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Der Anschlag von Halle, die Nakba und der verweigerte Blick durch Galileis Fernrohr
Die Deutschen und die gegenwärtige Hexenjagd auf „Antisemiten“

Arn Strohmeyer - 21.10.2019  

In Bert Brechts Theaterstück „Galilei“ gibt es die berühmte Szene, in der der italienische Astronom den staatlichen, kirchlichen und wissenschaftlichen Autoritäten seiner Zeit die Ungültigkeit des ptolemäischen Weltbildes erklären will. Dieses hatte behauptet, dass die Erde im Mittelpunkt des Weltalls stehe und die Gestirne um sie kreisten. Galilei hatte durch seine Beobachtungen mit einem Fernrohr festgestellt, dass diese These falsch ist: Die Erde ist selbst ein Planet und kreist mit anderen Planeten um die Sonne. Als er die Autoritäten auffordert, durch sein Fernrohr in den Nachthimmel zu blicken und sich von der Richtigkeit seiner Behauptung zu überzeugen, weigern sie sich und berufen sich dabei auf den großen Aristoteles, denn der hat doch gesagt…

Genauso kommt dem kritischen Betrachter der gegenwärtige Diskurs von Politikern, der Mainstreammedien und eines Großteils der politisch interessierten Öffentlichkeit und der  Wissenschaft über Israel und den Antisemitismus vor, dessen wesentliches Merkmal Realitätsverweigerung ist. Wobei das Wort Diskurs dabei schon sehr euphemistisch verstanden werden muss, denn in Wirklichkeit handelt es sich hier um eine Form der Hysterie, die in inquisitorischen Anklagen, einer Hatz auf Andersdenkende in einer die Demokratie gefährdenden Unterdrückung von Meinungs-, Informations-, Presse- und Wissenschaftsfreiheit ihre vorläufigen Höhepunkte findet.

Nun hat der Anschlag von Halle die Situation beträchtlich verschärft. Die rechtsextreme Bedrohung nimmt zu – Hitlers Erben sind parlamentarisch oder mit Gewalt zurück, als sei zwischen 1933 und 1945 nichts gewesen – „Vogelschiss“ eben (AfD-Gauland), an den man in Berlin auch noch mit einem „Mahnmal der Schande“ erinnere (AfD-Höcke). Man muss auf das wirre Weltbild des Täters von Halle nicht näher eingehen, das den klassischen rassistischen Antisemitismus mit den dazu passenden Verschwörungstheorien sowie Kritik am Zionismus vermischt und seine Anhänger in der internationalen neonazistischen Netz-Community rekrutiert. Der Täter von Halle bezeichnete sich selbst als Mitglied der „Internet-SS“, damit ist alles über diese neue Form des Terrorismus gesagt.

Aufschlussreich sind aber die Reaktionen von politischen Interessenvertretern und Medien, die den Anschlag von Halle nicht zum Anlass nehmen, über Fehler und Versäumnisse ihrer Politik nachzudenken, wozu auch gehört hätte, die seit langem in Deutschland grassierende Antisemitismus-Hysterie und auch das problematische Verhältnis zu Israel kritisch zu hinterfragen, die ein wesentlicher Teil des Problems sind. Soll heißen, dass bei der Diskussion über Antisemitismus in Deutschland ein ganz wesentliche Fakten ausgeblendet werden, das eben ist mit der oben angesprochenen Realitätsverweigerung gemeint.

So stellen die meisten Kommentatoren natürlich die Frage: Warum bricht der Judenhass jetzt wieder auf? Hier ist die Frage schon ungenau gestellt, denn Experten wie der Doyen der Antisemitismusforschung in Deutschland Wolfgang Benz sehen keinen „neuen“ Antisemitismus, es sei der alte, der sich nur in neuem Gewand wieder rege. Die Antworten auf die Ursachen des Antisemitismus fallen bei Politikern, Experten und Kommentatoren denn auch eher kläglich aus. Da werden die Ratlosigkeit vieler Menschen angesichts der Globalisierung, die im Netz verbreitete Judenfeindschaft und der Judenhass der muslimischen Einwanderer und dann natürlich der „israelbezogene Antisemitismus“ angeführt, der vor allem Vertretern der Linken vorgeworfen wird.  
 

 

Absurde Vorwürfe gegen Kritiker der israelischen Politik - Da darf die wegen ihres methodischen Vorgehens höchst umstrittene Antisemitismus-Expertin Monika Schwarz-Friesel im SPIEGEL linken Kritikern der israelischen Politik uterstellen: „Moderne Antisemiten schreiben mehrheitlich nicht: Die Juden stören. Sondern: Das Kindermörderland Israel muss von der Landkarte verschwinden.“ Welcher seriöse und ernstzunehmende Kritiker der israelischen Politik hat je so argumentiert? Der SPIEGEL fügt diesen mehr als infamen Unterstellungen redaktionell nicht weniger dreiste Unterstellungen hinzu: „Der linke Antisemitismus (…) ist von Motiven des sekundären Antisemitismus durchtränkt. Etwa wenn die Politik Israels mit der Nazideutschlands verglichen und den Juden das Recht auf einen Staat abgesprochen wird.“

Der Kommentator der Süddeutschen Zeitung Gustav Seibt argumentiert ähnlich auf derselben Ebene. Er unterscheidet vier Arten von Antisemitismus: 1. der Nach-Holocaust- Antisemitismus, der einen Schlussstrich unter die deutsche Geschichte ziehen will und besonders in AfD-Kreisen, von Neo-Nazis und Hooligans vertreten werde; 2. der israelbezogenen Antisemitismus, der in Form der Israel-Kritik auftrete und vom islamischen Fundamentalismus bis zu Teilen der europäischen Linken reiche.

