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Machsom Watch

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Machsom Watch Bericht , Januar 2007

 

 

 

 

Machsom Watch Matria[1] – Januar 2007

Machsom Watch – eine Organisation israelischer Frauen gegen die Besatzung und für Menschenrechte, die sich mit einem der härtesten Aspekte der Besatzung befasst – der Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Palästinenser in den besetzten Gebieten.

 

Der Kontrollposten steht nicht allein da

 

Der Kontrollposten steht nicht allein da. Hinter ihm, vor ihm, neben ihm und vor allem unter ihm ruht ein enormes, dem Blick entzogenes bürokratisches Netz, formiert sich täglich neu und stützt ihn. Wie es in der Natur bürokratischer Netze liegt, wächst dieses Netz, wird komplizierter, widerspricht sich, seine Gesetze sind unbekannt und jeder, der mit ihm in Berührung kommt, kennt nur den ihn betreffenden Teil. Bei dem Versuch, dieser Bürokratie die Stirn zu bieten, gehen unzählige Stunden verloren und große Summen Geldes, die mittellosen Menschen, die sich in diesem Netz verfangen haben, buchstäblich geraubt werden. Die Organe, die dieses ausgeklügelte Gebäude entwerfen, sind, neben dem Geheimdienst, der Armee und der Polizei, fast alle Ministerien. Die Tatsache, dass jeder nur den ihn betreffenden Teil kennt, stärkt dieses bürokratische System und verhindert die Lösung von Problemen, da jedes Verbot mehr als ein Organ betrifft und seine Durchführung von mehr als einem Organ kontrolliert wird. Wir führen hier Beispiele des vergangenen Monats an.

 

Die Zivilverwaltung der Besetzten Gebiete

 

Neben dem Tor des Kontrollpostens Rechan (Barta'a) drängen sich etwa fünfzig Männer und Frauen, die meisten sind Arbeiter der Industriezone Schachaq in dem Gebiet zwischen der Grenze von 1967 und dem "Sicherheitszaun", landwirtschaftliche Arbeiter oder Näherinnen der Näherei in Ost-Barta'a. Die Schachaq-Arbeiter sagen uns, dass es eine Erleichterung für sie wäre, wenn man ihnen erlauben würde, den nahegelegenen Kontrollposten Schaqed (Tura), der sich in der Nähe ihres Arbeitsplatzes befindet, zu passieren. Auch die Näherinnen, die in Tura wohnen, würden es vorziehen, dort zu passieren. Immer mehr Menschen kommen zu dem Parkplatz auf der palästinensischen Seite. Kurz nach 7.00 Uhr ist der Andrang vorbei, und es stellte sich heraus, was der Grund für das Gedränge am Kontrollposten war: Erntearbeiter, die bei Chadera arbeiten, wollten den Kontrollposten Rechan passieren, so wie es ihnen in den letzten Tagen ermöglicht worden war (das ist der kürzeste Weg zu ihrem Arbeitsplatz). Heute durften zwei passieren, und die übrigen wurden nicht durchgelassen. Beim DCO (District Coordinating Office – Regionales Koordinierungsbüro) wurde uns gesagt, dass ihnen der Übergang bei Rechan aus Versehen erlaubt wurde, und sie müssten bei Jalame odr Irtach passieren. Etwa zwanzig Arbeiter warteten zunächst noch auf dem palästinensischen Parkplatz, leere Säcke für die Ernte in ihren Händen. Gegen 8.00 fuhren sie zum Kontrollposten Jalame und begannen so ihren Arbeitstag mit großer Verspätung.

Zwei israelische Wagen möchten den Kontrollposten Schaqed von Tura in Richtung der Zone zwischen Grenze und "Sicherheitszaun" passieren, aber kehren unverrichteter Dinge zurück. Israelis und israelische Fahrzeuge werden an diesem Kontrollposten nicht durchgelassen. Einwohner von Dahr al-Malikh und Umm al-Rechan dürfen auch dann den Kontrollposten Schaqed passieren, wenn in ihrem Erlaubnisschein "Kontrollposten Rechan" eingetragen ist. Alle anderen dürfen hier nur passieren, wenn in ihrem Erlaubnisschein "Tor 300" eingetragen ist. (Rechan und Schaqed, südlich von Umm al-Fachem, 22.1.07)

