Der Weltrat der Kirchen (WCC) , Mai
2006
Der WCC ist ein Zusammenschluss von 347 Kirchen aller
Denominationen in mehr als 120 Ländern aller Kontinente .
Statement des Exekutive-Komitee zu
Israel-Palästina
Die Zeit ist reif, um zu tun, was richtig
ist.
Nachdem die verantwortlichen
Mächte und Regierungen wenig Aussicht auf eine lebensfähige Zukunft
für Israelis und Palästinenser liefern, rund um die Welt die Sorge
über den Lauf der Geschehnisse dieses Konfliktes wächst - trotz
verschiedener Friedenspläne und zahlreicher unerfüllter
UN-Resolutionen – kommt das Exekutivkomitee des Weltrates der
Kirchen, dass sich vom 16.-19. Mai 2006 in Genf traf, zu einem
nüchternen Beschluss:
Der Frieden muss bald kommen
oder er wird lange Zeit für
keines der beiden Völker kommen.
Die Nichtbefolgung des
Völkerrechts und die daraus folgenden Konsequenzen haben die
Situation vor Ort an einen Punkt gebracht, wo es kein Zurück mehr
gibt. Die Ungleichheit ist erschreckend. Die eine Seite bringt sich
selbst in die Position, einseitig die endgültigen Grenzen auf einem
Gebiet festzulegen, das der anderen Seite gehört. Diese andere Seite
wird zunehmend auf die zerstreuten Enklaven eingegrenzt, die übrig
bleiben. Die eine Seite kontrolliert immer mehr das Land und das
Wasser - auf der andern Seite werden immer mehr Familien ihres
Landes und ihres Lebensunterhaltes beraubt. Von der einen Seite
werden so viel wie möglich an Menschen auf besetztem Gebiet
angesiedelt – auf der andern Seite steigt die Zahl der Flüchtlinge
ohne Haus und Land. Die eine Seite kontrolliert Jerusalem, eine
Stadt, die von zwei Völkern und drei Religionen geteilt wird – und
die andere Seite, Muslime und Christen, beobachten, wie ihre
demographische, kommerzielle und religiöse Präsenz in Jerusalem
schwindet. Von beiden Seiten schlagen militärische Kräfte oder
bewaffnete Gruppen über die Grenze von 1967 und töten unschuldige
Zivilisten. Auf beiden Seiten ermutigen die Behörden solche
Attacken.
Schließlich wird die Seite, die
sich daran machte, ihre ungesetzlichen Vorteile zu halten, von der
internationalen Gemeinschaft unterstützt. Die andere Seite, die
verzweifelt über diese ungesetzlichen Vorteile, (Korruption) ist,
wandte legitime Wahlen an, um neue Führer zu wählen. Sie wird nun
dafür isoliert und ( kollektiv) bestraft.
Alle Parteien dieses Konfliktes
und die damit verwickelten ausländischen Mächte sehen sich einer
wegen dieses Konfliktes gefährlich geteilten Welt gegenüber - einer
Welt, die zunehmend davon überzeugt ist, dass das Ziel des Friedens
für alle von der einen Seite für Vorteile weggehandelt wurde.
In diesem kritischen Augenblick
könnte der Beitrag der Kirchen der sein, vom ethischen Standpunkt
aus zu sprechen. Die oben genannten und ähnliche Aktionen können
weder moralisch, rechtlich noch politisch gerechtfertigt werden.
Im langen Bürgerrechtskampf der
USA schrieb Dr. Martin Luther King:
„Zeit kann zerstörerisch oder
aufbauend benützt werden. Immer mehr fühle ich, dass die Leute mit
bösem Willen die Zeit effektiver genützt haben als die Leute mit
gutem Willen. Wir werden in dieser Generation nicht nur die
hasserfüllten Worte und Aktionen der bösen Leute zu bereuen haben,
sondern auch das erschreckende Schweigen der Guten. Wir müssen die
Zeit kreativ nutzen - mit dem Wissen, dass die Zeit immer dazu reif
ist, das Richtige zu tun“.