Seibt beschreibt diese Form des Antisemitismus so: „Da zeigt sich eine ‚Israel-Kritik‘, die alle Juden dieser Welt für die Politik des Staates Israel in Mithaftung nehmen will und dabei ganz ungeniert ältere Motive einer jüdischen Weltverschwörung aufgreift, in der Kritik an ‚jüdischen Lobbys‘ und an einer angeblich jüdisch dominierten öffentlichen Meinung“;  (Man darf wieder fragen: welcher seriöse und ernstzunehmende Kritiker der israelischen Politik argumentiert so? – wobei die Existenz einer zionistischen Interessenvertretung in aller Welt ja ganz außer Frage steht, heiße sie nun „Lobby“ oder sonst wie. Ich empfehle Seibt die Lektüre der sehr guten empirischen Untersuchung der beiden amerikanischen Politologen  John J. Mearsheimer und Stephen Walt: Die Israel-Lobby. Wie die amerikanische Außenpolitik beeinflusst wird.); 3.: „der popkulturelle Antisemitismus in der Rapperszene sowie 4. der neue Netz-Antisemitismus. Da diese beiden Formen sich eng an den „alten“ Antisemitismus anschließen, soll hier nicht weiter auf sie eingegangen werden.
 


 

Natürlich darf auch der Altmeister der Denunziation Henry M. Broder nicht fehlen, der in Interviews immerhin – wenn auch stark untertreibend – zugab, „dass Israel manchmal gegenüber den Palästinensern unverhältnismäßig handelt.“ Dagegen gebe es Protest, aber er kritisiert, dass diese Protestler nicht auch etwas über die Unterdrückung der muslimischen Uiguren in China sagen. Darauf sei ihm geantwortet: Bei aller Sympathie für die Rechte der Uiguren – das Problem liegt den Deutschen vielleicht deshalb nicht so nah, weil sie mit diesem Volk keine gemeinsame – und zum Teil sehr schreckliche - Vergangenheit haben. Außerdem gehören die Uiguren auch nicht zur westlichen „Wertegemeinschaft“, der Israel anzugehören behauptet.  Auf die Frage nach den Ursachen des Antisemitismus hat Broder die ahistorische Antwort der Zionisten bereit: „Das Phänomen ist wie eine Krankheit, es ist nicht rational zu erklären.“

Damit sind Broder und die Zionisten fein raus, denn durch diese ahistorische Betrachtungsweise wird der Konflikt zwischen Israelis und Arabern völlig enthistorisiert, weil von der historischen Entwicklung der Auseinandersetzung zwischen Arabern und zionistischen Juden völlig abstrahiert wird. Die Schlussfolgerung muss dann lauten: hier die guten friedliebenden Israelis, dort die bösen feindseligen Araber. Dabei gehen dann die historischen Fakten völlig unter: Dass man den Palästinensern mit Gewalt ihr Land raubte, dass man den größten Teil von ihnen ins Exil trieb, das Land mit jüdischen Einwanderern besiedelte und die restlichen Einheimischen bis heute als Fremde und Menschen zweiter Klasse einstufte und noch einstuft. Jeder Widerstand gegen diese koloniale Entwicklung wurde gegen das Völkerrecht und die Menschenrechte als „Terrorismus“ betrachtet und blutig unterdrückt. Israel kann sich so jeder Verantwortung für den Konflikt entziehen.

 

Die ahistorische Sicht auf den Konflikt macht Frieden unmöglich - Die ahistorische Sicht auf den Konflikt ist deshalb so unrealistisch, ja gefährlich, weil sie es Israel ermöglicht, sich jeder Verantwortung für den Konflikt zu entledigen und weil sie den Frieden zwischen beiden Völkern unmöglich macht: Denn ein  Frieden kann nicht einfach dadurch geschaffen werden, indem die Palästinenser (und die Araber) den Status quo und damit die Realität Israels bedingungslos anerkennen, ohne nach der Vorgeschichte der Entstehung dieses Staates und nach den Tatsachen zu fragen, die der Zionismus gegen den Willen der Palästinenser geschaffen hat.
 


 

Der deutsche Soziologe Walter Hollstein hat schon 1972 geschrieben: „Der Konflikt zwischen Arabern und Israelis kann nicht gelöst werden, indem Tatsachen von heute ohne Berücksichtigung der Tatsachen von gestern ‚anerkannt‘ werden, weil der gegenwärtige Konflikt eben nicht mit dem Krieg von 1967 beginnt, sondern – 70 Jahre früher – mit dem zionistischen Machtanspruch in einem arabischen Palästina.“ An der Richtigkeit dieses Satzes hat sich bis heute nichts geändert.

Nun hat sich die Situation in den vergangenen Jahrzehnten nicht verbessert, sie ist durch die Kriege Israels gegen die Palästinenser und die Massaker an ihnen viel schlimmer geworden: durch den permanenten Landraub, der diesen Menschen die Lebensgrundlage entzieht; den Mauerbau im Westjordanland und die Hunderte von Checkpoints, die die Bewegungsfreiheit stark einschränken; die totale Abriegelung des Gazastreifens und die Verwandlung dieses Gebietes in eine Elendsregion; das Abwürgen der palästinensischen Wirtschaft und damit die beabsichtigte Senkung des Lebensstandards der Palästinenser.

