Palestine
Updates Nr.46 – 30. Mai 2017 -
Wir müssen beide
Völker von der Besetzung befreien.
-
Ranjan Solomon,
Meinung - In einer massiven Demonstration
versammelten sich israelische Sprecher,
israelische Künstler und Friedensaktivisten, um
ihre Opposition zu Israels 50-jähriger Besetzung
von palästinensischem Land auszudrücken. Während
der Demo wurde eine Botschaft des
palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas
gelesen: Da ist keine Stimme stärker als die
Stimme eines gerechten und umfassenden Friedens,
ebenso wie es keine Stimme gibt als die des
Rechts des Volkes auf Selbstbestimmung und
Freiheit von der Last der Besetzung … die Zeit
ist gekommen zu leben, für euch und für uns, in
Frieden, Harmonie, Sicherheit und Stabilität.
Der einzige Weg, um den Konflikt zu beenden und
den Kampf gegen den Terror in der Region und in
der ganzen Welt ist die Lösung durch zwei
Staaten neben einander in den Grenzen von 1967,
Palästina und Israel … Wir haben die
Entscheidungen der UNO angenommen, Israel
anerkannt und die Zweistaaten-Lösung angenommen,
und die Welt hat den Staat Palästina anerkannt.
Jetzt ist es an der Zeit für den Staat Israel,
unseren Staat anzuerkennen und die Besetzung
zu beenden. - Tiefgehende Worte von Ayman Odeh,
und harte dazu – Ayman Odeh ist Leiter der Joint
List
Coalition,
die im israelischen Parlament die
palästinensischen Bürger von Israel vertritt:
„Der Staat, dessen Bürger ich bin, besetzt mein
Volk. Wir müssen beide Völker von der Besetzung
befreien.“ Er leitete ein gemeinsam gesungenes
Lied: „Juden und Araber weigern sich Feinde zu
sein.“ Odeh unterstreicht eine wesentliche Liste
von politischen Prinzipien: „Wir müssen ein
demokratisches Lager rund um gemeinsame
Grundprinzipien herstellen und die klare
Forderung zur Beendigung der Besetzung, eine
Forderung nach Gleichheit, Demokratie und
sozialer Gerechtigkeit für alle Bürger des
Staates.“
Der
Direktor von Peace Now, General Avi Buskila
nannte die Zeit für gekommen, in der es einen
palästinensischen Staat an der Seite von Israel
geben müsse. Aber dieser Aufruf ist insgesamt
vielen Palästinensern ebenso wie Israelis nicht
klar. Die Nachrichten auf Kanal 2 zeigen, dass
47 % der Israelis noch die Zweistaaten-Lösung in
den Grenzen von 1967 unterstützen,
39 %
sagen, sie seien dagegen, und 14 % sind
unentschieden. Das widerspricht einer Befragung,
die im März vom Jerusalem Center of Public
Affairs herausgekommen war; dort ist angegeben,
dass die Mehrheit der Israelis jede Art von
Rückzug Israels aus der besetzten Westbank
ablehnt. 79 % der Israelis glauben an die
Bedeutung des Erhalts eines vereinten Jerusalems
unter israelischer Kontrolle, was einen heftigen
Widerspruch gegenüber den lange im Gang
befindlichen internationalen
Friedensverhandlungen und dem internationalen
Recht darstellt.
Das
widerspricht auch der palästinensischen
Sehnsucht und Überzeugung von zwei Drittel der
Palästinenser, die nicht das Gefühl haben, dass
die Zweistaaten-Lösung noch durchführbar ist. In
der Tat stehen palästinensische Aktivisten der
Zweistaaten-Lösung skeptisch gegenüber als
undurchführbar und zweifelhaft, was einen
dauerhaften Frieden anlangt. Sie ziehen einen
bi-nationalen Staat mit gleichen Rechten für
Israelis und Palästinensern vor.
Sie
finden Näheres auf Facebook in der englischen
Fassung.
Die
Grundüberzeugung für die Palästinenser ist, dass
ihr Anspruch auf Menschenrechte und
Selbstbestimmung erreicht werden müsse – nicht
als einen Bantustan-Staat, der weiterhin einem
Fleckerlteppich gleicht und für Israel einen Weg
bietet, die internationale Gemeinschaft zu
täuschen.
