Ramallah, 2. December 2020—Israelische
Behörden nehmen routinemäßig palästinensische Kinder gefangen
und isolieren sie rein zu Verhörzwecken, einer Praxis, die auf
Folter oder eine grausame, unmenschliche oder degradierende
Behandlung oder Bestrafung hinausläuft. Das besagte heute ein
veröffentlichter von Defense for Children International –
Palestine veröffentlichter Bericht.
Der Bericht, der 73 Seiten beinhaltet, “Isolated
and Alone: Palestinian children held in solitary confinement by
Israeli authorities for interrogation,” (siehe
Bericht: Isoliert und alleine: Palästinensische Kinder von den
israelischen Behörden in Einzelhaft zwecks Befragung gehalten)
bewertet und detailliert Muster der Verhaftungen,
Untersuchungsbedingungen und Verhörpraktiken israelischer
Behörden. Der Bericht schlussfolgert, dass die physische und
soziale Isolation palästinensischer Kinder zu Verhörzwecken
durch die israelischen Behörden eine Praxis ist, die Einzelhaft
darstellt, was nach internationalen Rechtsnormen auf Folter oder
grausame oder unmenschliche oder degradierende Behandlung
hinausläuft.
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Über einen Zeitraum von vier Jahren, zwischen dem 1. Januar 2016
und 31. Dezember 2019, dokumentierte DCIP 108 Fälle, bei denen
palästinensische Kinder vom israelischen Militär zwei Tage oder
länger während der Verhörzeit in Isolation gehalten wurden.
Die von DCIP gesammelten Beweise und Dokumentationen weisen
überwiegend daraufhin, dass die Isolation palästinensischer
Kinder im israelischen Militärgefängnissystem nur praktiziert
wird, um ein Geständnis für eine bestimmte Straftat zu erhalten
oder durch das Verhör Informationen zu sammeln. DCIP hat keinen
Nachweis gefunden, der die Anwendung einer Isolation
palästinensischer Kinderhäftlinge rechtlich rechtfertigt, wie
zum Beispiel aus disziplinarischen, protektiven oder
medizinischen Gründen. Einzelhaft wurde fast ausschließlich
während der Anklageerhebung und Untersuchungshaft eingesetzt.
Die Praxis wird in der Regel nicht angewandt, nachdem Kinder
verurteilt wurden und ihre Strafen verbüßen.
“Das internationale Recht verbietet den Einsatz von Einzelhaft
und ähnlichen Maßnahmen, die eine grausame, unmenschliche oder
degradierende Behandlung Kindern gegenüber darstellen. Dennoch
halten israelische Behörden die Kinder häufig auf diese Art
gefangen“, sagte Khaled Quzmar, Generaldirektor des DCIP. “Es
ist weithin bekannt, dass diese Praxis sowohl unmittelbare als
auch langfristige psychologische Schäden bei den Kindern
verursacht. Sie muss sofort beendet werden, und das Verbot muss
im Gesetz verankert werden.”
Die Isolation der palästinensischen Kinderhäftlinge folgt in der
Regel nach einer militärischen Verhaftungs- und
Überstellungsperiode, in der die Kinder physischer Gewalt und
anderen Arten einer Misshandlung ausgesetzt sind. Während die
Kinderhäftlinge in Isolation sind, haben sie keinen sinnvollen
menschlichen Kontakt, da die Interaktion mit anderen oft nur mit
ihrem Vernehmungsbeamten stattfindet. Mahlzeiten werden den
Kindern durch eine Klappe in der Türe verabreicht. Die Kinder
berichten auch häufig über deutlich schlechtere Zellbedingungen
im Vergleich zu den Zellen, in denen sie während anderer
Haftzeiten untergebracht waren. Die Bedingungen in Isolierzellen
sind häufig durch unzureichende Belüftung, 24-Stunden Licht,
keine Fenster, unhygienische Bettwäsche und
Toiletteneinrichtungen sowie feindliche
Architekturbesonderheiten, wie zum Beispiel Mauervorsprünge,
gekennzeichnet.
Das israelische Recht gewährt palästinensischen Minderjährigen
bei dem Verhör nicht das Recht auf die Anwesenheit eines
Elternteils oder Anwalts. Die Verhörtechniken sind oft
psychisch und physisch zwangsweise, eine Kombination aus
Einschüchterung, Bedrohung, verbalem Missbrauch und körperlicher
Gewalt deren klares Ziel, ein Geständnis zu erhalten, ist.