Dazu kommt die permanente Unterdrückung: die ständige und lückenlosen Kontrolle der Menschen, die nächtlichen Razzien und Verhaftungen, die Gefangenhaltung stets Tausender von Palästinensern/innen (auch von Kindern) in den israelischen Gefängnissen unter furchtbaren Bedingungen – kurz gesagt: die völlige Repression und Rechtlosigkeit von Millionen Menschen in den besetzten Gebieten durch den israelischen Siedlerkolonialismus, der sich zu einen unmenschlichen und grausamen Apartheidstaat entwickelt hat, der Recht, Gesetz, Demokratie und Menschlichkeit nur für Juden kennt.

Diese Situation gipfelt in der Äußerung der früheren (und vielleicht auch künftigen) israelischen Justizministerin (!) Ajelet Shaked, dass der Zionismus nichts mit Völkerrecht und Menschenrechten zu tun habe. Auf ihrer Webseite machte sie sich die Äußerung eines israelischen Journalisten zu eigen, dass man die palästinensischen Mütter umbringen müsse, weil sie wieder kleine Schlangen [soll heißen „Terroristen“] gebären würden.
 


 

Außerdem müsse man ihre Häuser zerstören. Der kritische israelische Journalist Gideon Levy bestätigt die Inhumanität und den Rassismus der israelischen Gesellschaft, wenn er schreibt, dass es so gut wie keinen israelischen Juden gebe, der die Palästinenser als gleichwertige Menschen ansehe.

Wie reagieren nun die offizielle deutsche Politik und die Mainstream-Medien (wie oben zitiert etwa der SPIEGEL und die Süddeutsche Zeitung) und die Verteidiger Israels auf die Politik dieses „verbrecherischen und gewalttätig handelnden Staates“ (der israelische Sozialwissenschaftler, Philosoph und Historiker Moshe Zuckermann)? Eben mit der oben geschilderten Verweigerung des Blicks in das galileische Fernrohr. Denn es kann nicht sein, was nicht sein darf. Und deshalb heißt das oberste Gebot der deutschen Sicht auf Israel und seine Politik: Die Makellosigkeit und Unbescholtenheit dieses Staates darf unter keinen Umständen in Frage gestellt werden! Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel behauptete in ihrer berühmten Knesset Rede im Jahr 2008 sogar, dass man mit diesem Staat dieselben Werte teile, was unter kritischen Israelis allerhöchstes Erstaunen hervorrief.

Nun hätte es nach der barbarischen Herrschaft der Nazis – gipfelnd im Holocaust – für die deutsche Politik eigentlich nur einen Weg geben können, um mit dieser historischen Last fertig zu werden: sich für Gerechtigkeit, Recht und Menschenrechte einzusetzen und zu kämpfen, wo immer sie gebrochen und verletzt werden. Im Bezug auf Israel ist genau das nicht geschehen. Stattdessen hat sich die deutsche Politik ein ideales Wunschbild von diesem Staat geschaffen, an dem es geradezu sklavisch festhält. Die furchtbaren Verbrechen der Nazis verlangten nach Sühne und seelischer Entlastung. Man versuchte und versucht, die Erlösung dadurch zu erlangen, indem man vom Antisemitismus der Hitlerzeit übergangslos zum Philosemitismus konvertiert ist und sich mit dem Staat Israel und seiner Politik (also mit dem zionistischen Projekt) vollständig identifizierte, und hoffte, so Sühne für den Holocaust leisten zu können.

 

Deutschland schweigt zu den Verbrechen an den Palästinensern - Eine solche Haltung hat ihren Preis: Die deutsche Politik schweigt vollständig zu den Verbrechen, die Israel an den Palästinensern begeht. Aber nicht nur das. Deutschland als engster Verbündeter des zionistischen Staates sichert mit seiner Unterstützung dieses Staates politisch, wirtschaftlich und militärisch dessen völkerrechtlich illegale Herrschaft über die Palästinenser ab. Um sich der deutschen Schuld am Holocaust zu entledigen, lädt man so ohne Skrupel neue Schuld auf sich. Auf der Strecke bleiben dabei auch die immer wieder beschworenen – inzwischen aber nur noch inhaltlos und hohl klingenden – westlichen Werte: Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Selbstbestimmung, wie sie in der UNO-Charta festgeschrieben sind.

 


 

Mit anderen Worten haben dies kürzlich der deutsche Diplomat Hans von Sponeck und der amerikanisch-jüdische Völkerrechtler und frühere UNO-Beauftragte für die von Israel besetzten palästinensischen Gebiete Richard Falk so formuliert: „Die deutsche Zurückhaltung, kritisch gegenüber dem israelischen Ethnozentrismus zu sein, weist ein gefährliches Missverständnis über die Bedeutung der nationalsozialistischen Vergangenheit auf. Der Holocaust sollte vor allem dazu dienen, die Welt vor Ungerechtigkeit, Staatsverbrechen und Viktimisierung eines Volkes auf der Grundlage seiner rassischen und religiösen Identität zu warnen. Er sollte Israel nicht von der rechtlichen und moralischen Verantwortung befreien, nur weil seine Führung jüdisch ist und viele seiner jüdischen Bürger mit Opfern des Holocaust verwandt sind. (…) Die Lehre des Holocaust sollte nicht durch die unterschwellige Schlussfolgerung pervertiert werden, dass Juden von Rechenschaftspflicht befreit sind, weil sie in der Vergangenheit schreckliche Verbrechen erlitten haben.“
 


 

