Faten
Mukarker - Februar 2008
Liebe Freunde in der
Ferne
Seit Generationen
ist unser Land in unserem Familienbesitz. Die Olivenbäume die dort
stehen, haben schon unsere Urgroßväter gepflanzt. Auf kargem Land,
zwischen Felsen, standen sie stolz und ehrwürdig, Menschenleben
überdauernd. Wir lieben unsere Bäume. Sie sind unsere Lebensgrundlage.
Wir sind mit ihnen verwurzelt. Sie geben uns Oliven und Öl, und wenn wir
sie beschneiden, fertigen wir aus den Ästen wunderschöne
Olivenholzschnitzereien, die die Pilger von ihrer Reise nach Bethlehem
mit nach Hause nehmen.
Eines Tages bekamen wir Nachbarn. Eine jüdische Siedlung entstand.
Um unser Land vor Enteignung zu schützen,
- nach israelischem Militärgesetz galt es als Brachland und konnte daher
jederzeit enteignet werden –
legten wir mit den vorhandenen Steinen mühsam Terrassen an, füllten sie
mit fruchtbarer Erde und pflanzten
Aprikosen, Äpfel, Birnen, Granatäpfel, Weintrauben, alles was das Herz
begehrt.
Mit den Jahren wurde das Land zu einem wunderschönen Garten. Ein kleines
Paradies.
Die Nachricht von der israelischen Militärverwaltung, dass die Mauer
mitten durch unseren Garten gebaut werden soll, traf uns wie ein Schlag.
Der Tag kam. Bagger rissen im Schutz der Soldaten unsere Bäume aus.
Gemeinsam mit Freunden und Nachbarn stellten wir uns vor die Bagger.
Ich schrie den Kommandanten an: Wo ist dein Gewissen, wie kannst du so
etwas tun.?
Weißt du nicht, dass man sagt:
Wenn zwei sich streiten, und einer ist sehr aggressiv, dann fragt ihn
der andere, was habe ich dir eigentlich getan? Habe ich dir etwa deine
Bäume ausgerissen? Denn das gilt als das Schlimmste, was man einem
anderen antun kann.
Wenn ihr die Siedlung schützen wollt, dann baut die Mauer da, wo keine
Bäume wachsen.
Da er nicht reagierte, sprach ich weiter:
Schau, sagte ich, ich habe meine Kinder erzogen, dass wir mit euch in
Frieden leben werden.
Als sie klein waren, schickte ich sie jahrelang zum gemeinsamen
Unterricht mit jüdischen Kindern in eine Musikschule in Westjerusalem .
Ich dachte, es ist wichtig, wenn jüdische und palästinensische Kinder
zusammen kommen. Und meine Tochter schickte ich in eine jüdische
Ballettschule
Die Lehrerin, ein ältere Frau aus Rumänien, war sehr erfreut. Sie sagte,
ein palästinensisches Mädchen habe ich noch nie gehabt. Es ist wichtig
Ballett zu lernen. Es ist sogar lebenswichtig.
Na, ja, lebenswichtig? Ich hatte eher an den Kontakt zu jüdischen
Kindern gedacht und wegen einer guten Haltung.
Da zog sie den Ärmel ihrer Bluse hoch und zeigte mir ihren Unterarm.
Dort war eine lange Nummer tätowiert.
Ich habe getanzt für Soldaten, deswegen lebe ich.
Ich bekam eine Gänsehaut und dachte für den Bruchteil einer Sekunde,
hoffentlich muss meine Tochter nie aus irgendeinem ähnlichen Grund
tanzen.
Aber wenn ihr unsere Bäume ausreißt und unser Land enteignet, dann war
alles umsonst und meine Kinder werden euch hassen.
Er erwiderte und schaute mir dabei nicht in die Augen, ich habe meine
Befehle und ich tue nur meinen Job.
Damit drehte er sich um und ließ mich stehen. Ich rief ihm noch nach.
Ich kann mich erinnern, dass du dir in deiner Geschichte gewünscht
hättest, wenn Soldaten nicht immer diesen Satz gesagt hätten.
Es tat weh, die entwurzelten Bäume zu sehen.
Es tat weh, mit Waffengewalt aus unserem Paradies vertrieben zu werden.
Es tat weh, so machtlos da zu stehen.
Salam
Faten Mukarker