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 KurznachrichtenArchiv - ThemenLinksFacebook   -    25. Juli  2022   -   Sponsern SieAktuelle TermineSuchen

 


 

Plädoyer für die Ungleichheit der Menschen

Der israelische Soziologe Natan Sznaider verlangt von der deutschen kulturellen Elite Israel-Treue

Arn Strohmeyer - 24.07.2022

Was ist die angemessene deutsche Reaktion auf den Holocaust? Diese Frage bewegt fast 80 Jahre nach dem Massenmord noch die Gemüter hierzulande und führt zu tiefen Gegensätzen in der Gesellschaft – vor allem auch im Verhältnis zu Israel. Der deutsch-jüdische-Publizist Alfred Grosser hat darauf die einzig richtige Antwort gegeben: Man dürfe Auschwitz nur gedenken, wenn man gleichzeitig für die Gleichheit der Menschen überall auf der Welt eintrete. Das ist eine klare moralisch-universalistische Forderung, die den besten humanen Traditionen der Aufklärung entspricht. Liberté, Égalité, Fraternité – die bürgerliche französische Revolution hat in dieser Hinsicht nie ihre Aktualität verloren.

Aber genau mit dieser Forderung hat das zionistische Israel seine Probleme, denn das hieße ja auch: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit für die Palästinenser. Das geht aus zionistischer Sicht aber unter gar keinen Umständen, weil es Änderungen an der Staatsform zur Folge hätte. Deshalb erteilt die israelische Politik jedem Universalismus eine klare Absage. Aber nicht nur das, zionistische Intellektuelle stellen eine solche Forderung auch an die deutsche Kulturelite. So etwa jetzt der deutsch-israelische Soziologe Natan Sznaider in einem Interview mit dem SPIEGEL.

Sznaider erhebt da schwere Vorwürfe gegen die deutschen Intellektuellen. Er wirft ihnen vor, einem „postkolonialistischen Antisemitismus“ anzuhängen. Sie erklärten Israel zu einem siedlerkolonialistischen Projekt und westlichem Vorposten im Nahen Osten. Für Sznaider ist die Existenz des Staates Israel aber eine Konsequenz aus dem Holocaust. Dem muss man aber entgegenhalten: Die zionistische Besiedlung Palästinas mit der Absicht, dort einen Staat zu gründen, begann lange vor dem Holocaust am Ende des 19. Jahrhunderts. Und selbst Israelis – wie etwa Moshe Zuckermann – sehen in der kausalen Verbindung des Holocaust und der Entstehung des Staates Israel eine Instrumentalisierung des Massenmords an den europäischen Juden, die einem zweckfreien Gedenken der Opfer dieses Genozids entgegenstehe, ja sie verrate die Opfer, weil dann der Staat Israel Vorrang vor dem Holocaust habe.

Sznaider beharrt mit seiner Absage an jedem Universalismus auf jüdischen „Sonderinteressen“. Er sagt: „Juden wie ich oder die Vertreter des Zentralrats [der Juden in Deutschland] sind für diese Leute [die deutsche Kulturelite] ein Störfaktor in diesem hyperdemokratischen Kampf um globale Gleichheit, weil wir da nicht mitspielen wollen.“ Deutlicher kann man es nicht sagen: Es gibt keine Gleichheit unter den Menschen! Unter dem Banner der Gleichheit wolle man heute, so Sznaider, den Unterschied zwischen Juden und Nichtjuden auflösen.

Geht es darum wirklich, wenn man Gerechtigkeit für die Palästinenser fordert? Sznaider behauptet, dass die Herstellung von Gleichheit für die Palästinenser die Selbstaufgabe des zionistischen Staates bedeuten würde. Er setzt dem entgegen: Die Juden hätten ein Recht, auf ihrem Partikularismus [laut Duden: Absonderung, Segregation, Isolation] zu bestehen. Es sei ein Beharren darauf, dass auch Juden als Kollektiv existieren dürften, nicht nur als Einzelne. Das ist ein klares Plädoyer für den zionistischen Staat, das Sznaider hier ablegt, das aber gewichtige Fragen aufwirft.

Kann es erstens jüdisch-zionistische Sonderrechte auf staatliche Existenz geben, die auf der brutalen Unterdrückung eines ganzen Volkes beruht? Zweitens: Wenn die Zionisten den Untergang ihres „jüdischen Staates“ befürchten, warum haben sie dann von Anfang an bis heute die Bildung eines palästinensischen Staates bekämpft, der die Existenz eines „jüdischen Staates“ und die friedliche Nachbarschaft mit dem palästinensischen Staat gesichert hätte? Die Verweigerung dieser Lösung, also das Bestreben, ganz Palästina zu besitzen, hat das zionistische Israel in eine existentielle Krise geführt, aus der es offensichtlich keinen Ausweg gibt.

