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Das ist Zionismus?
von Rabbi Sidney Schwarz

Es ist mindestens schon zwanzig Jahre her, dass ich mir in New York die Israel Parade ansah. Aber es war ein freudiges Zusammentreffen gewesen.

Am Montag wurde ich in New York für ein Treffen mit dem Vorstand der „Rabbiner für Menschenrechte-Nordamerika“ erwartet. Ich kam schon sehr früh mit meiner Frau und mit meiner zwanzigjährigen Tochter in die Stadt, um die Parade genießen zu können. Meine Tochter nahm zusammen mit einer Delegation der Universität von Maryland Hillel daran teil. Meine Frau und ich genossen es, ein Teil der Menge zu sein, die israelische Musik zu hören und die Studentengruppen der Synagogen und Schulen aus der gesamten Umgebung vorbei defilieren zu sehen.

Nach der Parade, so hörten wir, stand ein Israel-Konzert im Central Park auf dem Programm, und wir beschlossen, dort hinzugehen. Uns erwartete ein tiefer Schock.

Es störte mich nicht, dass die Menge vornehmlich aus Orthodoxen bestand. Ich war in einer orthodoxen Schule erzogen worden, und  die Organisation PANIM, der ich vorstehe, unterhält sehr viele Kontakte zu orthodoxen Einrichtungen (PANIM widmet sich der Förderung junger Juden hinsichtlich Führungsqualitäten, Dienste und Aktivitäten).

Da feuerte ein Redner eine Schimpfkanonade ab, in der er anführte, dass jeder amerikanische Präsident seit Jimmy Carter durch Werben um die arabische Gunst Israel verraten habe. Applaus. Ein anderer Redner verkündete, dass Hillary Clinton sich mehr um die nationalen Belange der Palästinenser kümmere als um Israels Überleben. Applaus. Die Kongresskandidatin Elzabeth Berney tadelte Gary Ackermann, den Vorsitzenden des republikanischen Unterausschusses für den Nahen Osten, wegen seiner Kritik an den israelischen Siedlungsaktivitäten in den besetzten Gebieten, die er  Teil einer „destruktiven Dynamik“ in der Region nannte. Noch stärkerer Applaus.

Dann spielte eine Band zu einem mitreißenden Am Jisrael Chai [„Das Volk Israel lebt“] auf. Ich habe mehr als 25 Jahre als Aktivist für das sowjetische Judentum verbracht. Dieses Lied war unser Leitmotiv für Solidarität, für die Geschichte unseres Volkes und mit all jenen unterdrückten Juden in der Welt, für deren Sache wir uns einsetzten. Eine Gruppe junger Männer in ihren Zwanzigern, mit Kippa und Zizit, tanzten in wilder Aufregung gerade vor mir. Aber sie hatten einen Vers geändert, aus „Das Volk Israel lebt“ hatten sie „alle Araber müssen sterben“ gemacht. Im Hebräischen reimt sich der Text. Da alle einstimmten, ist anzunehmen, dass dies nicht zum ersten Mal so gesungen wurde.

Ich wandte mich zu einem jungen Mann gleich neben mir, auch  er mit Kippa und Zizit. Ich wies mit einer Handbewegung zu den Tanzenden und fragte ihn, „Stört dich das Lied nicht?“  Er sah mich mit einem argwöhnischen Blick an und antwortete, „Das ist Zionismus.“

Es gab eine Menge Sponsoren für die Parade, darunter die „Zionistische Organisation von Amerika“, „Amerikaner für ein sicheres Israel“ und das „Nationale Komitee des Jungen Israel“. Sponsoren können nicht jede Aussage ihrer Redner kontrollieren, und sie können auch nicht die spontanen Aktivitäten der Audienz kontrollieren. Aber die Botschaften von der Rednertribüne hatten alle eine gemeinsame ideologische Ausrichtung, und der MC [Zeremonienmeister] teilte großzügig yasher koachs [Danksagungen] nach jeder Darbietung aus.

Die Freude zu Beginn der Veranstaltung wandelte sich zunächst in Wut, und dann in tiefe Traurigkeit. Ich habe mein ganzes bisheriges Leben dem Zionismus, Israel und dem jüdischen Volk gewidmet. Ich unterhielt eine zionistische Expertenkommission [think tank] in Philadelphia und Washington D.C. Als geschäftsführender Direktor von JCRC Washington D.C. [Jewish Community Relations Council] brachte ich Staatsbeamte nach Israel. Während der zweiten Intifada begleitete ich unter der Schirmherrschaft des UJC [United Jewish Communities] Solidaritätsgruppen nach Israel. Meine drei Kinder verbrachten ein Jahr in Israel mit dem „Young Judaea Year Course“ Meine Organisation lehrt Tausende junger Menschen, stolz auf ihre jüdische Identität zu sein und im öffentlichen Leben als Advokaten für Israel zu wirken.

Aber der Zionismus, dem ich verbunden bin, schließt die Vorstellung mit ein, dass ein jüdischer Staat die Rechte aller seiner Bürger wahrt und den prophetischen Idealen von Frieden und Gerechtigkeit, die in der Tora angesprochen werden,  treu bleibt. Nicht eingeschlossen sind darin anti-arabische Stimmungen, die Israels neuer Außenminister auch im israelischen Gesetz verankern will. Und nicht eingeschlossen ist die politische Einstellung, Israels Regierung solle mit der Obama-Administration  auf einen Kollisionskurs gehen; einer Administration, die entschlossen zu sein scheint, dem Nahost-Konflikt, der Araber und Juden seit mehr als einem Jahrhundert Feinde sein ließ, zu einer gerechten Lösung zu verhelfen. Und ganz gewiss nicht eingeschlossen ist eine Stimmungsmache, die aus einem jüdischen Solidaritätslied eine Hymne für Vorurteil und Hass macht.

Jüdische Führer sind schnell dabei, von ihren muslimischen Kollegen zu fordern, dass sie den Extremismus verdammen, der den Islam in eine Religion des Terrors und des Todes entführt hat. Die gleichen Forderungen sollten wir an die Rabbiner von Institutionen richten, deren  Studenten ein chillul hashem [Entweihung des göttlichen Namens] vollbringen, indem sie „alle Araber müssen sterben“ singen.

Schließlich müssen Juden, die Israel lieben und die Frieden wollen, sich selber fragen, wie sie den öffentlichen Diskurs über die Zukunft Israels wieder in ihrem Sinne zurückgewinnen können. Der Islam ist nicht die einzige Religion, die der Gefahr einer Entführung ausgesetzt it.

 

Rabbi Sid Schwarz ist Begründer und Vorsitzender von PANIM: Institution for Jewish Leadership and Values („Institut für Jüdische Führungsqualität und Werte“) und Autor von Judaism and Justice: The Jewish Passion to Repair the World (Jewish Lights)

 

www.thejewishweek.com

The Jewish Week, 2009-06-10  

 

 

 

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