Und dann schlussfolgern die beiden Autoren mit dem für den deutschen Diskurs so wichtigen Satz: „Die israelische Regierung muss erkennen, das ein Großteil des bedrohlichen Anstiegs der antijüdischen und antiisraelischen Gefühle in Europa und anderswo ihren Ursprung in genau der Politik hat, die sie betreibt.“ Das ist exakt der Punkt, an dem die deutschen Politiker, die meisten Medienvertreter und die Israel-Verteidiger nicht ins Fernglas von Galilei schauen wollen, allerhand windige Theorien über die Ursachen des Antisemitismus erfinden müssen, die zumeist im luftleeren Raum oder im Raum der Unterstellungen und Lügen angesiedelt sind, nur um sich vor der Einsicht, die Sponeck und Falk hier offen aussprechen, zu drücken. Die übergeordneten Ziele, die eigentlich notwendigen Schlussfolgerungen aus dem Holocaust abzublocken, Israels Makellosigkeit und Unbescholtenheit zu bewahren, den zionistischen Staat vor jeder Kritik an seiner inhumanen Politik zu schützen und den Eindruck zu erwecken, als sei jede Kritik an der grausamen israelischen Okkupationspolitik ein Wiederaufflammen der eliminatorischen  Verfolgung von Juden müssen unbeirrt verfolgt werden. Die rücksichts- und skrupellos eingesetzte Waffe zur Durchsetzung dieser Politik ist der denunziatorische und inquisitorische Antisemitismus-Vorwurf.

Moshe Zuckermann hat immer wieder darauf hingewiesen, dass in diesem Vorwurf zugleich eine infame Verhöhnung der Holocaust-Opfer steckt.

Was dieser „Ungeist“ in Deutschland anrichtet, hat dieser israelische Autor anschaulich beschrieben: „Wahllos und ungebrochen werden Begriffe durcheinandergeworfen, Menschen perfide verleumdet und verfolgt, Juden von Deutschen des Antisemitismus geziehen, eine gesamte Debattenkultur in ein Tollhaus neuralgischer Befindlichkeiten und Ressentiments verwandelt, wobei sich linke Gesinnung nach rechts wendet und rechte Ideologen sich den Anschein von Liberalität zu geben trachten.“ Zuckermann ist es auch, der unermüdlich darauf hinweist, dass man vor allem zwischen Judentum, Zionismus und Israel und natürlich zwischen Antisemitismus, Antizionismus und Kritik an Israels Politik unterscheiden muss, weil hier die Quelle für die fatalsten falschen Schlussfolgerungen und Missverständnisse liege.

 

Die israelische Regierung hat die Definitionshoheit über den Antisemitismus  - Dass Zuckermann mit seinen Auffassungen in Israel nicht allein dasteht, belegt ein kürzlich erschienener Text des Historikers Daniel Blatman von der Hebräischen Universität in Jerusalem. Sein Forschungsschwerpunkt ist der Holocaust, zugleich ist er auch Chefhistoriker des Warschauer Ghetto-Museums. Er registriert eine ganz neue Form des Antisemitismus, die er „funktionalen Antisemitismus“ nennt. Dieser basiere auf dem Prinzip, dass jeder, den bestimmte Juden als antisemitisch definieren wollen, als solcher auch definiert werde.

Über die Kriterien, was Antisemitismus und wer Antisemit sei, entscheide also letzten Endes der Zionismus. Blatman schreibt: „Mit anderen Worten, es handelt sich nicht mehr um einen Antisemitismus, der zwischen Juden und Nicht-Juden nach Kriterien wie Religion, Kultur, Nationalität oder Rasse unterscheidet, sondern um einen, der zwischen Antisemiten und Nicht-Antisemiten unterscheidet, nach Kriterien, die von der israelischen Regierung und von Juden und Nicht-Juden, die ihn unterstützen, in Deutschland und anderen Ländern aufgestellt werden. Was hier geschieht, ist nicht weniger als eine historische Revolution im Verständnis des Antisemitismus: Antisemitische Deutsche definieren nicht mehr, wer ein Jude ist, der aus der Gesellschaft verbannt werden muss, sondern bestimmte Juden definieren, wer ein Antisemit oder Philosemit ist, und die Deutschen nehmen ihre Meinung an. Funktionaler Antisemitismus definiert Juden und Nicht-Juden gleichermaßen als Antisemiten, basierend auf einer Reihe von Kriterien und Eigenschaften, die dem aktuellen Nationalismus Israels entsprechen.“

Blatman vergleicht dann mit Blick auf die BDS-Resolution des Bundestages [BDS = Boykott, De-Investment, Sanktionen] die heutige deutsche Politik gegenüber Israel mit der der Nazis gegenüber dem Zionismus kurz nach ihrer Machtergreifung: „So dient Deutschland dem brutalen und rassistischen Konzept des Zionismus im heutigen Israel, so wie Deutschland früher den Bedürfnissen des Zionismus diente, um den jüdischen Isolationismus zu fördern und die jüdische Auswanderung so weit wie möglich zu fördern. [Blatman meint hier das Ha‘awara-Abkommen, das die Nazis mit den Zionisten abgeschlossen haben. Es ermöglichte Juden die Auswanderung aus Deutschland mit einem Teil ihres Vermögens. A.Str.] Die Abgeordneten des Bundestages sind offenbar blind für den gewaltigen Unterschied zwischen der verzweifelten Situation der deutschen Juden in den 1930er Jahren und dem heutigen jüdischen Staat.“



 

Auch zu der Hexenjagd auf alles, was mit Kritik an der israelischen Politik und BDS zu tun hat, findet Blatman deutliche Worte: Das habe nichts mit Antisemitismus zu tun, sondern sei reine Hysterie. Vor allem den Vergleich der immer wieder zitierten Aufforderung der Nazis „Kauft nicht bei Juden!“ mit den Zielen der BDS-Bewegung sieht der israelische Historiker als grundfalsch an: „Der durch Antisemitismus gegen Juden verhängte Boykott und der heutige Boykott Israels haben nichts gemeinsam. Der historische Boykott war ein hemmungsloser Angriff auf eine verfolgte Minderheit, die um ihren Platz in der Gesellschaft kämpfte, während das derzeitige Verbot die Befreiung einer Minderheit ohne Rechte unterstützen soll, die seit 48 Jahren unter dem Joch einer brutalen Besatzung steht.“