 

6.55 – Um diese Uhrzeit ist der Parkplatz überfüllt mit Fahrzeugen, die auf die Arbeiter warten, und Dutzende von Arbeitern warten auf ihren Transport. Sie zeigen uns die Magnetkarten [die nötig sind, um eine Arbeitserlaubnis innerhalb Israels zu bekommen], die sie gegen die Zahlung von 130 Shekeln auswechseln mussten, obwohl sie noch gültig waren. Das Auswechseln ist wegen des Übergangs zu einem Identifizierungssystem mit Hilfe von Fingerabdrücken erforderlich. Aber es gibt ein weiteres Problem: Da die Männer mit ihren Händen arbeiten, ist die Haut an den Fingern knotig. Das erschwert dem Apparat die Identifizierung der Fingerabdrücke, und daher mussten sie ihre Karte nochmals auswechseln (und ein weiteres Mal 130 Shekel bezahlen). Einer der Männer musste innerhalb kurzer Zeit drei Mal die Karte auswechseln, obwohl ihr Gültigkeitsdatum noch lange nicht abgelaufen war. (Irtach, südlich von Umm al-Fachem, 10.1.07)

 

Das Standesamt/Innenministerium

 

Ein Mann erzählt uns, in welcher Falle er gefangen ist. Er ist aus Um al-Rechan (zwischen der Grenze und dem "Sicherheitszaun") und seit 17 Jahren mit einer Frau aus Umm al-Fachem (Israel) verheiratet, ihre Kinder gehen in Umm al-Fachem zur Schule. Der Mann hat einen palästinensischen Ausweis und eine Aufenthaltserlaubnis für Israel. Diese Erlaubnis muss er alle sechs Monate erneuern. Beim DCO wurde ihm gsagt, dass er auf seinen Status als Einwohner der Zone zwischen der Grenze und dem "Sicherheitszaun", den er als Einwohner von Umm al-Rechan hat, verzichten muss. Er unterrichtet in der Schule von Umm al-Rechan und ist administrativ an Jenin gebunden. Wenn er seinen Status verliert, kann er nicht mehr den Kontrollposten bei Tura passieren, sondern muss zum weiter entfernten Kontrollposten von Jalame gehen. Das Leben ist kompliziert. (Schaqed, 22.1.07)

 

Neben dem Tor warten eine Frau und drei Kinder im Alter von fünf bis fünfzehn, sie ist israelische Staatsbürgerin aus Umm al-Fachem und mit einem Einwohner Anins in den Besetzten Gebieten verheiratet. Sie wohnt dort seit siebzehn Jahren, ihre Kinder besuchen die Schule in Anin. Sie hatte ihre Mutter in Umm al-Fachem besucht und wollte gestern nachmittag nach Hause zurückkehren, aber sie wurde nicht durch den Kontrollposten gelassen (als Israelin wurde ihr verweigert, die Westbank zu betreten). Sie und die Kinder hatten gestern vergebens versucht, bei Rechan zu passieren, heute sind sie zum Kontrollposten von Anin zurückgekehrt, vielleicht wird man sie diesmal nach Hause lassen. Der Mann darf zusammen mit den beiden älteren Kindern passieren, da letztere in den Personalausweisen beider Eltern eingetragen sind, aber das jüngste Kind und die Mutter werden nicht durchgelassen. Die gesamte Familie kehrte zu uns auf die israelische Seite des Kontrollpostens zurück. Bevor das Tor geschlossen wird, versucht der Vater noch einmal die Soldaten zu überreden, die Familie nach Hause zu lassen. Nach kurzer Beratung nahmen wir die Mutter und die drei Kinder in unserem Wagen mit zum Kontrollposten von Schaqed, vielleicht wird man sie dort in die Westbank lassen. Doch wie zu befürchten war, wurden sie auch dort nicht durchgelassen. Der Ehemann berichtet am Telefon, dass er durchgelassen wurde, nachdem wir den Kontrollposten verlassen hatten, aber seine Frau und Kinder nicht.  (Anin, östlich von Umm al-Fachem, 1.2.07)

 

Das Ministerium für Arbeit, Gewerbe und Handel

 