Auch wenn die
progressiven Israelis nicht auf einer Linie
liegen, teilen sie doch einige Prinzipien –
Diese werden in der unten abgedruckten Rede
skizziert. Ranjan Solomon, Herausgeber -
„Meinung“ basiert auf einem Maa’n-Bericht
50
Jahre Besetzung sind 50 Jahre zu viel
- Eli Bitan -
Während die Rechte 50 Jahre Militärregierung
über die Palästinenser feiert, darf sich die
Linke nicht fürchten, Allianzen zwischen den
Kämpfen zu schmieden und die Israelis daran zu
erinnern, dass die Beendigung der Besetzung eine
Aufgabe für alle ist. Eli Bitan ist Journalist
in der Haredi Press in Israel. (Haredi ist eine
positive orthodoxe Richtung)
Tausende
Israelis nehmen teil an der linken
Demonstration, die die Zweistaaten-Lösung für
den israelisch/palästinensischen Konflikt
fordert. (Rabin Square, Tel Aviv, 27. Mai 2017)
Das Folgende ist der volle Text der Rede des
Autors und lokalen Forderungsbloggers Eli Bitan,
die er vor 10.000 linken Demonstranten im Laufe
der Anti-Okkupations-Demo am Samstag, 27. Mai
gehalten hat:
"Heute
zählen wir 47 Tage bis Omer. Heute in den frühen
Morgenstunden endeten konnten wir mit dem 41.
Tag aufhören die Tage zu zählen, die tausende
politische Gefangene in Hungerstreik verbracht
haben, um gegen ihre Haftbedingungen zu
protestieren. Der Streik wurde heute morgen
beendet.
41
Tage ohne Essen, ohne ihre Anwälte zu treffen
und mit gewaltigen Versuchen der Administration,
den Geist der Gefangenen zu brechen. 41 Tage,
während denen Massen von Palästinensern sowohl
in Israel wie auch in der Westbank protestiert
haben, um die Haftbedingungen der Gefangenen zu
verbessern – die schlimmer sind als bei anderen
Gefangenen, egal, warum sie ins Gefängnis
geraten sind. 41 Tage, während denen wir,
Israels jüdische Bürger, so gut wie nichts über
diesen Streik oder die Forderungen der
Gefangenen gehört haben – alles unter den
Auspizien des medialen Verschweigens und den
Lügen des Ministers für öffentliche Sicherheit,
Gilad Erdan, der in unserem Namen den
US-Präsidenten angelogen hat, und uns im Namen
der Regierung Netanyahu, genauso, wie er es mit
Umm al-Hiran getan hat. Blanke Lügen.
41
Tage, während denen zwei Palästinenser von der
Grenzpolizei oder von Siedlern getötet wurden:
Saba Abu Ubeid aus Nabi Saleh und Muataz Hussein
Hilal Bani Shamsa aus dem Dorf Beita nah Nablus.
Die beiden jungen Männer hatten sich aufgemacht,
um zur Unterstützung der hungerstreikenden
Gefangenen zu protestieren.
Ich
heiße Eli Bitan. Ich bin in Ramat Beit Shemesh
in einer ultra-orthodoxen Familie aufgewachsen.
Ich habe in einer von Shas betriebenen Schule
und danach in einer Yeshiva (überwiegend Talmud-
und Tora-Studien) in Brei Brak studiert, beides
starke Institutionen von Haredi. Wie die meisten
Israelis war ich mit dem Ethos aufgewachsen,
dass Israel seine Hand in Frieden ausstreckt.
Ich wurde in dem Glauben erzogen, dass Israelis
den Frieden wünschen, und dass sie alles tun
würden, um diesen zu erreichen; dass es eine
kleine, marginale Gruppe – ideologische Siedler
– gibt, die Krieg als Sieg betrachten und Land
über Leben stellen.