Es stellt sich drittens eine weitere Frage: Wie kann Sznaider von der deutschen kulturellen Elite verlangen, ihm in seiner Absage an den Universalismus zu folgen und sich hinter Israels brutalen Siedlerkolonialismus und sein grausames Okkupationsregime zu stellen? Einmal abgesehen davon, dass er sich bei dieser Forderung instrumentalisierend auf den Holocaust stützt und so mit dem Genozid Unrecht rechtfertigt, war und ist das Einschlagen des universalistisch-humanistischen Weges für die deutsche kulturellen Elite nach der Barbarei des Nationalsozialismus ein großer zivilisatorischer Fortschritt – eine Errungenschaft, die es unbedingt zu verteidigen gilt. Wieso sollte sie diese Position zugunsten der Realität eines Apartheidstaates aufgeben? Die offizielle Erinnerungspolitik der deutschen politischen Elite ist genau diesen Weg gegangen und hat sich damit in eine tiefe Krise manövriert. Ihr droht das völlige Scheitern.

Israels Existenz ist nicht durch die Forderung der deutschen kulturellen Elite nach Gleichheit für alle Menschen bedroht, sondern durch eine falsche Politik des israelischen Establishments, das einem ganzen Volk die einfachsten humanen Rechte verweigert. Wie der zionistische Staat sich aus dieser selbstverschuldeten Krise befreien kann, dazu sagt Sznaider kein Wort.

 

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Palästinensische Nachrichtenagentur WAFA - 2022 07 24

Vielleicht würden wir, wenn wir einen Film über ein junges Mädchen sehen würden, das sechs Mal angeschossen wurde, verhaftet wurde, als es blutete, gnadenlos gefoltert wurde, dem die medizinische Versorgung verweigert wurde und das dennoch am Leben blieb, Übertreibung sagen. Was ist das für ein Held, der niemals stirbt!

Aber die Palästinenserin Amal hat es getan. Mit nur 20 Jahren im Jahr 2014, als sie die Vorbereitungen für ihre Hochzeit abschloss, wurde sie von den israelischen Besatzungstruppen angeschossen.

"Ich wurde mit sechs Schüssen niedergestreckt. Ich habe die schrecklichsten Formen der Folter durch die israelischen Verhörspezialisten erlitten, von schweren Schlägen bis hin zu Erniedrigungen und obszönen Beleidigungen. Die israelische Besatzung hat mich nur behandelt, um ein Geständnis zu erzwingen'', sagte Amal.

Amal erinnerte sich auch daran, dass, nachdem sie von israelischen Soldaten angeschossen worden war, israelische Siedler am Tatort erschienen und sie brutal verprügelten, während sie auf der Straße blutete. Die Soldaten hätten sich dann über eine Stunde lang an den Schlägen beteiligt. Sie wurde im Krankenhaus verhört und sagte, dass die israelischen Ärzte an ihrer Folter beteiligt waren und sich an ihren Schmerzen erfreuten.

So habe sie immer versucht, ihren Schmerz in ihrer Gegenwart zu verbergen, obwohl er durch die Kugeln in ihrem Körper quälend war.

Die Besatzungsärzte ließen sogar eine Kugel in ihrem Bein zurück, die sie als "Ehrenmedaille" betrachtete.

Amal wurde Ende 2021 nach sieben Jahren in israelischen Gefängnissen freigelassen, und erst vor wenigen Tagen gab sie ihre Hochzeit bekannt   Quelle

Israelische Siedler schwenken israelische Flaggen in der Nähe des Damaskustors während des "Flaggenmarsches" in Jerusalem am 29. Mai 2022. (Foto: Jeries Bssier)

Oberster Gerichtshof Israels entscheidet, dass Bürgern wegen "Loyalitätsbruchs" der Status aberkannt werden kann

Rechtsgruppen erwarten, dass das Gesetz unverhältnismäßig gegen palästinensische Bürger Israels eingesetzt wird, die 20 % der Bevölkerung des Staates ausmachen.

Yumna Patel - 23. 7. 2022

Der Oberste Gerichtshof Israels hat am Donnerstag entschieden, dass der Staat Menschen wegen "Loyalitätsbruchs" die Staatsbürgerschaft entziehen kann - ein Gesetz, das nach Ansicht von Rechtsgruppen gefährlich und "illegitim" ist.