(Brief aus dem Gefängnis in
Birmingham, 1965)
Dieselbe harte Diagnose gilt auch
dem Kampf für einen gerechten und dauerhaften Frieden zwischen
Israelis und Palästinensern. Straflosigkeit gegenüber dem
Völkerrecht, gegenüber der Charta der UN, gegenüber den
UN-Sicherheitsresolutionen und dem Rechtsgutachten des
Internationalen Gerichtshofes in Den Haag haben seit langem die
Aktionen vor Ort charakterisiert. Nun wird dasselbe Phänomen
gegenüber diesem Konflikt auch in der internationalen Politik
deutlich. Rechtsnormen, die so schwer auf der territorialen
Integrität dieses Konfliktes lasten, die friedliche Lösung des
Konfliktes, das Recht der Selbstbestimmung und das Recht der
Selbstverteidigung u.a. sind weitgehend ignoriert worden.
Aufrufe zur Erfüllung dieser
Normen liegen seit sechs Jahrzehnten Kirchenpolitik gegenüber
diesem Konflikt vor: WCC-Statements zur Mauer in den besetzten
palästinensischen Gebieten und Israels Annexion von
palästinensischem Land (2004). Die ökumenische Antwort auf den
israelisch-palästinensischen Konflikt (2002 und 2001);
Verhandlungen über den Endstatus von Jerusalem (2000); Der Status
von Jerusalem ( 1998) ; Der Nahe Osten ( 1993, 1983, 1974, 1996 und
1967) Jerusalem ( 1980, 1975 und 1974); Das Entstehen Israels als
Staat ( 1948) ; ein Thema fehlt noch: Was wir für beide Völker, das
palästinensische und das jüdische Volk wünschen, ist gleiche
Gerechtigkeit ( WCC Exekutiv Komitee, Bad Saarow, 1974) - aber das
Völkerrecht hat sich nicht überzeugend genug um das kollektiv Gute
bemüht.
Vor kurzem hat der WCC das
Nahost-Quartett aufgefordert, der neuen palästinensischen Behörde
(Hamas) Zeit zu geben, um ihre Politik zu entwickeln und
darzustellen. Der WCC rief auch die Mitglieder des Quartetts dazu
auf, sich unparteiisch mit dem Konflikt zu befassen und die
entschlossene und objektive 3.Partei zu sein, die notwendig ist, um
die israelische Regierung und die palästinensische Behörde zu
Verhandlungen auf gleicher Augenhöhe zu bringen.
Die Anerkennung für bestehende
Abkommen wird von beiden Seiten gefordert.. Demokratie muss
geschützt werden, wo sie beginnt, Wurzeln zu fassen. Normale
bilaterale Beziehungen müssen für Israelis als auch für
Palästinenser den Vorrang vor der Gewalt haben.
Die doppelte Moral zu beenden,
ist eine Voraussetzung für Frieden. Die augenblickliche Sackgasse
muss überwunden werden. Alle Parteien müssen die Notwendigkeit und
den Nutzen für die Menschen sehen, indem augenblickliche politische
Entscheidungen mit langjährigen rechtlichen und unleugbar
moralischen Verpflichtungen wieder auf eine Linie gebracht werden.
Die kostbare, lebensrettende Gelegenheit ist jetzt.
Das Exekutivkomitee des
Weltrats der Kirchen, das sich in Bossey,
Schweiz vom 16.-19. Mai 2006 traf,
drängt die internationale Gemeinschaft, den Kontakt mit den rechtlich
gewählten Führern des palästinensischen Volkes aufzunehmen, sich für
eine Lösung der Differenzen einzusetzen und sie nicht zu isolieren
und so das Leiden ihres Volkes zu verschlimmern.
ruft
die internationale Gemeinschaft dazu auf, zweiseitige Verhandlungen
auf gleicher Augenhöhe zu unterstützen, als Weg zu gegenseitiger
Anerkennung zwischen Israel und Palästina und zur Beseitigung
anderer strittiger Hindernisse zum Frieden, wie sie in der Reihe von
UN-Resolutionen des UN-Sicherheitsrates und der UN-Vollversammlung
festgelegt sind.
