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Texte von Ilan Pape

 

Boycott der Universitäten Israels: ein kühnes Unternehmen
Ilan Pappe, 20.4.05

 

Ich rufe Sie dazu auf, in einem historischen Augenblick an einer historischen Bewegung, teilzunehmen, die das Ende einer  einhundert Jahre langen Kolonisierung, Besatzung und Enteignung der Palästinenser bringen mag. Ich appelliere an Sie als israelischer Jude, der seit Jahren nach Wegen sucht, die dem in den besetzten Gebieten, innerhalb Israel und in den Flüchtlingslagern lebenden Palästinensern zugefügten Unglück  ein Ende setzt. Ich widmete  - mit anderen - mein ganzes Leben als Erwachsener der Schaffung einer substantiellen Friedensbewegung innerhalb Israels. Wir hofften, dass in dieser die Akademiker eine führende Rolle spielen. Aber nach 37 Jahren endloser brutaler und abgebrühter Unterdrückung der Menschen in den besetzten Gebieten und im Gazastreifen und nach 57 Jahren Kolonisierung und Enteignung der Palästinenser als Ganzes, denke ich, dass diese Hoffnung unrealistisch ist und andere Mittel und Wege gefunden werden müssen, um einen Konflikt zu beenden, der den Frieden in der ganzen Welt bedroht.

 

Gewalt und bewaffneter Kampf sind auch fehl geschlagen. Und sie können kaum von jemandem wie mir, der grundsätzlich von ganzem Herzen Pazifist ist, gut geheißen werden. Historische Beispiele wie in Südafrika und Gandhis Bewegung in Indien beweisen, dass es friedliche Mittel gibt, um die längste Unterdrückung und Verletzung der Menschenrechte im letzten Jahrhundert zu beenden . Boykott und Druck von außen sind im Falle Israels, das als Staat zur zivilisierten demokratischen Welt gehören möchte,  niemals versucht worden. Tatsächlich erfreut sich Israel seit seiner Gründung 1948 einer solchen Stellung. Deshalb gelingt es ihm, die vielen UN-Resolutionen, die seine Politik verurteilen, abzuwehren, ja sogar einen Vorzugsstatus in der EU zu erhalten. Die hervorgehobene Position von Israels Akademikern in der weltweiten Gemeinschaft der Wissenschaftler drückt diese westliche Unterstützung für Israel als der „einzigen Demokratie“ im Nahen Osten aus. Gedeckt durch diese besondere Unterstützung der Akademiker und anderer kultureller Medien können und werden das israelische Militär und die Sicherheitskräfte weitermachen, Häuser zu zerstören, Familien zu vertreiben, Bürger zu misshandeln und fast täglich Kinder und Frauen zu töten, ohne dass sie regional oder global für ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden.

 

Militärische und finanzielle Unterstützung Israels ist wichtig und setzt den jüdischen Staat in die Lage, die Politik zu verfolgen, die er ( seit langem)  praktiziert. Jede mögliche Maßnahme jedoch, solche Hilfe zu verringern, wäre im Kampf für Frieden und Gerechtigkeit im Nahen Osten sehr willkommen. Das kulturelle Image in Israel aber nährt die politische Entscheidung im Westen, bedingungslos die israelische Zerstörung Palästinas und der Palästinenser zu unterstützen.

Die Botschaft, die speziell an jene akademischen Institute gerichtet ist, die sich bei der Aufrechterhaltung der Unterdrückung seit 1948 und der Besatzung seit 1967 besonders schuldig gemacht haben, könnte der Anfang einer erfolgreichen Kampagne für den Frieden sein ( ähnlich den Aktionen, die damals die Anti-Apartheid-Bewegung in Süd-Afrika in Gang brachten.)

 

Zum Boykott in Ihrem Staat und Ihrer Universität aufzurufen, ist für ein Mitglied dieser Institution keine leichte Entscheidung. Aber ich erfuhr, wie die betreffenden akademischen Gemeinschaften weltweit im richtigen Augenblick mobilisiert werden konnten, als mir mit dem Ausschluss aus meiner eigenen Universität, der Universität von Haifa, 2002, gedroht worden war. Eine sehr gezielte Politik des Druckes auf die Universität erlaubte mir, wenn auch unter Einschränkungen und systematischer Belästigung, meine Seminare und die Forschungsarbeit fortzuführen, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die ungerechte Behandlung der Palästinenser während all der Jahre offen zu legen. Das ist eine besonders wichtige Sache, da ich der einzige bin, der dies an dieser Universität tut und nur einer von wenigen, die es im Lande tun. Es ist auch deshalb sehr wichtig, weil es an dieser Universität eine große palästinensische Studentengemeinde gibt, die durch drakonische Verfügungen daran gehindert wird, ihre Wut und Frustration über das, was ihrem Volk angetan wurde und noch angetan wird, auszudrücken. Diese Studenten haben sich total isoliert gefühlt, als die Universität enge Kontakte zu den Sicherheitsdiensten des Landes knüpfte. Die Tatsache, dass die Universität durch Vergabe akademischer Grade eng mit den Sicherheitsdiensten zusammenarbeitet, ist an sich kein Verbrechen, aber da diese täglich die Besatzung in den palästinensischen Gebieten praktizieren, bedeutet ihre Gegenwart auf dem Campus, dass die akademische Welt bedeutend in die Fortdauer des Unglücks verwickelt ist.

Wie ich an meinem eigenen Fall erlebte, ist Druck von außen auf ein Land wirksam, dessen Bewohner als Teil der zivilisierten Welt betrachtet werden wollen, aber deren Regierung mit ihrer ausdrücklichen oder stillschweigenden Hilfe eine Politik verfolgt, die alle bekannten Menschen- und Bürgerrechte verletzt. Weder die UN noch die US oder die europäischen Regierungen oder Gemeinschaften haben an Israel eine Botschaft gesandt, dass diese Politik unannehmbar ist und dass sie gestoppt werden müsste. Nun ist es an den zivilen Gemeinschaften und Organisationen wie die Ihrige Botschaften an die israelischen Akademiker, Geschäftsleute, Künstler, Hi-tech-Industrielle und jede andere Sektion dieser Gesellschaft zu senden, dass solche Politik auch einen Preis hat.

 

Ich danke Ihnen im voraus für Ihre Unterstützung. Sollten Sie sich entscheiden, bei dieser kühnen Taktik mitzumachen, ermächtigen Sie mich und meine Freunde, zusammen mit unsern palästinensischen Kollegen, eine gerechte Basis für Frieden und Versöhnung in Palästina zu schaffen  - davon bin ich überzeugt .

 

Ilan Pappe ist leitender Dozent an der Fakultät für politische Wissenschaften an der Universität Haifa und der Vorsitzende des Emil-Touma-Institutes für palästinensische Studien in Haifa.

 

(dt. ellen rohlfs)

 

 

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