Zu den Handlungen, die einen Loyalitäts- oder Vertrauensbruch darstellen können, gehören alles, was der Staat als "Terrorismus", Spionage und Verrat ansieht. Adalah, das Rechtszentrum für die Rechte arabischer Minderheiten in Israel, erklärte, das Gesetz werde wahrscheinlich dazu verwendet werden, palästinensische Bürger Israels, die 20 % der Bevölkerung des Landes ausmachen, unverhältnismäßig stark zu verfolgen.

Das Urteil erging als Reaktion auf zwei Berufungen, die von Adalah und der Association for Civil Rights in Israel (ACRI) im Namen palästinensischer Bürger Israels eingereicht wurden, die wegen ihrer Beteiligung an Anschlägen mit Todesfolge für israelische Bürger verurteilt worden waren.

Nach ihrer Verurteilung beantragte der Staat den Entzug ihrer Staatsbürgerschaft auf der Grundlage des israelischen Staatsbürgerschaftsgesetzes von 2008, das es dem israelischen Innenministerium erlaubt, mit Genehmigung des Bezirksgerichts die Staatsbürgerschaft aufgrund von "Loyalitätsbruch" zu entziehen.

Mit dem Urteil vom Donnerstag wurde der Berufung der beiden palästinensischen Staatsbürger Israels stattgegeben, die sich auf "schwerwiegende Verfahrensfehler" in den jeweiligen Fällen beriefen, wie Reuters berichtete.

Das Gericht entschied jedoch, dass das Gesetz an sich verfassungskonform sei und in anderen Fällen dazu verwendet werden könne, Menschen die Staatsbürgerschaft zu entziehen, selbst wenn ein solcher Akt die Person staatenlos machen würde.

In seinem Urteil stellte das Gericht fest, dass es "keinen verfassungsrechtlichen Fehler in der Regelung gibt, die den Entzug der Staatsbürgerschaft einer Person erlaubt, die eine Handlung begangen hat, die einen Bruch der Loyalität gegenüber dem Staat Israel darstellt, wie z.B.: ein terroristischer Akt, ein Akt des Verrats oder der schweren Spionage oder der Erwerb der Staatsbürgerschaft oder des Rechts auf ständigen Aufenthalt in einem feindlichen Staat oder in einem feindlichen Gebiet".

"Dies gilt selbst dann, wenn die Person infolge des Entzugs ihrer Staatsbürgerschaft staatenlos wird, vorausgesetzt, dass der Innenminister ihr einen Status des ständigen Aufenthalts in Israel oder einen anderen vorgesehenen Status zuerkennen muss", heißt es in dem Urteil.

Als Reaktion auf das Urteil veröffentlichten Adalah und ACRI eine gemeinsame Erklärung, in der es heißt: "Die Entscheidung des Gerichts ist sehr gefährlich, da sie auch die Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes über den "Loyalitätsbruch" bestätigt."

"Diese Entscheidung ebnet den Weg für die weitere Anwendung dieses illegitimen Gesetzes, das gegen internationales Recht verstößt. Der Oberste Gerichtshof hat diese Entscheidung getroffen, obwohl er in seinem Urteil anerkennt, dass es in keinem anderen Land der Welt ein solches Gesetz gibt", so die Gruppen.

Selektiv und diskriminierend
- In ihrem jahrelangen Kampf gegen diese Politik haben Adalah und ACRI argumentiert, dass sie speziell gegen palästinensische Bürger Israels eingesetzt wird, die eine Bevölkerung von etwa 2 Millionen haben und in Israel weitgehend als Bürger zweiter Klasse behandelt werden.

Nach Angaben von Adalah wurde seit der Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes um die Loyalitätsklausel im Jahr 2008 in 31 Fällen ein möglicher Entzug der Staatsbürgerschaft in Betracht gezogen, wobei in keinem dieser Fälle ein jüdisch-israelischer Staatsbürger betroffen war.

In seinem Urteil vom Donnerstag wies das Gericht jedoch das Argument der Gruppen zurück, dass das Gesetz in einer "selektiven und diskriminierenden Weise" ausschließlich gegen palästinensische Bürger Israels angewandt werde. Adalah und ACRI erklärten, dies sei der Fall, obwohl sie dem Gericht eine Reihe "schwerwiegender Vorfälle" nach 2008 vorgelegt hätten, bei denen israelisch-jüdische Bürger Palästinenser angegriffen hätten, die jedoch nicht zu Anträgen auf Entzug der Staatsbürgerschaft geführt hätten.

Die Oberste Richterin Esther Hayut sagte in ihrem Urteil, da nur drei Anträge auf Entzug der Staatsbürgerschaft vom Innenminister an israelische Gerichte zur Genehmigung weitergeleitet wurden, "reicht dies nicht aus, um auf ein Muster der Diskriminierung hinzuweisen".

