booten der
Delfin-Klasse in Milliarden Höhen an Israel mit
seiner Sicherheit zu tun?
Wenn man erfährt, dass diese U-Boote in der Lage
sind, Raketen die mit Atomwaffen bestückten sind
zu tragen, fragt man sich, was will Israel
eigentlich damit? Ägypten bedrohen? Das gibt
keinen Sinn. Denn landgestützten Raketen sind
genauer und vor allem billiger.
Der Einsatz macht nur anders Sinn, nämlich bei
einem Einsatz im indischen Ozean. Warum
unterstützt die deutsche Regierung die
Bestrebungen Israels dort als junior Supermacht
aufzutreten?
(Aus dem Stehgreif: Oder haben „besondere
Beziehungen“ doch mit imperialistischen
Interessen zu tun?)
Diese U-Boote werden zudem geliefert an
- einen Staat, der den Atomsperrvertrag nicht
unterschrieben hat,
-ein Staat der über 220 atomare Sprengköpfe
besitzt.
Gleichzeitig werden Merkel und Steinmaier nicht
müde Iran an den Pranger zu stellen, weil Iran
angeblich ein Atomprogramm betreibt, das
eventuell zum Bau von Atomwaffen in ca. 8-10
Jahren führen könnte.
In was für eine verlogene Welt leben wir
eigentlich?
Es wird aber noch toller.
Es verdichten sich die Zeichen, dass wir es
hier, was die deutsch-israelischen Beziehungen
angeht mit einer neuen Qualität zu tun haben.
Frau Merkel hat Anfang des Jahres vor der
Knesset die Sicherheit Israels zur
Staatsräson Deutschland
erhoben. Diese Aussage wurde leider in
Deutschland viel zu wenig reflektiert.
Um deutlich zu machen, was das bedeutet,
gestatten sie mir folgendes Szenario zu
entwickeln:
Die israelische Luftwaffe bombardiert - mit
US-Billigung oder ohne - mehrere Ziele in Iran,
Die iranische Regierung antwortet mit dem
Beschuss mehrerer israelischer Städte durch
Schehab Mittelstrecken-Raketen.
Wie wird Frau Merkel reagieren? Die promovierte
Physikerin Frau Dr. Angela Merkel wird die
Kausalitätskette nur ab den iranischen Raketen
registrieren, die Sicherheit Israel für akut
bedroht erklären. Und dann?
- Was bedeutet Staatsräson für Sie , Frau
Bundeskanzlerin?
- Sind Sie sich über die Tragweite dessen was
das bedeutet im Klaren?
- Wie viel Bundeswehr Soldaten werden Sie dann
entsenden und mit welchen Auftrag?
Woher kommen diese qualitativen Veränderungen im
außenpolitischen Konzept von Frau Merkel?
Betrachten wir uns mal die außenpolitischen
Berater der Kanzlerin genauer an.
Einer fällt mir sofort auf: der junge
außenpolitischen Sprecher der
CDU/CSU-Fraktion Eckart von Klaeden.
Gestern habe ich mir die Mühe gemacht und auf
der Homepage von v. Klaeden herum gestöbert.
Hier das Ergebnis:
In einem YouTube Video vom 09. Januar über seine
Gespräche mit Olmert und Livni in dieser Woche,
sagt er im Originalton:
„Ich kann das Vorgehen der israelischen Armee im
Gaza-Streifen nicht beurteilen weil mir selber
keine objektiven Quellen vorliegen. Deswegen ist
mir nicht möglich das Vorgehen prinzipiell zu
verurteilen oder prinzipiell zu verteidigen……
Es passt nicht in die Strategie der israelischen
Regierung und der Armee zivile Opfer in der
Form billigend im Kauf zu nehmen“
Soweit Eckart von Klaeden
Dieser Man ist brandgefährlich. Er ist als
Berater für die angeblich „wichtigste„ Frau der
Welt untragbar.
Juli 2006 habe ich auf dem Odeonsplatz eine Rede
anlässlich der Aggression gegen den Libanon
gehalten. Ich möchte den Abschluss noch mal
heute verwenden weil es an Aktualität nichts
eingebüsst hat.
Um mit Bert Brecht zu sprechen: „Die Nacht hat
12 Stunden, dann kommt schon der Tag“, wird
eines Tages das andere Israel, Israel des
jüdischen Geistes, Israel des Antimilitarismus
gemeinsam mit den Palästinensern und Libanesen
und Syrern und allen anderen einen anderen Nahen
Osten aufbauen. Und es ist mir persönlich egal,
wie diese Staaten dann heißen, und ob auf dem
historischen Boden Palästinas ein oder zwei
Staaten entstehen ist mir auch egal. Aber es
wird ein Naher Osten sein, wo keine Mutter und
kein Vater jemals sein zerfetztes Kind im Arm
halten muss oder vor seinem zerbombten Haus
stehen muss. Dieser Tag wird kommen. Davon bin
ich felsenfest überzeugt.
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