*Ein palästinensischer
Kommentar zu den amerikanischen Wahlen*
Die Palästine Update Nr. 422, 2. Spezialausgabe
- 23.11.20
*Susan Abulhawa*
Als Ergebnis der US-Präsidentenwahlen, die letzte Woche
hereinkamen, war die Reaktion quer durch das Land zumindest bei
den Linken unglaublich. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass
der Wettlauf so eng werden würde nach vier Jahren Donald Trump,
dessen Administration – darüber waren sich alle klar – irre und
schlecht war. Sie haben recht, dass sein offenkundiger
Rassismus, seine Anstiftung zur Gewalt und sein ausgesprochener
Frauenhass häufiger angesprochen wurden als ein solcher bei
früheren US-Präsidenten, die dazu geneigt waren, ihre Impulse
für alles Angeführte mit einem sozialen Anstrich zu entschärfen.
Es steht auch außer Frage, dass Trump nicht
das geringste Mitleid mit anderen aufbringt. Aber ist er
wirklich so anders als seine Vorgänger? Brutaler? Rassistischer?
Mehr egomanisch? Ich glaube nicht. Donald Trump war der
aufrichtigste Ausdruck der Vereinigten Staaten, den wir je bei
einem Präsidenten gesehen haben. Für alle, die die schiere
Barbarei des US-Krieges beobachtet oder gefühlt haben und die
Überwachung der Industrie in der ganzen Welt, ist das klar.
Natürlich sind der Schrecken und der Abscheu, den US-Bürger
gegen die Trump-Administration fühlen, gerechtfertigt. Die
Trennung und das Einsperren von Familien, die von ihm bewacht
Zuflucht an der Grenze suchen mussten, sein Anschwärzen von
Frauen, seine Hervorkehrung der weißen Überlegenheit und
Bevorzugung rassistischer paramilitärischer Milizen, seine zur
Schau getragene Vetternwirtschaft, Interessenkonflikte,
Benutzung des Amtes für Selbstbereicherung, und sein
Missmanagement der Pandemie, dunkle Geschäfte und
Steuerhinterziehung sind für die Leute in den USA schockierend -
und für die ganze Welt. Die Wahrheit aber ist, dass das Einzige,
das in wirklich von den früheren Präsidenten trennt, ist, dass
er den Ethos der Überlegenheit, des Rassismus und der Trennung
nach innen kehrte, während seine Vorgänger - bei aller ihrer
Höflichkeit, zu bestimmten Zeiten Beredsamkeit, gewinnendem
Lächeln und sogar Launen – auf die Menschen in der Welt
ausschütteten, die sich nicht wehren konnten.
Sag‘ mir, wo ist das Wort Trumps vom „Rücktritt und jederzeit
zur Verfügung stehen“ großartiger als das Legen von Bombenteppichen
auf die Wasser-Infrastruktur im Irak von Präsident Bill Clinton,
um abzulenken von seinem häuslichen Sex-Skandal mit Monika
Lewinsky?
Oder noch unerhörter, wenn der US-Botschafter der
UNO-Mitarbeiterin Madeleine Albright erklärt hatte, dass 500.000
tote irakische Kinder als Folge der US-Sanktionen „es wert sind“
(vermutlich wert sind, eine antike Zivilisation zu zerstören, um
an ihr Öl heranzukommen und die israelische Hegemonie in der
Region sicher zu stellen?). Oder noch unerhörter, dass die
Staatssekretärin Hillary Clinton hinwarf: „Wir kamen, wir sahen,
er starb“ über die grausige Ermordung des libyschen Führers
Muammar Gaddafi und noch die völlige Dezimierung einer früher
gut funktionierenden arabischen und afrikanischen Nation
Generationenlange Zerstörung und Schmerz, der dem globalen Süden
aufgebürdet wurde. - Es ist wahr, dass der Gewinn von fast
der Hälfte der Stimmen für Trump auf das bereits bestens
bekannte Gefühl hindeutet, worüber Schwarz-Amerika bereits
jahrzehntelang gesprochen hat – dass dieses Land rassistisch ist
wie die Hölle. Aber was sagt der blanke Schock, Unglaube und
Beleidigung vieler von „der anderen Hälfte“, die gegen Trump
sind, über die USA?