Entgegen der Annahme vieler Israelis sind die
Ultra-Orthodoxen moderat, wenn es zu diesen
Themen kommt. Zwei der prominentesten Führer
während der letzten 50 Jahre hielten sich klar
auf einer toleranten Position: Rabbi Ovadia
Yosef, der eine gegenwartsnahe tolerante
Legitimität (halakhic) zu den
Friedensverhandlungen mit Ägypten und die
politische Legitimität für die Oslo-Gespräche
aufrecht hielt, und Rabbi Elazar Shach, der der
ultra-orthodoxen Agudat Yisrael Partei nicht
erlaubte, in die Regierung von Menachem Begin
einzutreten, ehe dieser verspräche, keinen Krieg
zu beginnen ohne die Zustimmung des oben
Genannten. Shach hielt hunderte Reden, in denen
er die „Halakhic Weltansicht“ wiederholte, nach
der Leben über Land steht. Nein, das ist kein
Linker, der über Gleichheit und Menschenrechte
spricht, aber das ist kein Sektor, der sich
gegen die Zweistaaten-Lösung ausspricht, was
sich von Zeit zu Zeit immer wieder
herausgestellt hat.
Nur
als ich aufwuchs und über die entfernte und nahe
Geschichte lernte, verstand ich, wie weit wir –
wir alle – an der Nase herumgeführt wurden.
Unsere blutende Hand streckt sich in Frieden
aus, aber nicht die Hände unseres
Premierministers und der gewählten Vertreter,
die verantwortlich sind für 50 Jahre Enteignung,
Diebstahl, und die Besetzung der Palästinenser.
Durch Trug, sowohl im Inneren wie auch im
Äußeren, tun die Siedler in der Regierung alles,
was sie tun können, um den Konflikt und den
Krieg am Köcheln zu halten, wodurch im täglichen
Verlauf immer mehr Opfer von beiden Völkern
geschaffen werden. Und doch, obwohl sich die
gewalttätige Rechte stark macht, ist die
Mehrheit der Leute in Israel und Palästina für
die zwei Staaten für zwei Völker und glaubt
daran.
Ich
bin ein junger Mann, hier in der Menge sind
Veteranen für die Aktion gegen die Besetzung,
die für diesen Kampf einen hohen Preis bezahlt
haben. Ich fühle mich geehrt, vor euch stehen
und heute Abend sprechen zu dürfen.
Ich
erinnere mich an das erste Mal, als ich zum
Protest auf den Rabin Square kam: Ich war ein
17jähriger Yeshiva-Student im weißen Hemd und
mit der schwarzen Jacke in meinem Rucksack.
Gerade, wenn ich heute um mich blicke, frage ich
mich, wo sind sie alle? Wo sind alle Israelis,
die den schrecklichen Preis für die Besetzung
zahlen? Ich stand damals allein in meinem weißen
Hemd und der schwarzen Kippa. Heute sind es ein
paar Ultra-Orthodoxe, aber das ist nicht genug.
Es gibt tausende junge Haredim, Männer und
Frauen, die den schweren Preis entdecken, den
sie für die politische Allianz mit der Rechten
bezahlt haben. Unsere Rolle besteht darin, sie
zu Hause fühlen zu lassen, eine Allianz zu
schaffen zwischen den Kämpfen, nicht die
Differenz uns vergessen zu machen, dass wir alle
auf diesem Land leben und dass – ja – die
Beendigung der Besetzung die Aufgabe für jeden
und jede ist, der/die hier lebt.
Fünfzig Jahre Besetzung, 50 Jahre einer enormen,
niemals endenden Ungerechtigkeit, zwingen uns,
die Arbeit innerhalb unserer Komfort-Zonen zu
stoppen, uns in neuen Gruppen zusammen zu tun
und den Palästinensern in ihrem Kampf zu folgen.
So, wie uns die Rechte auseinander teilt, ist es
unsere Pflicht, uns zusammen zu tun. Wo die
Rechte trennt, müssen wir uns treffen und
miteinander reden. Wo sie versuchen, Mauern
aufzurichten, um uns in Klassen, Stämme und
Sektoren zu teilen, müssen wir die Trennungen
durchbrechen, die sie eingeführt haben und uns
zusammentun. Während die Rechte die 50 Jahre an
Bord der Titanic feiert, müssen wir ein Licht
auf die Besetzung werfen und ohne Furcht sagen:
Das sind 50 Jahre zu viel gewesen!
Den vollen, ungekürzten Text der Rede von Eli
Bitan vor 10.000 linken Demonstranten bei der
Anti-Besetzungs-Demo am Samstag (enlisch)>>>
Übers.: Gerhilde Merz |