empfiehlt, dass im Interesse gleicher Behandlung - als neue Grundlage für den
Frieden - beide Parteien mit gleichem Maßstab gemessen werden, um
Gewaltaktionen zu beenden, ihre bestehenden Abkommen gegenseitig zur
Kenntnis zu nehmen und die Existenz des anderen in den Grenzen von
1967 anzuerkennen
besteht darauf, dass alle
Vertragsparteien der Vierten Genfer Konvention ( einschließlich
Israels, der USA, der EU, Russlands und der Schweiz) das
Wohlbefinden der besetzten Bevölkerung sichern. Dringende Aktionen
schließen die Beendigung der Strafmaßnahmen ein, die dem
palästinensischen Volk durch Verletzung der 4.Genfer Konvention
auferlegt wurden, auch das Verbot der kollektiven Strafe,
einschließlich der Reisebeschränkungen, die nach den demokratischen
Wahlen vor kurzem eingeführt wurden. Er fordert die Besatzungsmacht
auf, ihre Verantwortung für das Wohlbefinden der Bevölkerung in
allen von ihr kontrollierten Gebieten, einschließlich des
Gazastreifens, wahrzu- nehmen.
erinnert die UN und seine Mitgliederstaaten an die UN-Verantwortung,
Jerusalem zu einer offenen und inklusiven Stadt für beide Völker und
alle drei Religionen zu machen, mit geteilter Herrschaft und
Staatsangehörigkeit.
ermutigt die Regierung von Israel, seine Sicherheit auf Frieden mit all
seinen Nachbarn zu gründen, einschließlich gerechter Verhandlungen
über endgültige Grenzen mit diesen Nachbarn d.h. eine einseitige
Festlegung von Grenzen zu diesen Nachbarn auszuschließen.
ermutigt die palästinensische Behörde, alle Parteien des politischen
Spektrums in den Prozess der Demokratisierung und der gewaltfreien
Konfliktlösung einzuschließen, die demokratischen Rechte ihres
Volkes vor externem Druck als legitime Rechte unter internationalem
Recht zu schützen, die bestehende Waffenruhe der einen Partei
gegenüber Israel auf alle Parteien auszudehnen und zu demonstrieren,
dass alle Formen von Gewalt und Angriffen jenseits der 1967-Grenze
gegen unschuldige Zivilisten auf jeder Seite gestoppt werden
müssen.
ruft
alle Mitgliedskirchen und den WCC dazu auf, mit den Völkern auf
beiden Seiten des Konfliktes solidarisch und Zeugen für den Frieden
zu sein:
Befürwortet die oben
angedeuteten Maßnahmen, indem ihr die Sorge der weltweiten Kirche
über den israelisch-palästinensischen Konflikt, die Konsequenzen des
Konfliktes auf andere Regionen und die immer dringendere
Notwendigkeit von abhelfenden Aktionen durch die verantwortlichen
Behörden reflektiert; auch die Anwendung legitimer Formen des
Druckes auf Israel, um einen gerechten Frieden zu erlangen und die
unrechtmäßigen Aktivitäten von Israelis und Palästinensern zu
beenden.
Findet konstruktive Wege aus
den erfahrenen Bedrohungen des jüdischen Volkes, einschließlich des
Wesens, der Verbreitung und der Folge von Rassismus im lokalen,
nationalen und internationalen Kontext.
Beachtet Hilferufe aus den
Kirchen Jerusalems in dieser Zeit schwerer Prüfungen, steht ihnen in
ihrem Dienst in der Gesellschaft bei, unterstützt die kirchlichen
Hilfswerke der Kirchen im Nahen Osten, gibt Kirchen anderswo
Berichte über den Konflikt, die Region und den Weg des Friedens;
betet für den Frieden.
Schickt Kirchenmitglieder
nach Israel und Palästina als Teil der ökumenischen
Begleiter-Programme in Palästina und Israel bis die Besatzung endet.
Engagiert euch im Dialog mit
Kirchen, die Verbindung zu den Ereignissen im Nahen Osten haben.
Solch ein Dialog würde konkrete politische Perspektiven über
Gerechtigkeit legitimieren und konkretisieren und den Einfluss
solcher Verbindungen auf die Präsenz und das Zeugnis der
christlichen Kirchen der Region mit einschließen, auch Diskussionen
über das Wesen des christlichen Zeugnisses für Frieden im Nahen
Osten .
Wirkt dahin,
dass die Sicherheit für alle Völker in der Region vergrößert wird in
Übereinstimmung mit der WCC Neunten Versammlungsminute (?), indem
man die entsprechenden Regierungen dahin drängt, die Errichtung
einer nuklearwaffenfreien Zone im Nahen Osten, einschließlich
Israels und des Irans zu unterstützen.
(dt. Ellen
Rohlfs) |