Er sagt, sie hätten nie bemerkt – oder sich darum gekümmert,
dies zu bemerken – wie die derzeitige unsagbare
generationenlange Zerstörung und der Schmerz, den die USA dem
Globalen Süden, und besonders den arabischen Ländern angetan
haben - die den USA nichts getan haben - die aber als Ergebnis
der US-Kriegsindustrie ständig zittern und in unbeschreib-lichen
Ängsten leben müssen. Zu dieser Hälfte der Vereinigten Staaten
sage ich: „Ihr liegt falsch – Trump ist keine Verirrung. Er ist
im Ganzen gesehen das getreueste Gesicht dieses Landes,
ausgenommen von einer Minderheit, die ein Gefühl haben für
Geschichte und globale menschliche Solidarität.
Diese Hälfte der USA, die jetzt Biden’s Sieg feiert, frage ich:
Was werdet ihr tun, wenn er einen neuen Krieg vom Stapel lässt?
Denn das wird er tun. Das ist das einzige, das den
US-Präsidenten zu tun einfällt, wenn sie ihre Popularität
steigern müssen. Und in einem Land, das jetzt so gespalten ist,
ist es fast sicher, dass Biden diesen Weg nehmen wird. Er hat
schon angedeutet, dass man den Iran auf seinen Platz stellen
müsse, und weil die USA in den meisten Dingen den Wünschen
Israels zu entsprechen scheinen, kann dieses zum neuesten Ziel
des Imperialismus der USW werden.
Dieser leicht von der Redaktion
überarbeite Artikel erschien im Original am 12. November bei Al
Jazeera unter dem Titel: „Donald Trump ist das treueste Gesicht
der Vereinigten Staaten.“
Susan Abulhawa ist eine palästinensische Schriftstellerin und
die Autorin des internationalen Bestsellers „Mornings in Jenin“
(= Die Morgen in Jenin) (Bloomsbury 2010); ihr jüngster Roman
ist „Against the Loveless World“ (=Gegen die liebesleere Welt)
(Simon and Schuster, 2020)
Quelle
Quelle Update
Übersetzung: Gerhilde Merz) |
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Wer
denkt bei Bethlehem nicht an die Geburt Jesu, an Weihnachten?
Doch wie christlich ist Bethlehem noch?
Ursula Mindermann - 4. 12. 2019
Die Christinnen und Christen in Palästina haben einen schweren Stand,
manche gehen aufgrund der Übergriffe von Siedlern, von
israelischem Militär und eben den Einschränkungen im täglichen
Leben und durch die Besatzung davon aus, dass es in ca 10 Jahren
keine Christen mehr in Bethlehem geben wird. Bethlehem, die
Kleinstadt in Palästina wird allein in der Weihnachtszeit von
über 100.000 BesucherInnen besucht. Da die westlichen Christen
am 25.12, die orthodoxen am 7.1. und die armenischen Christen am
9.1. Weihnachten zelebrieren, entzerrt sich der Andrang ein
wenig. Die meisten Touristen bleiben im Schnitt knapp 3 Stunden,
leider ohne die Wirtschaft dort nachhaltig zu stärken, sprich:
ohne den Kauf von Souvenirs.
Die Zahl der Christen in Bethlehem nimmt ständig ab. In den
letzten 70 Jahren sank die Zahl von über 86% auf unter 10%. Als
Gründe werden in erster Linie die Einschränkungen durch die
israelischen Besatzung, die schlechte wirtschaftliche Situation,
die Lebensbedingungen und nicht zuletzt auch die geringen
Bildungschancen genannt und veranlasst viele Christen zum
Verlassen Palästinas.
Es ist eine Frage der Zeit, wann christliche Kultur und Religion
im Land des Urspungs des christlichen Glaubens nur noch
historischen Wert haben wird – wann christliche Stätten
verkommen, weil sie nicht gepflegt werden. Es ist eine Frage der
Zeit, wann christliche Traditionen eine Episode in der
gebeutelten Geschichte Palästinas darstellen werden.
“Tatsächlich ist Jesu Geburtsort nicht mehr ein Fanal der
Hoffnung, sondern wird immer mehr zu einem Symbol für das, was
mit Israels Besatzung des palästinensischen Landes falsch
läuft.” – Ellen Rohlfs
Weitere Bilder:
www.um-photo.art/Palestine/Bethlehem >>>
|
Ali
ist tot, ein 12 Jahre altes Kind, das vor 3 Stunden von einem
zionistischen Besatzungsscharfschützen erschossen wurde.
