Sicherheit oder Demütigung?
Als Palästinenserin, die in B. lebt und in Jerusalem
arbeitet und täglich den Terminal- Checkpoint zweimal
durchlaufen muss, dachte ich, ich hätte da schon alles
durchgemacht, was man da so durchmachen kann. Nun, ich hatte
mich getäuscht.
Heute morgen begann wieder die tägliche Hektik als
Pendlerin. Ich kann ja nicht mit meinem Wagen fahren, damit
ich keinen Verkehrstau verursache oder die Siedler
belästige, die auf enteignetem palästinensischen Land in der
Westbank leben und täglich in ihren hübschen Wagen frei
nach Jerusalem fahren und dabei Musik hören oder Kaffee
trinken können. Ich nahm also ein Taxi bis zum Checkpoint,
ging den eingezäunten Weg an der Mauer entlang, kam ans Tor
und zeigte meinen Passierschein, ging durch den 1.
Metalldetektor und weiter durch das Labyrinth zum Hauptteil
des Kontrollpunktes.
Wenn man das täglich macht, weiß man, in welchem
Kleidungsteil oder in welchen Schuhen Metallteile sind.
Also weiß ich, was ich ausziehen und auf das Band des
Röntgengerätes legen muss. Ich zog meine Schuhe aus und
legte sie mit meiner Hand- und Aktentasche voller Dokumente
auf den Apparat. Ich ging durch, aber es piepte. Ich war
überrascht; denn ich konnte mich nicht daran erinnern, dass
irgendwo in meiner Kleidung etwas aus Metall ist. Ich sah
den Soldaten fragend an. Hinter der Glasscheibe schrie
jemand: „Deine Uhr!“ Ich war überrascht, denn ich hatte vor
ein paar Monaten eine Uhr extra für den Kontrollpunkt
gekauft. Sie ist ganz aus Plastik. Ich wollte sie nicht
täglich abmachen. Ich nahm meine Uhr ab und ging ohne sie
durch. Es gab keine Probleme. Ich muss schon sagen, ich bin
beeindruckt, mit wie viel Technik solch eine Maschine
arbeitet, die auch genau anzeigen kann, warum genau der
Detektor piepte.
Ich ging weiter zu der Stelle, bei der mein Passierschein
geprüft wurde, stellte mich an und dachte, das sei nun die
letzte Hürde und ich würde bald draußen sein. Doch ich
wusste noch nicht alles. Heute versuchte ein Soldat –
außerhalb des Glaskastens – die Leute in der Warteschlange
zu organisieren: die Frauen alle in eine besondere Reihe
und forderte mich auf, mich ans Ende der Schlange zu
stellen. Ich dachte, wir bekämen eine Sonderbehandlung im
Sinne von „Ladies first“. Aber er befahl vieren von uns, ihm
zu folgen.
Er nahm uns zu einer Tür, die mir bis jetzt nie aufgefallen
war – eine kleine Tür mit einer Türklinke wie in Flugzeugen.
Sie war geschlossen. Ein paar Sekunden später ging sie von
innen her automatisch auf und gab seltsame Geräusche von
sich. Sie war ca 20 cm dick. Wir kamen in eine Zelle ( wie
„setting“?) mit Wänden aus Beton, einem winzigen Fenster,
dass kaum das Gesicht der Soldatin zu sehen war, die
dahinter stand. Die Türe hatte sich automatisch wieder
geschlossen. Ich fühlte mich wie in einem U-Boot – ehrlich.
Ein erstickendes Gefühl überfällt jeden normalen Menschen,
der hier drin eingesperrt ist, geschweige denn eine Person,
die an Klaustrophobie leidet wie ich. Ich hatte das Gefühl,
jeden Augenblick ohnmächtig umzufallen. Ich riss mich
zusammen und redete mir ein, dass dies ja bald vorbei und
ich bald wieder an der frischen Luft wäre. Es war sehr heiß
da drin und wir waren zu viert in dieser 2x2 Meter-Zelle.
Die Soldatin hinter dem Fenster wollte unsere
Identitätskarten sehen. Wir zeigten sie, eine nach der
anderen. Sie schrieb die Nummern auf. Dann sagte sie etwas
von Kleidern. Wir schauten uns fragend gegenseitig an und
dachten, sie mache einen Witz. Nun, leider war es nicht so.
Sie wollte dass wir uns ausziehen, damit sie sehen kann, ob
wir auch keine Sprenggürtel versteckt tragen. Als ob wir
nicht gerade durch eine Metalldetektortür gegangen wären,
die sogar wegen der winzigen Batterie in meiner Plastikuhr
piepte. Während wir in dieser Zelle gefangen waren,
versuchten wir mit ihr zu argumentieren. Dann sagte sie, wir
sollten ihr wenigstens unsere nackte Taille zeigen. Also hat
einer nach dem anderen seine Unterwäsche hochgezogen. Das
genügte ihr noch nicht. Wir mussten auch unsere Hosen
runterlassen und uns direkt vor das Fenster stellen. Wenn
man so ohnmächtig ist, kann man nur den Befehlen gehorchen
und die Tränen und den Ärger mit der Würde
hinunterschlucken.
Kurz danach, wurden wir rausgelassen und wir mussten uns
wieder in die Warteschlange stellen, damit die
Identitätskarte und der Passierschein ( noch einmal)
kontrolliert werden konnte. Es wurden sogar noch
Fingerabdrücke genommen. Als ich nach draußen ging, fragte
ich mich, ob mir wohl jemand erklären könnte, was dieses
Prozedere mit Sicherheit zu tun hat. Nach meinem Verständnis
ist dies nur eine andere Form der Demütigung und
Unterdrückung eines hilflosen, besetzten Volkes.
(Die Schreiberin will aus
verständlichen Gründen anonym bleiben)
(dt. Ellen Rohlfs)