In allen 108 Fällen, die DCIP dokumentierte, verhörten die
israelischen Behörden die inhaftierten palästinensischen Kinder,
ohne dass ein Anwalt oder ein Familienmitglied anwesend war, und
eine Beratung vor dem Verhör wurde den Kindern überwiegend
verweigert. Die israelischen Behörden setzen Zwangstaktiken ein,
darunter den Einsatz von Informanten, was dazu führt, dass die
Kinder ungewollt einige belastende Aussagen machen oder sogar
falsche Geständnisse ablegen.
Israel hat den zweifelhaften Ruf, das einzige Land in der Welt
zu sein, das systematisch jedes Jahr zwischen 500 – 700 Kinder
durch Militärgerichte verfolgt. DCIP schätzt, dass die
israelischen Militärbehörden seit dem Jahr 2000 13.000
palästinensische Kinder verhaftet, verhört, strafrechtlich
verfolgt und ins Gefängnis gesteckt haben.
Wichtigste Ergebnisse
der 108 von DCIP dokumentierten Fälle zwischen dem 1. Januar
20116 und 31. Dezember 2019:
• Die durchschnittliche Dauer der Isolation betraf 14.3 Tage.
• Fast 40 Prozent (43 Kinder), durchlitten eine verlängerte
Isolierzeit von 16 oder mehr Tagen
• Bei allen Fällen handelte es sich um palästinensische Jungen
im Alter zwischen 14 und 17 Jahren, darunter 70 im Alter von 17
Jahren, 30 im Alter von 16 Jahren, sieben im Alter von 15 Jahren
und ein Vierzehnjähriger.
• In den meisten Fällen wurden die palästinensischen Kinder
unrechtmäßig in Haft- und Verhöreinrichtungen gebracht, die
innerhalb Israels vom Israelischen Gefangenendienst (IPS) und
der Israelischen Sicherheitsagentur betrieben oder kontrolliert
werden, was gegen die Vierte Genfer Konvention verstößt.
‣ Mindestens 52 Kinder wurden im Al-Jalame (auch als Kishon
bekannt) -Verhör- und Haftzentrum festgehalten;
‣ Mindestens 29 Kinder wurden im Petah Tikva-Verhör- und
Haftzentrum,
‣ mindestens 32 im Megiddo-Gefängnis und
‣ mindestens 14 im Al-Mascobiyya-Verhör- und Haftzentrum
festgehalten.
• In 102 von 108 Fällen (94 Prozent) hatten Kinder keinen Zugang
zu einer rechtlichen Beratung vor den Verhören.
• In allen 108 Fällen hatten Kinder vor den Verhören keinen
Anwalt oder kein Familienmitglied, der bei ihrem Verhör anwesend
war.
• 62 Kinder (57 Prozent) berichteten, dass die
Vernehmungsbeamten sie nicht richtig über ihre Rechte vor dem
Verhör aufgeklärt haben, auch nicht über ihr Recht, zu
schweigen.
• In 86 Fällen (80 Prozent) wurde über die Kinder, die in
Isolation gehalten wurden, berichtet, dass sie Stresspositionen
bei ihrem Verhör einnehmen mussten. Meistens waren ihre
Gliedmaßen längere Zeit an einen niedrigen Metallstuhl gebunden,
eine Haltung, die sie als akut schmerzhaft beschrieben.
• In 73 Fällen (68 Prozent) wurden die Kinder Informanten
ausgesetzt, während sie in Isolation gehalten wurden. Viele
dieser Kinder wurden später dann mit belastenden Aussagen, die
sie dem Informanten gegenüber geäußert haben, konfrontiert,
• DCIP ist der Ansicht, dass die physische und soziale
Isolation der palästinensischen Kinder zu Verhörzwecken durch
die israelischen Behörden eine Praxis ist, die Einzelhaft
darstellt, was einer Folter oder einer grausamen, unmenschlichen
oder degradierenden Behandlung oder Bestrafung gleichkommt.
Quelle
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(Aus dem Englischen übersetzt von Inga Gelsdorf) |