Die Gruppe kritisierte die Entscheidung und erklärte, dass das diskriminierende Gesetz nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofs "wahrscheinlich ausschließlich gegen palästinensische Bürger Israels angewendet werden wird".

Im vergangenen Jahr entzog das israelische Innenministerium dem palästinensischen Menschenrechtsanwalt Salah Hammouri aus seiner Heimatstadt Jerusalem die Daueraufenthaltsgenehmigung wegen "Verletzung der Treuepflicht" gegenüber dem Staat und ebnete damit den Weg für Hammouris Zwangsabschiebung.

Die Gefangenenrechtsorganisation Addameer verurteilte diese Entscheidung und bezeichnete sie als Höhepunkt jahrelanger gezielter Schikanen der israelischen Regierung gegen Hammouri wegen seiner Menschenrechtsarbeit, einschließlich willkürlicher Verhaftungen und Inhaftierungen.

Hammouri befindet sich derzeit in israelischen Gefängnissen in Verwaltungshaft, einer Politik, die Israel fast ausschließlich gegen Palästinenser anwendet und die eine Inhaftierung ohne Anklage oder Gerichtsverfahren, oft unter "geheimen Beweisen", ermöglicht.   Quelle

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Die massiven Zerstörungen, die die israelischen Besatzungstruppen ham 24. 7. 2022 nach einem brutalen Militärangriff in der Altstadt von Nablus hinterlassen haben.
 

 

Die documenta15, Indonesien und das Problem geschlossener Welten

Der berechtigte Antisemitismus-Vorwurf gegen das indonesische Künstlerkollektiv Taring Padi auf der documenta15 wird international diskutiert. Doch wie kann man aus der Dialektik von Anklage und Verteidigung herausfinden und die „geschlossenen Welten“ zwischen Norden und Süden öffnen?

A. Dirk Moses - 24. Juli 2022

Das Künstlerkollektiv Taring Padi wurde nach dem Sturz des indonesischen Langzeitherrschers Haji Suharto im Jahr 1998 gegründet. Es ist ausgesprochen radikal, antimilitaristisch, antineoliberal, unterstützt die Arbeiter-, Bauern- und Frauenbewegung und setzt sich für Umweltschutz ein. Kurz nach seiner Gründung im Jahr 2002 schuf das Künstlerkollektiv als direkte Antwort auf die Diktatur des Suharto-Regimes sein größtes Gemälde: Es trägt den Titel „People’s Justice“ („Volksjustiz“). Das Bild stellt ein Volksgericht dar – an seiner Spitze befinden sich die Richter, zur Linken die Feinde des Volkes. Darunter erblickt die Betrachterin karikaturistische Figuren, die wiederum für die westlichen Staaten stehen, die Suhartos Regime unterstützten. Über 20 Jahre lang wurde „People’s Justice“ auf internationalen Kunstmessen gezeigt, das erste Mal im südaustralischen Adelaide. Die Kurator:innen der documenta fifteen entschieden sich dafür, das Bild an den prominentesten Platz der Ausstellung zu platzieren, um so das Publikum direkt mit der Thematik der Reparation des (Neo-)Kolonialismus und des Kapitalismus zu konfrontieren. Bis zur documenta im Jahr 2022 scheint die antisemitische Karikatur des orthodoxen Juden inmitten der zahlreichen anderen Figuren auf der überfüllten Leinwand niemandem aufgefallen zu sein. Verständlicherweise jedoch rief das Bild in Deutschland einen Sturm der Entrüstung hervor; es wurde bald abgedeckt und dann entfernt.

Sollten das Gemälde und seine Hängung auf der documenta ursprünglich den Westen für seine Unterstützung des Suharto-Regimes anklagen, fiel es jetzt auf die Künstler:innen, das indonesische Künstlerkollektiv ruangrupa, das die documenta kuratiert hatte, die Leitung der documenta und die lokalen, regionalen und nationalen deutschen Kulturpolitikerinnen und -politiker zurück. Zahlreiche Journalist:innen und Politiker:innen aus den Reihen der CDU/CSU bis hin zur AfD ergriffen die Gelegenheit, eine Kampagne gegen den von ihnen offenbar erst kürzlich entdeckten Postkolonialismus zu lancieren – und dies, obwohl sich Taring Padi mehr als linksradikale Künstler-Aktivist:innen denn als Teil einer globalen postkolonialen Bewegung verstehen. Den Kritikern diente das Gemälde aber auch dazu, die palästinensischen Künstler:innen an der documenta des Antisemitismus zu bezichtigen – und schließlich, um selbst noch die geringe künstlerische Unabhängigkeit in Frage zu stellen, über welche Kulturinstitutionen in Deutschland verfügen. Es ist sogar die Rede davon, dass der deutsche Kultursektor sich einem „Selbstreinigungsprozess“ unterziehen soll, um sich von seiner vermeintlichen Sympathie für die Menschenrechte von Palästinenserinnen und Palästinensern zu lösen.  mehr >>>