Ganz ähnlich argumentiert die amerikanisch-jüdische Philosophin Judith Butler: BDS sei ein gewaltfreier Protest, der sich auf die Ablehnung illegaler Formen der Enteignung, der Durchsetzung und Verweigerung der Menschenrechte für die Palästinenser konzentriere. Mit BDS hätten nicht-staatliche Akteure die Möglichkeit, gegen die Besatzung, die Enteignung und den von Israel gegen die Palästinenser verübten Terrorismus vorzugehen. Ihr Zweck sei es, einer Form der zivilen Trennung auf der Grundlage rassistischer Prinzipien ein Ende zu setzen.

Es ließen sich viele weitere israelische bzw. jüdische Stimmen anführen, die ganz genauso argumentieren – etwa das Protestschreiben von 240 israelischen und jüdischen Wissenschaftlern an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, BDS nicht mit Antisemitismus gleichzusetzen: „Die Gleichsetzung von BDS mit Antisemitismus wird von der am weitesten rechts stehenden Regierung in der Geschichte Israels gefördert. Sie ist Teil der ständigen Bemühungen, jeden Diskurs über palästinensische Rechte und jede internationale Solidarität mit den Palästinensern, die unter militärischer Besatzung und schwerer Diskriminierung leiden, zu delegitimieren. Wir fordern Sie auf, Antisemitismus und alle Formen von Rassismus zu bekämpfen, ohne diese böswilligen Bemühungen zu unterstützen. Wir bitten Sie, die freie Meinungsäußerung und demokratische Räume in Deutschland zu schützen, anstatt diejenigen zu isolieren und zum Schweigen zu bringen, die ihre politischen Überzeugungen gewaltfrei zum Ausdruck bringen.“

 

Deutsche Antisemitismus-Experten als blinde Gefolgsleute des Zionismus - Vielleicht sollten deutsche Antisemitismus-Experten – Politiker, Bürgermeister, Israel-Ideologen und vor allem die Antisemitismus-Beauftragten - bei solchen universalistisch denkenden jüdischen bzw. israelischen Wissenschaftlern und Intellektuellen Nachhilfeunterricht nehmen, um sich über die Situation in Israel, die deutsch-jüdische Geschichte, Antisemitismus, den Nahost-Konflikt sowie über Menschenrechte und Völkerrecht zu informieren anstatt sich devot und sklavisch den Vorgaben einer inhumanen, partikular-nationalistischen Ideologie und einer sie in ihrer Politik konsequent befolgenden israelischen Regierung unterzuordnen. Diese deutschen „Antisemitismus-Versteher“ sollten auch zur Kenntnis nehmen, dass schon große Juden wie Albert Einstein, Sigmund Freud, Erich Fromm, Hannah Arendt und Martin Buber sich zu ihrer Zeit sehr kritisch über den Zionismus geäußert haben. Wie würden sie erst heute den zionistischen Staat beurteilen, wenn sie seine Entwicklung der letzten Jahrzehnte kennen würden?

Vor allem sollten diese „Antisemitismus-Versteher“ einen Blick in die Bücher und Schriften der sogenannten „neuen“ israelischen Historiker werfen, die mit ihren Arbeiten belegt haben, wie falsch das offizielle Geschichtsbild ist, das der israelische Staat vermittelt. „Zionistische Mythologie“ nennt Tom Segev dieses Narrativ, das in Deutschland nichts desto trotz verbreitet ist und geglaubt wird.

Ein Beispiel: Der Antisemitismus-Beauftrage des Landes Baden-Württemberg Michael Blume attackierte jetzt in seinem Jahresbericht die seit Jahren in Deutschland gezeigte Ausstellung „Die Nakba – Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948“ als „Querfront des israelbezogenen Antisemitismus.“ Dabei kann Blume gegen die in der Ausstellung aufgezeigten Fakten gar nichts vorbringen, sie sind wissenschaftlich sehr gut abgesichert. Aber Blume passt die ganze Richtung nicht, weil die Ausstellung geeignet sei, „antisemitische Stereotype zu verstärken.“    

Die historische Wahrheit ist also bedeutungslos, es zählen nur die Makellosigkeit und Unbescholtenheit Israels. Die palästinensische Seite soll also ihr Narrativ (das im Übrigen fast deckungsgleich mit dem Geschichtsbild ist, das die „neuen“ israelischen Historiker erarbeitet haben!) über die Auseinandersetzung mit den Zionisten 1948 gar nicht vorbringen dürfen, weil es von vornherein als „antisemitisch“ abgestempelt wird. Ein schönes Beispiel für die Freiheit der Wissenschaft im Deutschland des Jahres 2019!

Und obendrein operiert Blume bei seiner Attacke auf die Nakba-Ausstellung noch mit falschen Fakten. Er führt den ganzen Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern völlig undifferenziert – aber getreu dem zionistischen Dogma - auf den „arabischen Antisemitismus“ zurück und nicht auf den zionistischen Siedlerkolonialismus, der seinen Staat in einem arabischen Land errichtet hat. Zu diesem Thema schreibt der Bremer Arabist Alexander Flores: Wenn Israelis oder Anhänger dieses Staates von Judenhass oder Antisemitismus der Araber sprechen, dann leugnen sie jeden Zusammenhang mit seiner Entstehungsgeschichte, weil es ihnen in erster Linie darum geht, Israel gegen jede grundsätzliche Kritik zu immunisieren und die Araber pauschal als Antisemiten zu verdächtigen. Sie leugnen auch, dass antisemitische Ideen aus Europa in den arabischen Raum transferiert worden sind, dort zunächst nur eine marginale Wirkung entfalteten, dann aber durch die Konzipierung und Realisierung des zionistischen Projekts mitten in der arabischen Welt, hinter dem die imperialen europäischen Mächte standen, an Verbreitung gewann.