Arbeiter, die von landwirtschaftlicher Tätigkeit in Israel zurückkehren, passieren den Kontrollposten schwer beladen mit Fruchtsäcken. Alle haben es eilig, nach Hause zu kommen, aber einige halten an, um mit uns zu sprechen. Einer erzählte uns, dass er in Israel durch eine Manpower-Gesellschaft in Netanja beschäftigt wurde. Die Unternehmer müssen für ihre Arbeiter Steuern an das Arbeitsamt abführen. Der Unternehmer, für den dieser Mann arbeitete, hat seinen Steueranteil nicht bezahlt, und daher kann der Arbeiter keine neue Arbeitserlaubnis für Israel bekommen und auch nicht zu einem anderen Unternehmer überwechseln. (Rechan, 8.2.07)

 

Die Armee

 

7.00 morgens - M. berichtet, dass seit 6.00 niemand am Kontrollposten bei Al-Bidan durchgelassen wird. Es haben sich bereits Autoschlangen gebildet. Durch Anrufe bei der Armee erfahren wir, dass ein explosiver Gürtel gesucht wird, der bei Al-Bidan durchgeschmuggelt werden soll, und daher wird niemand durchgelassen.

 

8.30 – M. berichtet, dass der Kontrollposten immer noch nicht geöffnet wurde und die Schlangen immer länger werden. Der Regimentskommandant erklärt, dass genaue Kontrollen durchgeführt werden, leugnet aber, dass der Kontrollposten geschlossen sei. Der Brigadekommandant teilt mit, dass der Kontrollposten geschlossen sei. Zwanzig Minuten später ruft der Regimentskommandant an und erklärt, dass der Kontrollposten im Grunde genommen hermetisch geschlossen ist.

Wie lange?

"Bis der Nachrichtendienst die Warnung abblasen wird".  Auf die Frage, wie die Leute passieren sollen, schlug er Ausweichwege vor, begriff aber schnell, dass diese Wege für die Palästinenser nicht zugänglich sind und ließ die Frage offen. Das ist nicht das Problem der Armee. Gegen Mittag teilte er mit, dass der Kontrollposten geöffnet worden sei und versprach sogar, die Kontrollen zu beschleunigen, damit die Leute nicht lange warten müssen. Wir waren optimistisch.

 

12.30 – S. gelangte mit seinem Wagen und seinen Kindern zum Kontrollposten. Um 18.30 saß er dort immer noch fest, und vor ihm befanden sich etwa siebzig Fahrzeuge. Laut M.'s Bericht waren von den drei Fahrspuren zwei durch Betonblöcke gesperrt. Auf der freien Spur standen vier Soldaten, drei schützten den vierten, der die Autos durchließ, abwechselnd einen Wagen aus Nablus und einen nach Nablus, jede halbe Stunde ein Fahrzeug. M. berichtet von hunderten von Fahrzeugen, die in beiden Richtungen warten. Von den oberen Rängen der Armee wurde uns gesagt, dass diese Informationen nicht stimmen und der Verkehrt fließt. Der Leiter des DCO von Nablus bestätigte, dass es ein Problem gebe, und er sich persönlich darum kümmern, vielleicht einen Offizier des DCO dorthin schicken werde. Aber welcher DCO-Offizier wird bereit sein, in der Dunkelheit nach Al-Bidan zu fahren? Schließlich befindet sich der Kontrollposten mitten im Flüchtlingslager Aksar. Laut M. erschien kein DCO-Offizier vor Ort.

 

18.45 – Die Palästinenser berichten, dass noch zwei Jeeps eingetroffen seien und Tränengasgranaten auf die Wartenden geworfen wurden. Eine Mitarbeiterin von Betzelem [die israelische Menschenrechtsorganisation für die Besetzten Gebiete] gelangte nach Al-Bidan und dokumentierte und filmte das Geschehen. Im Telefongespräch mit dem DCO von Nablus wurde Betzelem gesagt: "Was wollen Sie, der Durchgang am Kontrollposten ist frei" ... Die reinsten Champs Elysées. M. berichtet, dass sich nichts bewegt. H., der sich seit 12.30 am Kontrollposten befindet, ist immer noch nicht passiert. Er wartet bereits sechs Stunden! Nochmals riefen wir alle Verantwortlichen an. Der stellvertretende Brigadekommandant behauptete, dass unsere Informationen falsch seien, die Kontrollen werden in zwei Spuren durchgeführt und der Durchgang vollzieht sich schnell. M. sagte, das stimmt nicht – nur in einer Spur wird kontrolliert, einmal in der, dann in der anderen Richtung, knapp zwei Fahrzeuge werden pro halbe Stunde durchgelassen.

