Wer ist hier für den Staat, und wer
gegen ihn?
Haaretz – Leitartikel, 7. März 06
Israelische
Menschenrechtsorganisationen, die sich bemühen den Palästinensern zu
helfen, haben noch nie breite öffentliche Unterstützung genossen.
Organisationen wie Machsom Watch, Ärzte für Menschenrechte, Yesh Din,
Ta`ayush, Hamoked – Zentrum für die Verteidigung des Individuums und
B`Tselem werden von der weiteren Öffentlichkeit als Verleumder und
Verräter an den Interessen Israels betrachtet, oder aber es wird
unterstellt, dass sie die Arbeit der israelischen Soldaten ( IDF ),
die den Staat vor Terrorakten beschützen, behindern. Ein Verständnis
dafür, dass diese Organisationen die Würde des Staates bewahren und
dass ihre Anprangerung die israelische Demokratie untergräbt und
schwächt, hat die Öffentlichkeit nicht erreicht. Und darüber hinaus,
so scheint es, hat dieses Verständnis auch das Establishment
nicht erreicht.
In einem Dokument, welches bei
Gericht als Antwort auf eine Klage, die Hamoked im Namen eines
Palästinensers wegen Eigentumszerstörung erhoben hatte, eingereicht
wurde, veröffentlichte Nira Mashraki vom Tel Aviver
Bezirksanwaltsbüro Lügen, die von einem fehlenden Verständnis von
Demokratie zeugen. Anwalt Mashraki behauptet, dass Hamoked, wie auch
B´Tselem, die mit dieser Organisation arbeitet, das Ansehen des
Staates Israel und seiner Sicherheitskräfte weltweit „beschmutze“,
Schaden verursache, und eigentlich nur vorgebe
Menschenrechtsorganisationen zu sein, während sie in Wahrheit die
Staatsfeinde begünstige.
Die Frage, was der Anwalt Mashraki
über Menschenrechtsorganisationen denkt, die Palästinensern helfen,
wäre nicht von Interesse, wenn dies nicht die typische
Herangehensweise an solche Organisationen widerspiegelte.
Auch wenn der Generalstaatsanwalt
versicherte, dass er untersuchen werde, wie eine solche Erwiderung
im Namen des Staates geschrieben werden konnte, scheint es doch,
dass Mashraki kein einsamer Wolf ist, sonder vielmehr die
vorherrschende Meinung widerspiegelt.
Es ist möglich eine
Verbindungslinie von der Einstellung des Anwalts Mashraki zur
Einstellung des IDF-Oberkommandos ( Israeli Defense Forces ) zu
ziehen, wie sie in dieser Woche beim Treffen des Oberbefehlhabers
mit den Frauen von Machsom Watch offenbar wurde. Bei diesem Treffen,
welches von Dan Halutz initiiert worden war, drückte er offen seinen
Unwillen über den täglichen Kontakt der Mitglieder der Organisation
mit den IDF Soldaten aus, und sagte, dass Zivilisten sich seiner
Ansicht nach nicht in die Arbeit der Armee einzumischen hätten.
Obwohl die IDF mit der Organisation kooperiert, um die
Alltagsprobleme, die durch die Checkpoints verursacht werden, zu
lösen, ist es doch die vorherrschende Meinung, dass Machsom Watch
ein Ärgernis sei.
Machsom Watch ist eine einzigartige
Menschenrechtsorganisation, die von Hunderten von Frauen getragen
wird. In den letzten 5 Jahren, hat sie bei 40 Checkpoints überall im
Westjordanland Schicht geschoben, um zu dokumentieren, was dort
geschieht und um die individuellen Problem von Palästinensern zu
lösen, die sich sonst an niemanden wenden können. Es darf angenommen
werden, dass die Anwesenheit dieser reifen Frauen, von denen einige
Mütter oder Großmütter von Soldaten sind, übermäßige Gewaltanwendung
verhindert und das Leiden und die Demütigung von Tausenden in
geringem Maße lindert.
Diese Organisation – wie andere
Menschenrechtsorganisationen, von denen jede ihren
Arbeitsschwerpunkt auf einen anderen Aspekt der Besatzung legt –
stellt das Geringste dar, was israelische Bürger tun können, um
Ungerechtigkeiten, die sich aus der Besatzung ergeben, zu
verhindern.
Das Leben unter der Anomalie eines
Besatzungsregimes produziert seltsame Lösungen, wie zum Beispiel die
Anwesenheit von Frauen bei der Arbeit der Soldaten, um eine
menschlichere Umgangsweise zu sichern. Die
Menschenrechtsorganisationen sind keine Bedrohung, die minimalisiert
oder liquidiert werden müssten, sondern des Staates ganzer Stolz.
(Übersetzung: Christoph Glanz) |