Younes Arar - 4. 12. 2020 - Übersetzt mit
DeepL
Er wurde im Krankenhaus von Ramallah mehr als zwei Stunden lang operiert,
aber sie konnten sein Leben nicht retten. Sein kleiner zarter
Körper hat es nicht ausgehalten. Mein Herz tut ihm sehr weh, ich
kann mir nicht einmal vorstellen, wie sich das Herz seiner
Mutter jetzt anfühlt, zu wissen, dass das Leben ihres kleinen
Jungen einfach so genommen wurde, so einfach von einem
zionistischen Besatzungssoldaten, der dazu erzogen wurde,
Palästinenser völlig zu hassen, bereit, sie kaltblütig und mit
einem breiten Lächeln zu töten, weil sie sich weigern, ihr Land
und ihre Häuser zu verlassen, nur um sie zu töten, weil sie
Palästinenser sind. Das palästinensische Kind Ali Ayman Abu
Elayah aus dem Dorf Almghayer wurde vor wenigen Minuten für tot
erklärt. Ruhe in Frieden, Ruhe an der Macht, besetztes
Palästina, 4. Dezember 2020.
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Der dritte Reader dieser Art hat es in sich: Im Kapitel
HEGEMONIE beschreibt der ehemalige Geschäftsführer der
israelischen Physicians for Human Rights Israel
Ran Cohen , wie es Israels radikalen Rechten in den vergangenen
Jahren erfolgreich gelang, ihre Weltsicht in der Mitte der
Gesellschaft zu verankern.
Er zeichnet den Prozess nach, durch
den Israels Rechtsextreme den Mainstream erobern konnten,
identifiziert die Akteure und fragt nach ihren Zielen und
Strategien ebenso wie nach der Verstrickung staatlicher
Institutionen in ihren Aufstieg. In einem weiteren Beitrag fragt
der Politikwissenschaftler Dani Filc , wie die israelische Linke
– dem Beispiel der israelischen Rechten folgend, die Gramscis
Strategie des Kampfs um Hegemonie verinnerlicht hat – ein
hegemoiales Projekt vorantreiben kann, in dessen Zentrum
Demokratie, sozioökonomische und politische Gleichheit und ein
Ende der Besatzung der Palästinensergebiete stehen.
Im zweiten Kapitel geht es um LAND: Der Forscher und Aktivist
Dror Etkes zeichnet in seinem Beitrag den andauernden Prozess
der Enteignung palästinensischen Lands zugunsten israelischer
Siedler*innen nach. Solche Prozesse wirken nicht nur auf
besetztem Gebiet, sondern auch in Israel selbst. Während der
Historiker Gadi Algazi sich mit der historischen Genese der
Verteilung der Landressourcen zugunsten der jüdischen Mehrheit
beschäftigt, zeigt der Aktivist Fadi Shbita anhand der
israelischen Institution der (Siedlungs-)Aufnahmekomitees, wie
auch heute noch die palästinensische Minderheit im Land eine
strukturelle Ungleichbehandlung erfährt.
Es gibt keinen anderen Weg, eine Besatzung durch- und
umzusetzen, als mit Macht und Gewalt. Deshalb geht es im dritten
Kapitel um WAFFEN. Die zentrale Rolle des Militärs in Israel
spiegelt sich vielleicht am besten im Erfolg des Landes beim
Export von Waffen und Militärtechnologien wider. Dieser, so
Aktivistin Sahar M. Vardi , erfolgt ohne Regulierung und
Transparenz und führt zu gravierenden Folgen für Menschenrechte
im Ausland, aber auch im Inland. Was Waffen im Inland
tatsächlich anrichten, beschreiben die Aktivistinnen und
Forscherinnen Rela Mazali und Meisa Irshaid Law office ميساء
ارشيد مكتب محاماه
Die wachsende Verfügbarkeit legaler und illegaler Waffen und die
fehlende Durchsetzung von Recht und Ordnung führen zu einer
enormen Zunahme von organisierter Kriminalität, Schießereien und
innerfamiliärer Gewalt.