 

 Dokumentation - Antisemitismusdebatte documenta

 

Die 5 Denkanstöße der Woche

The PIPD Weekly Updates | 10 - 22 Juli 2022
The Palestine Institute for Public Diplomacy

 

1. Gemeinsame Erklärung von neun EU-Mitgliedstaaten, in der sie die israelische Kriminalisierung der sechs palästinensischen NGOs zurückweisen.
 

In Anbetracht ausbleibender Beweise kündigten die Staaten an, ihre Unterstützung der palästinensischen NGOs wieder aufzunehmen. Zwei Wochen zuvor hatte auch die Europäische Kommission angekündigt, dass sie die Aussetzung der Finanzierung von Al-Haq und PCHR rückgängig machen und wieder aufnehmen wird, nachdem sie deren Gelder aufgrund falscher Verdächtigungen, die von Israel und diffamierenden Gruppen verbreitet wurden, unrechtmäßig eingefroren hatte.

 

➡️ Eine willkommene Nachricht, die zwar nicht alle rechtlichen Fragen für die NGOs und ihre internationalen Partner löst, aber dennoch ein sehr gutes Signal sendet. 

 

2. Biden besucht Israel, Palästina und Saudi-Arabien.

Während der US-Präsident mit seiner Reise vor allem das Bündnis USA–Israel–Saudi-Arabien stärken möchte, bleibt für die Palästinenser die Aussicht auf schnelleres Internet. Auf den sozialen Medien parodierten Palästinenser den Erwerb von 4G anstelle von Rechten. Auch in seinem Treffen mit Abbas wurden lediglich alte Phrasen wiederholt. Das Weiße Haus stellt indes $316 Millionen Dollar zu Verfügung, quasi um die Palästinenser zu besänftigen. Während eines Interviews mit dem israelischen Channel 12 kritisierte Biden andere US-Demokraten dafür, Israel als Apartheid zu bezeichnen, da ein "stabiles Israel" ein "vorrangiges Interesse" der Vereinigten Staaten sei. 

 

Kommentare 

Sarah Leah Witson kritisiert das Konzept einer "menschenrechtsbasierten US-Außenpolitik", was ähnliche Schlüsse hinsichtlich Deutschlands Außenpolitik nahelegt.

 

3. Bidens Worte an die Palästinenser stehen in keinerlei Zusammenhang mit der Politik und den tatsächlichen Maßnahmen der USA. 

 

3. In der Zwischenzeit hat der US-Kongress sein jährliches Gesetz zur nationalen Verteidigung verabschiedet und den Haushalt des Pentagon mit rekordverdächtigen 839 Milliarden Dollar ausgestattet. Darin enthalten ist die direkte Militärhilfe für Israel (3,3 Mrd.). Der Antrag zur vorübergehenden Begrenzung der Waffenverkäufe an Saudi-Arabien und zur Beschaffung von Informationen über Jamal Kashoggi wurde angenommen.  

 

Im Fall von Shireen Abu Akleh lehnten die Abgeordneten den Antrag zur Erzwingung einer FBI-Untersuchungen ab. Die vage Erklärung des US-Außenministeriums, Schuld sei zwar wahrscheinlich die israelischer Seite, der Schuss sei jedoch “unbeabsichtigt” gewesen, reichte weder der Familie Abu Akleh noch einer Reihe von US-Senatoren aus. Unmittelbar vor Bidens Besuch bei den Israelis adressierten zwei verschiedene Gruppen von Senatoren offizielle Briefe an Außenminister Blinken

 

Alle Einzelheiten zu dem Gesetzentwurf und den Änderungsanträgen, die sich auf die Region beziehen, finden Sie in der stets informativen und gründlich dokumentierten Übersicht über die Gesetzgebung von Lara Friedman.


➡️ Die US-Regierung entzieht sich auch im Fall Abu Akleh ihrer Verantwortung. Es wird deutlich, dass Verbrechen selektiv nachgegangen werden, je nach politischem Interesse.


4. Digitale Unterdrückung in der MENA-Region verschärft sich. Regierungen auf der ganzen Welt verfügen über mächtige digitale Werkzeuge zur Kontrolle und Unterdrückung ihrer Bevölkerung, die von Spionagesoftware und der Manipulation sozialer Medien bis hin zu Gesichtserkennung und Massenüberwachung reichen.
Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Israel führen die Repression in der MENA-Region tabellarisch an.