Erst um 19.15 wurde der Kontrollposten aufgehoben und alle konnten ohne Kontrolle passieren. (Al-Bidan bei Nablus, 22.1.07)

 

Die Polizei

 

Palästinenser, die beschlagnahmte Papiere zurückbekommen oder zwecks Entzugs des Führerscheins oder ähnlicher Angelegenheiten angehört werden möchten, müssen dazu auf der Polizeistation in Ras Al-Amud in Ostjerusalem erscheinen. Aber Ras Al-Amud befindet sich im Stadtbereich Jerusalems, westlich von der Trennungsmauer, und Bewohnern der Besetzten Gebiete ist der Zugang dorthin verboten. Ein Teil der Strafgebühren für Verkehrsvergehen können nur bei der israelischen Post bezahlt werden, deren Ämter sich innerhalb des israelischen Staatsgebietes bzw. in den Siedlungen befinden und daher den Palästinensern nicht zugänglich sind.

 

Eine Anmerkung zu der "weißen Linie" an den Kontrollposten, die wir nicht einmal mit einem Schritt überschreiten dürfen

 

Zeitung Ma'ariv, 25.1.07:

Siedler haben unter dem Schutz der Armee palästinensische Gräber geschändet.

Hunderte von Siedlern sind unter dem Schutz der Armee in ein Dorf bei Nablus eingedrungen, um dort zu beten. Sie haben Grabsteine zerstört und auf sie "Tod den Arabern" geschrieben und großen Sachschaden angerichtet.

 

Im Folgenden die Beschreibung des Geschehens auf der website der Siedlerorganisation:

Etwa 600 Juden sind gestern zum Dorf Awarta gekommen, das sich gegenüber dem Lager Choron in Samaria befindet. Das ist der biblische Ort "Giv'at Pinchas", der im Buch Josua erwähnt wird – Grabstätte El'asars, des Sohnes Ahrons des Priesters und Itamars, des Sohnes Ahrons des Priesters und die Höhle der siebzig Gerechten – mögen ihre Verdienste uns schützen.

 

Positiv hervorzuheben ist die segensreiche Zusammenarbeit des religiösen Rates von Samaria und der Organisationen, die sich für die heiligen Orte in Samaria einsetzen – die Vereine "Ein Anteil" [vgl. Gen 48,22] und das "Komitee der in Samaria Weilenden" – mit den Armeekräften der Samaria-Brigade, die alles für die Gewährung der Sicherheit und der reibungslosen Organisation Nötige taten, um das Abhalten der Gebete, die Öffnung der Zufahrtswege und die Reinigung zu ermöglichen. Im Namen aller Organisationen und aller Teilnehmer möchte der Vorsitzende des religiösen Rates von Samaria, Dov Schapira, persönlich besonders den Kommandanten der Samaria-Brigade, Amir Bar'am, den stellvertretenden Brigadekommandanten Jaron Frenkel, den neu-ernannten Offizier Karmi Grabovski und die Kommandanten und Soldaten des Regiments 931 lobend hervorheben und seine Hochschätzung der segensreichen Zusammenarbeit zum Ausdruck bringen.

Es war erhebend, die Massen derer zu sehen, die von nah und fern kamen, religiöse Menschen aus dem national-religiösen, dem ultra-orthodoxen, dem chassidischen und dem traditionellen Lager, die sich zu einem besonderen Gebet, das aus dem Buch "Namen der Gerechten" genommen ist, vereint hatten. Mögest Du um all dieser Gerechten willen ... Dich unser mit Deinem reichen Erbarmen erbarmen und uns zum Heil und zum Erbarmen heimsuchen. Amen.


 

[1]  "Matria" ist abgeleitet von dem hebräischen Verb "lehatria", das "(als Alarmzeichen) in die Posaune/ins Horn blasen" und "Protestgeschrei erheben" bedeutet.

 

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