ÖKONOMIE heißt der vierte Teil dieses Readers. Es befasst sich
mit dem Wandel, den der Begriff der Arbeit in den vergangenen
Jahrzehnten durchlaufen hat. Darin formuliert die Publizistin
Ziv Adaki eine linke Kritik an dem Versuch, die israelische
Arbeiterschaft in einer Institution zu vereinen. Anhand der
Geschichte des Werks von Haifa Chemicals wird so der Niedergang
des legendären israelischen Gewerkschaftsdachverbands der
Histadrut und der vielversprechende Aufstieg einer alternativen
Gewerkschaft beschrieben. Jene neoliberalen Globalisierungs- und
Privatisierungsprozesse, die den Niedergang der Histadrut
beschleunigten, zogen in Israel und weltweit tiefgreifende
Veränderungen der Arbeitswelt nach sich – die durch die
weltweite Corona-Pandemie weiter beschleunigt werden. Dass
nicht-jüdische Migrant*innen seit den 1990er Jahren ihren Weg
auf den israelischen Arbeitsmarkt finden, ist eine Folge
hiervon. Im letzten Jahr standen sie im Licht der
Öffentlichkeit, als Hunderte von Migrant*innen samt ihrer in
Israel geborenen Kindern des Landes verwiesen werden sollten.
Die Migrationsexpertin Idit Lebovitch beschreibt, wie damit ein
Prekariat entstanden ist, das sowohl rechtlich als auch bei den
Arbeitsbedingungen deutlich benachteiligt ist.
Schließlich findet sich im Kapitel PERSPEKTIVEN ein Essay über
Süd-Tel Aviv (Einat Podjarny & Tsafrir Cohen, zuerst erscheinen
in einem Katalog des Jüdisches Museum Hohenems): Migrant*innen
aus Asien oder Geflüchtete aus Subsahara-Afrika finden häufig
ihren Weg nach Süd-Tel Aviv, dem wir eine Liebeserklärung
widmen. Es ist ein Essay über einen Mikrokosmos der Kämpfe, die
für Israel richtungsweisend sind, über die Teilung einer Stadt
und Spaltung einer Gesellschaft, über einen Ankunftsort für
Geflüchtete und Migrant*innen, Abschottungspolitik,
systematische Diskriminierung und das progressive Potenzial des
Hinterhofs Tel Avivs.
In diesem Kapitel finden sich zudem zwei Gespräche: mit der
linken Symbolfigur und ehemaligen Knesset-Mitglied דב חנין Dov
Khenin (Netta Ahituv) und der Regisseurin Ofira Henig (Tali
Konas) über politische Kunst, Feminismus und Machtverhältnisse.
Henig ist eine selten integre Künstlerin, die mit jüdischen und
palästinensischen Schauspieler*innen zu hoch politischen Themen
zusammenarbeitet und dabei echte jüdisch-arabische Partnerschaft
auf Augenhöhe vorlebt – und diese nie missbraucht, um hieraus
politisches Kapital zu schlagen, sondern die Kooperation als
natürliches Ergebnis des Lebens in einem Land wie Israel
versteht.
Das alles ist frei Haus bestellbar unter:
https://www.rosalux.org.il/israel-ein-blick-von-innen.../
- in etwaiger Menge!
Dank gilt: Ursula Wokoeck , die nicht nur aus dem Hebräischen
übersetzte, sondern die Texte mit Anmerkungen und Erklärungen
für die deutschsprachigen Leser*innen ergänzt hat; Daniel
Podjarny, der eine visuelle Sprache für die Webseite des Rosa
Luxemburg Stiftung - Israel Office entwickelt hat und zusammen
mit Schroeter & Berger für die sehr besondere Gestaltung dieser
Veröffentlichungsreihe verantwortlich zeichnet; dem klugen
Berliner Berater Yossi Bartal ; dem großartigen
Fotograf*innenkollektiv Activestills ; den Kolleg*innen Tamar
Almog, Hana Amoury und Yifat Mehl sowie Natascha Holstein,
Stephan Wolf-Schönburg und dem neuen Büroleiter Markus Bickel .
Es war eine große Freude mit den Kolleginnen Tali Konas und
Einat Podjarny an der Redaktion dieses Readers zu arbeiten!
Quelle
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(2018/2019):
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Hier geht’s zu unserem ersten Reader (2017):
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