 

Ein gutes Beispiel dafür liefert Israels neues "Facebook-Gesetz". Das Gesetz erlaubt es den israelischen Behörden, nicht nur Inhalte in sozialen Medien zu entfernen, sondern Inhalte auf sämtlichen Websites zu löschen. Der israelische Generalstaatsanwalt kann vor Gericht zudem geheime Beweise verwenden, um Inhalte zu entfernen. 

 

➡️ Gemessen an den Menschenrechtsverbrechen überrascht es nicht, dass Saudi-Arabien, die VAE und Israel diese Liste anführen. 
 

5. Documenta-Kampagne gegen unliebsame Auseinandersetzung. Monatelang hielt die "Antisemitismus"-Kampagne gegen die Documenta Fifteen, vor allem gegen das palästinensische Künstlerkollektiv, unbegründet an. Ende Juni wurde dann im Werk eines indonesischen Kollektivs eine antisemitische Bildsprache ausgemacht. Seitdem herrscht eine regelrechte Hetzjagd auf “die Verantwortlichen”. Die FAZ und Springer-Medien verleumdeten kürzlich eine jüdisch-progressive Berater*innen der Documenta als "antisemitisch". Die Documenta-Chefin, Sabine Schormann, trat aufgrund der Kampagne bereits zurück. Einige Berater*innen und Künstler*innen reisten aufgrund dieses toxisch-deutschen, "postkolonialen" Klimas frühzeitig ab.  

 

Hintergrund

Das ursprüngliche Anliegen der Documenta Fifteen, ein Forum für den kulturellen Dialog zwischen Nord und Süd zu fördern, wurde seit Monaten unter dem Vorwand der "Antisemitismus"-Bekämpfung von deutscher Seite aus torpediert.


➡️ Keine künstlerisch-kritische Auseinandersetzung zu inhaltlichen Themen wie Postkolonialismus oder Antisemitismus im Sinne des Austauschs zwischen Nord und Süd: In der Kampagne geht es allein darum, das Image zu bewahren - und speziell die öffentliche Meinung zu Israel in Deutschland hochzuhalten. 


In Gaza stirbt man tausendfach

Yasmin Abusayma - 23. Juli 2022 - Übersetzt mit DeepL

Ich war 14 Jahre alt, als ich zum ersten Mal von dem Wort "Blockade" hörte. Ich erinnere mich noch an den Moment, als ich meine Mutter fragte, was es bedeutet. Sie antwortete, indem sie versuchte, es für einen jungen Teenager so einfach wie möglich zu machen. "Israel wird die totale Kontrolle über unser Leben haben, wie es scheint. Es werden uns noch mehr Einschränkungen auferlegt, sagen sie. Niemand weiß, wann das enden wird und wie lange es dauern wird. Die Situation verheißt nichts Gutes."

Ich tat so, als würde ich verstehen, was sie meinte. Jetzt weiß ich es. Die Blockade ist eine erdrückende Belagerung, die Israel dem Gazastreifen nach den Parlamentswahlen 2006 auferlegt hat, die von der Hamas gewonnen wurden. Im darauf folgenden Juni übernahm die Hamas die volle Kontrolle über den Gazastreifen und Israel verschärfte die Belagerung.

Seitdem werden alle Menschen im Gazastreifen am Rande einer humanitären Katastrophe gehalten, mit geringen Aussichten auf eine bessere Zukunft und kaum einer Chance auf eine Verbesserung unserer Gegenwart. Seitdem ist es unmöglich, die notwendige Ausrüstung zur Verbesserung der Infrastruktur des Gazastreifens - von der Kanalisation bis zu den Straßen - zu importieren. Wir haben einen ständigen Mangel an Medikamenten. Die meisten Baumaterialien sind verboten, ebenso wie neue Technologien.

Seitdem stagniert der Gazastreifen und die Armut hat sich verschärft.

Und seither konnte ich den Gazastreifen nicht mehr verlassen. Fünfzehn Jahre, in denen ich den Gazastreifen nicht verlassen konnte, nicht einen einzigen Tag; 15 Jahre Leid, das kein Ende zu haben scheint; 15 Jahre Stromabschaltungen; 15 Jahre Drohnen, die am Himmel schweben und meinen Seelenfrieden zerstören.

Die Liste lässt sich fortsetzen.

Abgeschnitten und missverstanden
- Ich bin Mutter geworden. Ich wollte ein bestimmtes Spielzeug für den Geburtstag meiner Tochter kaufen. Ich konnte es nur online finden, weil es hier nicht erhältlich ist. Ich ging über AliExpress, eine Online-Einkaufsplattform, die zur chinesischen Alibaba-Gruppe gehört. Aber als ich einen Artikel auswählte, erfuhr ich, dass die Plattform keine Adressen in Palästina unterstützt.