Die Umwandlung Palästinas in einen jüdischen Staat konnte nur mit gewaltsamen Mitteln auf Kosten der arabischen Palästinenser verwirklicht werden. Diese Entwicklung rief verständlicherweise die heftige Feindschaft der Araber und der einheimischen Palästinenser gegen den Zionismus und nach der Gründung Israels gegen diesen Staat, seine Struktur und seine Politik hervor. Flores schreibt wörtlich: „Diese Feindschaft lässt sich ohne weiteres aus dem Schaden erklären, der den Palästinensern aus der Realisierung des zionistischen Projekts und später aus der israelischen Politik erwuchs. Sie ist nicht an sich antisemitisch. Sie wird es erst, wenn sie als Feindschaft gegen Juden als Juden artikuliert wird oder wenn Israel bzw. israelische Politiker, Institutionen und Aktionen so dargestellt werden, dass sie dem Klischee ‚des‘ Juden entsprechen.“ Und: „Erst im Gefolge der Staatsgründung Israels, des ersten arabisch-israelischen Kriegs und der damit einhergehenden Katastrophe für die Palästinenser [Nakba] verbreitete sich in der arabischen Welt eine scharf antiisraelische und oft auch antisemitische Haltung.“  Flores weist in diesem Zusammenhang noch auf ein wichtiges Faktum hin: Israel beansprucht, für alle Juden weltweit zu sprechen und zu handeln. Das ließ den Unterschied zwischen Zionismus und Judentum in den Augen vieler Araber verschwimmen und ist ein wesentlicher Grund dafür, dass ihre Feindschaft gegen Israel teilweise in Antisemitismus umschlägt.

 

Der Antisemitismus-Beauftragte demonstriert Unkenntnis der Geschichte Israels  - Blumes völlig undifferenzierte Sichtweise begeht noch einen anderen schweren Fehler. Er übernimmt die aus der israelischen Propaganda (Hasbara) stammende These von der Vertreibung der Juden aus den arabischen Ländern zu Beginn der 1950er Jahre. Die Details dieser Geschichtsfälschung können hier nicht dargestellt werden, es sei auf die beiden Standardwerke zweier israelischer bzw. jüdischer Autoren zu diesem Thema verwiesen: Tom Segev: Die ersten Israelis und John Bunzl: Juden im Orient. Jüdische Gemeinschaften in der islamischen Welt und orientalische Juden in Israel. Hätte Blume auch noch das Buch des Israeli Ilan Pappe Die ethnische Säuberung Palästinas gelesen, hätte er den Unsinn nicht behaupten können, den er da geschrieben hat.

Aber der Mann ist ja der deutschen „Staatsräson“ gegenüber Israel verpflichtet und muss deshalb zionistische Mythen verbreiten. Dafür wird er ja schließlich bezahlt. Für die Zionisten ist die angebliche Vertreibung der arabischen Juden ein Politikum ersten Ranges. Denn mit dieser Behauptung soll das Verbrechen der völkerrechtswidrigen Vertreibung der Palästinenser (Nakba 1948) vertuscht und relativiert werden. Indem die Zionisten die Vertreibung der Palästinenser mit der (in Wirklichkeit gar nicht stattgefundenen) Vertreibung der Juden aus den arabischen Ländern gleichsetzen, soll jeder juristische Anspruch auf die Rückgabe palästinensischen Eigentums abgewehrt werden. Man rechnet also Verbrechen mit Verbrechen auf und auf diese Weise soll die Sache erledigt sein.

Die „Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost“ kommentierte diesen Vorgang so: „Da wird eine Geschichtsfälschung begangen, die imaginäre Verbrechen erfindet, um die Verleugnung von realen Verbrechen [der Nakba] zu untermauern.“ Ein deutscher Antisemitismus-Beauftragter hat kein Problem damit, eine solche Geschichtslüge zu verbreiten. Denn das oberste Gebot seiner Arbeit und das seiner Kollegen lautet: die Makellosigkeit und Unbescholtenheit Israels mit allen Mitteln zu bewahren, „Antisemitismus“ nach den Kriterien des Zionismus aufzuspüren (siehe oben die Definition von Daniel Blatman) – und bloß keinen Blick durch Galileis Fernrohr auf die Realität Israels zu werfen.   

Allein diese Details belegen, wie zweifelhaft die Institution eines AS-Beauftragten ist. Die Kritik an dieser Einrichtung ist nicht neu, aber sie ist es wert, immer wiederholt zu werden. Aus zwei Gründen: Ein solches Amt fördert erstens eher den Antisemitismus als dass es ihn stoppt oder verhindert. Denn ein solches Amt ist nur ein Beleg dafür, wie privilegiert die Juden in Deutschland sind. Andere Gruppen, die zahlenmäßig größer und wesentlich mehr diskriminiert werden, verfügen nicht über ein solches Privileg, was automatisch Vorurteile und Hass wecken muss. Das Organ des Antisemitismus-Beauftragten verhindert zweitens den gleichberechtigten und fairen Dialog zwischen den betroffenen Gruppen, weil die privilegierte Gruppe sich mit allen Mitteln in den öffentlichen „Dialog“ einbringen kann, sogar die Staatsmacht hinter sich hat, die anderen Gruppen aber zum Schweigen verurteilt sind und ihr Narrativ gar nicht erst vortragen können, weil sie von vornherein unter Antisemitismus-Verdacht gestellt werden. Siehe die Palästinenser im Zusammenhang mit der Nakba-Ausstellung oder die zugwanderten syrischen Flüchtllinge.