Wie erklärt man das einem 3-jährigen Kind, das nur spielen will? Wie erklärt man, dass man kein PayPal-Konto eröffnen kann, wenn man Palästinenser in den besetzten Gebieten ist?

Ich arbeite als freiberufliche Übersetzerin und Autorin. Als ich anfing, baten mich viele Kunden, ein PayPal-Konto für Geldüberweisungen einzurichten. Aber nur Israel ist aufgeführt, Palästina gibt es nicht. Das hat mich verärgert. Also musste ich eine Alternative finden.

Ich habe einmal mit einem Deutschen hier in Gaza gearbeitet, der sich über die Trockenheit beklagte. "Warum ist das Wasser hier so salzig?", fragte sie mich. "Kann man irgendetwas tun, um sein Haar zu schützen?" Ich schwieg einen Moment und dachte über eine passende Antwort nach. Am Ende habe ich mich zurückgehalten. "Wir haben uns daran gewöhnt." Die Wahrheit ist, wie sie wahrscheinlich hätte wissen müssen, dass 97 Prozent des Leitungswassers in Gaza ungenießbar ist.

Da die Behörden aufgrund der israelischen Blockade nicht in der Lage sind, die Abwassernetze zu reparieren, und die Kläranlagen durch Stromausfälle beeinträchtigt sind, werden 80 Prozent der Abwässer des Gazastreifens unbehandelt ins Meer geleitet. Der Rest gelangt in die unterirdischen Grundwasserleiter des Gazastreifens und vergiftet das Wasser. Daher auch der salzige Geschmack.

Ich bin 28 Jahre alt. Jetzt verstehe ich, was meine Mutter meinte: Wir sind von der Welt isoliert, so wie die Welt von uns isoliert ist.

Zerstörte Ziele
- "Die 15-jährige Blockade hat mein Leben als Fußballspieler zerstört. Meine Träume sind durch das Leben in diesem Freiluftgefängnis zerschlagen worden. Unser Leben in Gaza wird jeden Tag härter und härter", sagt Hilal al-Ghawashi, 25. Hilal lebt in Zawayda im zentralen Gazastreifen und hat einen Abschluss in Öffentlichkeitsarbeit von der Universität Palästina. Doch im Moment geht er seiner Leidenschaft als Profifußballer nach.

Tatsächlich ist der junge Mann einer der besten Fußballspieler im Gazastreifen. Mehr wird er vorerst nicht sein. Die Fußballvereine des Gazastreifens können nur selten außerhalb des Gazastreifens antreten, da sie eine israelische Ausreisegenehmigung benötigen. Sie können nicht einmal im Westjordanland spielen, das Hilal eigentlich wegen der besseren Ausbildung und der besseren Bezahlung ins Auge gefasst hatte.

2019 schaffte es Hilals Verein Khadamat Rafah bis ins palästinensische Pokalfinale. Dort hätten sie gegen Markez Balata aus dem Westjordanland spielen sollen, und der Sieger hätte sich für den regionalen Asien-Pokal qualifiziert.

Doch von 22 Spielern und 13 Vereinsfunktionären erhielten nur vier eine Ausreisegenehmigung von Israel, so Hilal. Und selbst nach der Intervention der israelischen Menschenrechtsorganisation Gisha erhielten nur 12 Personen die Genehmigungen, darunter sechs Spieler. Für eine vollständige Mannschaft ohne Auswechselspieler sind 11 Personen erforderlich.

"Mein Antrag auf eine Genehmigung wurde zusammen mit den übrigen Teammitgliedern unter dem Vorwand abgelehnt, dass wir eine Sicherheitsbedrohung darstellen. Ich gehöre keiner politischen Partei an", erklärte Hilal gegenüber The Electronic Intifada.

Auf diese Weise, so Hilal, habe er im Laufe der Jahre aufgrund der israelischen Reisebeschränkungen viele Gelegenheiten verpasst. Ihm wurde angeboten, für Balata im Westjordanland und für den Verein Hilal al-Quds zu spielen, aber beide Male wurde sein Antrag auf eine Genehmigung abgelehnt. "Ich habe keine Ahnung, auf welcher Grundlage Israel die Genehmigungen von Sportlern verweigert. Das ist so ungerecht. Ich strebe nach dem Höchsten. Ich möchte der beste Spieler der Welt sein, aber Israel steht mir im Weg."

Wenn nur ...
Ali kommt aus Deir al-Balah. Der 21-Jährige hat ein Diplom in Betriebswirtschaft. Er arbeitete ein Jahr lang als Freiwilliger im Gesundheitsministerium von Gaza, bevor er aus gesundheitlichen Gründen aufhören musste. Schließlich wurde bei Ali - der seinen richtigen Namen nicht nennen wollte, weil er befürchtete, dass er den Gazastreifen für eine Behandlung nicht verlassen könnte - Colitis ulcerosa diagnostiziert, eine chronische Erkrankung des Dickdarms. Obwohl sie chronisch ist, lässt sie sich mit den richtigen Medikamenten und der richtigen Behandlung in den Griff bekommen. Ali wurde in Gaza operiert, bemüht sich aber um eine bessere Behandlung im Ausland. Das Gesundheitssystem des Gazastreifens steht aufgrund der israelischen Blockade und der Covid-Pandemie unter extremem Druck.

"Jahrelang habe ich an alle zuständigen Institutionen und Beamten appelliert, mich außerhalb des Gazastreifens behandeln zu lassen. Erst im Mai dieses Jahres konnte ich durch die Koordination des Gesundheitsministeriums eine ärztliche Überweisung für eine Behandlung im Westjordanland erhalten." Jetzt wartet er darauf, ob er die nötigen finanziellen Mittel erhält, um ins Westjordanland zu reisen, wo er operiert werden soll. Außerdem wartet er darauf, dass er regelmäßig außerhalb des Gazastreifens behandelt werden kann, wie es sein Zustand erfordert.

Ali wies darauf hin, dass nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation die Zahl der medizinischen Überweisungen, die Israel im Jahr 2021 gewährt hat, zwar zurückgegangen ist, dies aber nur für den Gazastreifen gilt. "Die durchschnittliche Zahl der Überweisungen aus dem Westjordanland blieb stabil", sagte Ali, ein weiterer Grund, warum die Blockade des verarmten Küstenstreifens ihm und anderen schadet. "Ich habe das Gefühl, in einem kleinen Käfig eingesperrt zu sein. Meine Flügel sind gestutzt. Der Zugang zu grundlegenden Rechten ist ein Traum, der nie wahr geworden ist. Mein Leben hat in dem Moment aufgehört, als ich wusste, dass ich ein ernstes Gesundheitsproblem habe. Denn in Gaza stirbt man tausendmal, bevor man eine Behandlung bekommt."

Dass er nicht arbeiten konnte, hatte weit reichende Folgen. Sein Vater, ein Landwirt, war sowohl auf Alis Einkommen als auch auf seine Hilfe bei der Versorgung seiner drei Brüder und zwei Schwestern angewiesen. Wie viele in Gaza fragt sich auch Ali, was hätte sein können. "Wenn es keine Blockade gäbe, wäre ich Ingenieur und würde in meiner eigenen Firma arbeiten. Ich wäre gesund genug, um Fußball zu spielen. Ich wäre in der Lage gewesen, eine eigene Familie zu gründen. Und selbst wenn das alles nicht passiert wäre, wäre ich zumindest ein freier Mensch gewesen."  Quelle

Beiträge geben nicht unbedingt und in allen Aussagen  die Meinung der Redaktion wieder.
 

Eine kleine Auswahl weiterer Nachrichten und  Texte,  in meist englischer Sprache

Foreign Ministry welcomes EU report on Israeli settlements

Prime Minister condemns Israeli army killing of two Palestinians in Nablus

WAFA: “75 Palestinian Detainees Start Hunger Strike in Solidarity With Two Striking Detainees” (imemc.org)

Palestinian Seriously Injured After Being Stabbed In Haifa (imemc.org)

Israeli Army Attacks Farmers, Shepherds, And Fishermen In Gaza (imemc.org)

Israeli Colonizers Cause Damage To Many Palestinian Cars In Jerusalem (imemc.org)

Updated: “Israeli Soldiers Kill Two Palestinians, Injure Nineteen, In Nablus” (imemc.org)

Israeli Colonizers Cause Damage To Many Palestinian Cars In Jerusalem (imemc.org)

President Abbas discusses developments with Jordan’s King Abdullah

Israel orders halt on construction works in three homes south of Hebron

Israeli Soldiers Abduct Two Palestinians In Bethlehem (imemc.org)

Israeli Navy Attacks Fishermen In Northern Gaza (imemc.org)

PLO official says UNRWA suffers fiscal crisis, needs international support

Presidency denounces Israel’s killing of two Palestinians in Nablus

Soldiers Shoot Five Palestinians In Kufur Qaddoum (imemc.org)

Occupation forces arrest three young men in Jerusalem


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