Das ist nicht nur ein Hohn, es ist eine Gefahr für die Demokratie, die die offene Gesellschaft mit freien Dialogen unbedingt braucht. Der auf Israel bezogene Satz „darüber darf man gar nicht laut reden“ ist in der Bevölkerung immer öfter zu hören – ein Beleg dafür, wie die Verhinderung eines offenen Dialoges über Israel und seine Politik den unterschwelligen Antisemitismus schürt. Schuld daran ist zweifellos die offiziell angefachte Antisemitismus-Hysterie, die mit ihren inquisitorischen Hexenjagd-Methoden das Gegenteil von dem erreicht, was sie eigentlich anstrebt.

Das Erschrecken in jüdischen Kreisen darüber, dass Hitlers Erben sich wieder rühren und manchmal – wie in Halle – zuschlagen, ist verständlich. Aber der Antisemitismus wird erst dann zu einer wirklichen Gefahr (das hat der Nationalsozialismus gezeigt), wenn er offizielle Politik eines Staates wird. Aber davon kann in Deutschland (bei aller Kritik an der Politik der Herrschenden in Berlin) gar keine Rede sein.

 



 


 


 

 
 

Uwe Becker traut sich
 21. Oktober 2019 von Abi Melzer


Herr Becker,
(...) Ich danke Ihnen dafür, dass Sie mich belehren wollen, was BDS, was Antisemitismus und was in Israel los ist. Meine Mutter, Mirjam Neumann, hatte den Holocaust und Hitlers Antisemitismus überlebt, ebenso eine ihrer 7 Schwestern und ein Bruder. 6 Schwestern, der Bruder und die Eltern sind in Auschwitz vergast und verbrannt worden, wie auch zahlreiche andere Verwandte.


Mein Vater hat den Holocaust überlebt, indem er vor den Nazis geflohen und bei den Russen im Gulag gelandet ist. Dort musste er schwer arbeiten und hungern, aber er wurde nicht fabrikmäßig ermordet. Es gelang ihm auch, 1939, in letzter Minute seine Mutter und seine Geschwister aus Nazideutschland herauszuholen und zu retten. Alle übrigen Verwandten wurden ermordet.
Ich wurde in eine solche Familie hineingeboren – ohne Tanten, Onkel und Großväter oder Großmütter. Wie kann ich dann ein Antisemit sein?

Sie behaupten viele Menschen „verkennen“ die wahren Ziele der BDS. Haben Sie noch nie daran gedacht, dass Sie möglicherweise die wahren Ziele verkennen? Haben Sie nie daran gedacht, dass Sie verblendet und blind sind in Ihrem Einsatz für die zionistischen Ziele, den Staat Israel Palästinenser frei zu machen? Haben Sie sich jemals auch für das Recht der Palästinenser eingesetzt? Oder haben die Palästinenser keine Rechte? Was ist mit ihrer Würde?

Sie schreiben: „Denn natürlich kann und darf in unserem Land kritisch über jedes Handeln welcher Regierung auch immer offen und frei diskutiert werden und gerade Frankfurt besitzt eine starke Tradition des gesellschaftlichen Diskurses. Interessant ist allerdings schon die Frage, weshalb bestimmte Gruppen immer wieder über die Politik Israels diskutieren wollen, und nicht etwa über das Regierungshandeln in Venezuela, dem Iran, Russland, China, dem Libanon etc.“

Diese absurde Frage will ich Ihnen gerne beantworten. Moshe Zuckermann, der Jude und Israeli ist, kann und will über sein Land reden und ich, der ich in Israel aufgewachsen, zur Schule gegangen und zum Dienst in der Armee eingezogen wurde, nehme mir auch das Recht über Israel zu reden, auch wenn es manchmal ungerecht ist; aber selten. Weil für Juden wie mich, Moshe Zuckermann und viele andere Juden, und Nicht-Juden, das Regierungshandeln in Israel wichtiger und näher ist, als was in Venezuela, dem Iran, Russland, dem Libanon und vielleicht auch Paraguay oder Panama passiert. Ja, auch was in China, Venezuela, Indien und Russland passiert, ist wichtig und sollte beobachtet und wenn nötig kritisiert werden, aber das sollen andere tun. Ich kehre vor meiner Tür.

Und Sie schreiben: „Auch hier liegt schon eine zumindest latent schwierige Haltung gegenüber dem einzigen Jüdischen Staat auf der Welt und gegenüber dem einzig demokratischen Rechtsstaat im Nahen Osten zu Grunde, aber dennoch darf über die dortige Regierungspolitik natürlich auch bei uns offen diskutiert werden.“ Auch das ist, wie alles bei Ihnen, verlogen und perfide. Wenn ich und meine Freunde offen über Israel diskutieren wollen, dann kommt ein gewisser Uwe Becker und will es uns verbieten.   >>>

 
 

Stardirigent Daniel Barenboim erhält Konrad-Adenauer-Preis
Die Preisverleihung fand am 19. Oktober 2019 im Historischen Rathaus statt

Die Stadt Köln verleiht zum achten Mal den Konrad-Adenauer-Preis. Den Preis erhält in diesem Jahr der weltberühmte Dirigent und Pianist Daniel Barenboim. Die Preisverleihung findet am Samstag, 19. Oktober 2019, im Historischen Rathaus statt.

Mit dem Preis wird Daniel Barenboims beispielloses Engagement für Frieden und Völkerverständigung gewürdigt. In seinem West-Eastern-Divan Orchestra spielen junge Musiker aus Israel und der arabischen Welt. Vor 20 Jahren gegründet hat es sich der palästinensisch-israelischen Verständigung verpflichtet. Dieser Klangkörper ist nicht nur musikalisch erfolgreich, sondern ein wichtiges Symbol für das friedliche Miteinander verschiedener Kulturen. Barenboim setzt sich sowohl auf nationaler, als auch internationaler Ebene auf vielfältige Weise für Versöhnung ein. Mit seinem Engagement schafft er eine Plattform der Begegnung und des respektvollen Miteinanders von Menschen unterschiedlicher Herkunft und ermöglicht ihnen, in den Dialog zu treten. >>>

 

 

Daniel Barenboim -  Rede des Preisträger des Konrad-Adenauer-Preises der Stadt Köln des Jahres 2019

„Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, sehr geehrte Damen und Herren, Ich bin sehr dankbar, heute den Konrad-Adenauer-Preis entgegennehmen zu dürfen. 

1953, als Konrad Adenauer gerade vier Jahre erster Bundeskanzler in Nachkriegsdeutschland war, lud mich – damals 11-jährig – der große Dirigent Wilhelm Furtwängler nach Berlin ein. Mein Vater lehnte diese Einladung damals ab: das Kriegsende und damit die Schreckenszeit des NS-Regimes lagen noch keine zehn Jahre zurück und es war ihm für uns, als jüdische Familie, zu früh, nach Deutschland zu reisen. Später trat ich dann natürlich in Deutschland auf und als ich 1992 Generalmusikdirektor der Staatsoper Unter den Linden und der Staatskapelle Berlin wurde, zog ich mit meiner Familie nach Berlin. Ich konnte mich als Jude in Deutschland damals nur niederlassen, weil sich sowohl die deutsche Politik als auch die Mehrheit der deutschen Bevölkerung mit der Nazi-Vergangenheit auseinandergesetzt und diese – soweit überhaupt möglich – aufgearbeitet hatten.

Obwohl die Entnazifizierung in der Ära Adenauer nicht in letzter Konsequenz umgesetzt wurde, so steht Konrad Adenauer sowohl mit seiner persönlichen Biographie als auch mit seinem politischen Handeln für ein neues Deutschland, verankert in Europa, und für die Aussöhnung der Deutschen mit dem jüdischen Volk. Adenauer selbst bemühte sich tatkräftig um die Versöhnung mit den Juden: Nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel 1965 reiste er im folgenden Jahr als erster hochrangiger deutscher Politiker nach dem Zweiten Weltkrieg nach Israel. Er war auch eindeutig in seiner Analyse der Verantwortung der Deutschen. Schon 1946 schrieb er in einem Brief:

„Nach meiner Meinung trägt das deutsche Volk und tragen auch die Bischöfe und der Klerus eine große Schuld an den Vorgängen in den Konzentrationslagern. Richtig ist, dass nachher vielleicht nicht viel mehr zu machen war. Die Schuld liegt früher. Das deutsche Volk, auch Bischöfe und Klerus zum großen Teil, sind auf die nationalsozialistische Agitation eingegangen. Es hat sich fast widerstandslos, ja zum Teil mit Begeisterung gleichschalten lassen. Darin liegt seine Schuld.“

Ich zitiere heute aus diesem Brief, weil ich nach fast 30 Jahren in diesem Land wieder voll Sorge in Deutschland lebe. Es gibt heute einen hoch-gefährlichen neuen Antisemitismus in Deutschland und die Reaktionen darauf, sowohl gesellschaftlich als auch politisch, sind längst nicht stark genug. Ich hätte Anfang der 90er Jahre nicht geglaubt, dass Antisemitismus und Fremdenhass, die Verherrlichung der Nazi-Vergangenheit und ein aggressiver, völkischer Nationalismus 2019 in Deutschland wieder salonfähig sein würden. Was täglich in Deutschland geschieht sind keine „Alarmzeichen“, für diese ist es längst zu spät. Wir müssen Antisemitismus und Fremdenhass geschlossen und entschieden entgegentreten, jeden Tag. Denn es gibt viele Aspekte der deutschen Kultur, die ich sehr schätze: Literatur, Musik und Philosophie zum Beispiel. Nazismus aber repräsentiert die menschlichen Werte, die dieser deutschen Kultur zugrunde liegen, nicht. Nazismus ist unmenschlich.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch einige Worte zu einem anderen Thema sagen, das mich mit Sorge erfüllt: in Israel hängt die Regierungsbildung derzeit in der Schwebe. Egal, wie die neue Regierung aussieht müssen die Israelis endlich verstehen, dass ihre eigene Sicherheit untrennbar mit dringend nötiger Gerechtigkeit für das palästinensische Volk verbunden ist. Es kann wirklichen, dauerhaften Frieden nur dann geben, wenn die unrechtmäßige Okkupation der palästinensischen Gebiete endlich endet. Auch dafür muss sich Deutschland einsetzen, denn es hat eine Verantwortung gegenüber dem jüdischen Volk, hier wie dort. Es mag schwierig, gar unlösbar erscheinen. Aber wie sagte Adenauer: „Alles Große, meine Damen und Herren, ist ein Wagnis.“   Vielen Dank.
Im Auftrag Inge Schürmann - stellvertr. Pressesprecherin

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